Scena quarta.

[377] Inmittelst das er so rufft, kompt Nero geschwinde gelauffen, vnd spricht.


NERO. Was ist hie zu thun? Was ist hie vor ein geschrey? O mein lieber Bruder, Bistu hier? Was ist dir widerfahren? Das du so betrübt bist. Nimbt ihn in den Arm.

PROBUS. Ach lieber Bruder, Solte ich nicht betrübet sein, Das mich betrübet, gehet dich so wol als mich an, Ich kans vor hertzleid nicht erzelen, Gehe dort hin, Dar wirstu es wol selber sehen, was die vrsache sey meiner bekümmerniß, Ich kan auch hier nicht lange bleiben, Ich wil wider in mein Losament gehen. Gehet abe.

NERO. Was mag dann das sein, dauon mein Bruder jetzunder gesagt hat? Ich sehe dorth mit jhme etzliche stehen, ich mus doch zu jhnen gehen, vernhemen, was dar zuthun sey. Gehet allenhandt forth, vnd wie er zu den Räthen kompt, spricht er. Was ist hier zu thun? Wer sein die, so da ligen? Stutzt ein weil, darnach spricht er. O das ist mein Vater? Fellet auff jhn, vnd küsset jhn. Spricht darnach weiter. Wer ist der Schelm vnd Bößwicht gewesen, so die Handt an diesen alten Man gelegt hat, Ich wolte, das ichs wüste, wer er were, Ich wolte mich an jhm rechen, Vnd solte ich auch[377] mein leben darob zusetzen. Küsset den Vater, vnd spricht. O mein Vater, Was ists mir jetzunder leid, was ich vor diesem an euch gethan, Vnd das ich euch mit meinem vngehorsamb zum offternmal so hefftig erzürnet habe. Ach wolte Gott, Das jhr noch leben, oder, das jhr jetzunder wider das leben bekommen möchtet, Wie demütig, Wie gehorsamblich wolte ich mich gegen euch bezeigen, Aber was hilffts, Es ist nun leider zu spät, Es kan nun nicht widerbracht werden, was ich verseumet habe. Gehet darnach ferner zu seiner Mutter, vnd spricht. Ist das meine Mutter? O wie gehet das jmmermehr zu? Ach hilff Gott, Wie komme ich doch zu diesem grossen vnglück. Küsset sie. Ach liebe Mutter, Wie vbel habe ich bey ewerm leben betrachtet, wie sauwr ich euch worden bin, ehe dann jhr mich zur Welt geborn, In dem ich euch vnd ewern Herrn, meinen lieben Vater, so offtmals erzürnet habe. Jetzunder aber, nun ichs beginne zu bedencken, ists leider zu spädt. O mein liebe Mutter, O mein liebe Mutter, Küsset sie, vnd stellet sich gar rewlich, Darnach stehet er auff, gehet furter vnd spricht. Sihe doch, ists an diesen beiden nicht genug gewesen, Er hat das vnschüldige Kind auch mitnhemen müssen. Behüte Gott, Welche ein grewliche That, Welch ein gros vnglück ist das? Schweiget ein wenig stills, darnach spricht er zu den Räthen. Ja lieber Juste. Es ist ein erbärmlicher fall Aber hierzu wil nunmehr anders nicht gehören, als Geistliche gedult.

JUSTUS. Ja Gnediger Herr, Gott weis, das ich vnnd meine Gesellen darumb vns sehr entsetzt, Gott dem alle ding bekant, weis es zum besten, wie es zugangen ist.

NERO. Gott wirdts wol finden zu seiner zeit, Aber ich wil jetzunder zu meinem Bruder gehen, Vnd den ein wenig zu frieden sprechen, Dann Gottes willen ist nicht zu wiederstreben. Traget jhr dieweil die Todten hinein. Nero gehet abe. Die Toden werden abgetragen.


Quelle:
Herzog Heinrich Julius von Braunschweig: Die Schauspiele. Stuttgart 1855, S. 377-378.
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