Scena quatuordecima.

[397] NERO erschreckt vnd spricht. O hilff Gott, O hilff Gott, O wie ist mir so angst, Ach wo sol ich hin, Ach das ich todt were, das ich des jammers abkeme, Ach ich vermag hie nicht lenger zubleiben. Stellet sich als wolte er weg gehen, So erscheinen jhme die Geister semptlich in voriger gestalt, vnd schreien nach einander.

DIE GEISTER. Vindicta, Vindicta, Vindicta. Rach, Rach, Rach, Ceter Ceter Ceter Mordio vber dich vor dem Gestrengen Gericht Gottes, der du so viel vnschüldig Blut vergossen hast. Verschwinden.

NERO erschrecket, raufft die Haar, laufft geschwinde auff vnd nieder, windet vnd krümmet sich, reisset das Wambs auff, vnd brüllet grewlich wie ein Ochß, vnd spricht. Nun befinde ichs erstlich, was ich gethan habe. Nun wachet das Gewissen in mir auff, O wehe mir, O wehe, O wehe, O wehe, O wehe vber alle wehe, Gehet herumb, krümmet vnd windet sich. O wann ich nur todt were. Ach das ich nie geboren were, so dürffte ich die grosse schmertzen in meinem hertzen, vnd angst des Gewissens nicht ausstehen. O wehe mir, das ich meines eigenen Fleisches vnd Bluts nicht verschonet, Wehe mir, das ich nicht geschewet, aus bösem vorsatz, vnd zu volnbringung[397] meines Teuffelischen willens mein eigen Kind zuschlachten. Wehe mir, der ich so vnmenschlich gewesen, das ich sein Blut getruncken, Sein Hertze gebraten, vnd gessen habe. O wehe mir, das ich eine so vnmenschliche that begangen habe, Wehe mir, das ich meines alten Vaters, welcher mich erzogen, vnd zu allem guten vermanet, nicht verschonet habe. Wehe mir, das ich so ein tyrannisch Hertz vnd gemüth gehabt, das ich mich meines Brudern Sohns bitten vnd flehen nicht habe wollen erweichen lassen, Wehe mir, der ich aus Teuffelischem Gemühte meiner Mutter flehen vnnd bitten nicht geachtet, vnd eine solche grewliche that an jhr begangen habe, Wehe mir, das ich meines Brudern Gemahel mit falschen worten vnd hinderlist derogestalt vmbs leben gebracht, vnd der vnschüldigen Frucht nicht verschonet habe, Wehe mir, der ich meines Brudern vielfeltige bitte nicht erhöret vnd ein Mörder an jhme worden bin, Wehe mir, der ich der Dreyer Blut, die ich vnschüldig richten lassen, auff mich geladen habe. Gehet vnd grünselt, winselt, krümmet sich, vnd zerreisst die Kleider. Die Geister erscheinen wieder wie vorhin, vnd ruffen.

GEISTER. Ceter, Ceter Mordio, vor dem gestrengen Gerichte Gottes, da soltu kommen, vnd rechenschafft geben, von diesem vnschüldigen blut. Verschwinden wiederumb.

NERO brüllet. O wehe mir, Ich bin verdampt vnd verloren, Vnd bin des Teuffels da ich gehe vnd stehe. Meiner Sünde ist mehr dann der Stern am Himmel, vnd des Sandes am Meer. O wehe mir verdampten vnd verlornen Menschen. Schweiget stille, Gehet, krümmet sich, brullet wie ein Ochs, vnd rufft sich in Haren. Die Geister erscheinen wieder, vnd ruffen.

GEISTER. Vindicta, Vindicta, Vindicta.

NERO brüllet vnd schreyet. O Wehe mir, Wehe mir, Wehe mir, O Wehe vber alle Wehe. Schweiget ein wenig stille. Nun wolan, Weil es dann nicht anderst sein kann, so wil ich mir auch nun selber der quale abhelffen. Zeucht den Tolch aus, vnd wil sich selber erstechen, Er kan es aber nicht vollenbringen dann der Tolch bricht entzwey. Spricht[398] weiter. Wil das nicht helffen, so mus ichs anderst machen. Nimpt einen Hosenband, vnd wil sich selber hengen, et wil aber auch nicht sein, dann er bricht auch. Spricht weiter. Wil dann das alles nicht helffen, so mus das helffen. Vnd zeucht aus den Kleidern heraus ein Glaß mit Gifft, wie ers aber vor den Mundt nemen wil, entfellet es jhme auff die Erden, Darnach spricht er. O Wehe mir, Kan ich dann nun keine Mittel haben, dadurch ich mir das leben nhemen, vnd die grosse qual in meinem Hertzen verkürtzen könne. Brüllet wie ein Ochß, vnd krümmet sich. Die Geister erscheinen wieder, vnd schreyen.

DIE GEISTER. Rache, Rache, Rache Vber vnschüldiges Blut.

NERO. O Erde thue dich auff, vnd verschlinge mich, O jhr Berge, fallet vber mich, O jhr Winde, führet mich hinweg, O jhr Wasser, kommet vnd erseuffet mich, O jhr Beume, fallet auff mich, vnd schmeisset mich zu bodem. O Feuwr, so Sodoma vnd Gomorrha verzehret hat, falle auff mich. Gehet krümmet vnd windet sich, vnd stellet sich grewlich an, brüllet wie ein Ochs, fellet zu der Erden, kratzet mit Henden vnd Füssen von sich, Stehet wider auff, vnd leufft herumb, als wenn er gar von Sinnen were. Die Geister erscheinen jhme wieder, vnd sagen.

GEISTER. Ceter, Ceter, Ceter Mordio, Kom vnd gib Rechenschafft von vnserm Blute, Kom in das Thal Josaphat, Dahin wir dich hiemit wollen Citiret haben.

NERO brüllet, vnd stellet sich grewlich an, vnd spricht. Weil es dann nicht anders sein kan, Ich auch kein ander Mittel habe, Mich mein leben zuuerkürtzen, Vnd kein Element mir zu hülffe kommen wil, Ich auch sonsten keinen andern Raht weis So mus ich andere hülffe suchen. Brüllet wie ein Ochse, vnd schreyet gar laut. O jhr Teuffel, kompt vnd holet mich, Dann ich bin doch ewer. O jhr Teuffel, kompt vnd helffet mir der quale abe, Dann ich wil mit ins Thal Josaphat, dahin ich Citiret bin. O kompt baldt, vnd macht nicht lange zu. Die Teuffel kommen mit grossem grewlichen geschrey, vnd führen jhn hinweg.


Quelle:
Herzog Heinrich Julius von Braunschweig: Die Schauspiele. Stuttgart 1855, S. 397-399.
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