Neunter Auftritt.

[211] Vorige. Marie als Einsiedler.


GEIST. Willkommen, meine Söhne! in der Wohnung der Dürftigkeit.

GÜNTHER. Habt Dank, ehrwürdiger Vater!

GEIST. Wollt ihr ein Lager von Baumblättern – klares Quellwasser und einige Erdfrüchte geniessen, so seyd mir willkommen.

KÄSPERLE für sich. Das ist 'n saubere Kucheleinrichtung, dabey kann man fett werden.

GÜNTHER. Leckerbissen, ehrwürdiger Vater! sind meinem Gaumen fremd, und eure Früchte, gewürzt von freundlichen Händen werden mir besser behagen, als manchem Reichen seine hundert Gedecke.

KÄSPERLE für sich. Das glaub ich – ihn futtert die Lieb –

GEIST. Wie nennt ihr euch, guter Freund!

GÜNTHER. Günther von Schwarzenau!

KÄSPERLE sehr geläufig. Ich heiß Käsperle – bin des Ritters Waffenknecht – bin ohne Ruhm zu melden weit und breit wegen meiner Unschuld und Tapferkeit berühmt.

GÜNTHER winkt ihm. Wirst du schweigen, oder Zum Geist. Frommer Greiß! man hat mich zu euch hieher gewiesen.

GEIST. Günther! habt ihr Muth, euer künftiges Schicksal zu erfahren?

GÜNTHER. Ich bin Mann, und ihr fragt noch? Entdecket mir, ehrwürdiger Vater! mein Schicksal mit Mathilden.

GEIST. So eben giebt der versöhnte Vater seiner Tochter das Jawort zu deiner Verlobung – Er winkt. – Eine sanfte Harmonie ertönt. – Man sieht durch einen Schleyer in einen beleuchteten Saal; mitten steht eine Pyramide, mit Rosen umwunden, die transparenten Worte erscheinen: Günther und Mathilde. Sie und ein Jüngling, wie Günther knieen vor des Vaters Füssen.

GÜNTHER. Gott! was seh ich – Mathilde! und mein Ebenbild! – Die Kortine rauscht wieder herab.

KÄSPERLE entsetzt sich. Nein – Sapperment! wo die Bäume in die Luft spatzieren, bleib ich nicht länger. Will fort.

GÜNTHER. Käsperle, du bleibst hier –

KÄSPERLE weinerlich. Aber was habt's denn davon, wenn ich z' Grund geh – ihr seht's ja ohnehin, daß mir s' Zittern in alle meine zwey Füsse kommt. –[212]

GEIST. Nun sahest du die Zukunft – Jüngling! jetzt blick auch in die Vergangenheit – Er winkt – Die Kortine rauscht hinauf – Blitz und Donner – – Man sieht durch eben jenen Schleyer die offene See – fürchterlich toben die Wellen, der Sturm heult. – Ein Schiff, worauf sich ein Ritter, wie Günther befindet, scheutert, er wird in die See geschleudert, er kämpft mit der Fluth. – Ein alter Mann mit eisgrauem Bart erscheint in der Fluth, rettet ihn und trägt ihn an das Ufer. – Der Jüngling stürzt auf die Knie, erhebt die Hände gen Himmel, die Kortine rauscht herab. Käsperle stürzt vor Angst zur Erde und schreyt.

GÜNTHER. Ehrwürdiger Alter! Was soll das wogende Meer?

GEIST. Das Sinnbild deines Lebens! Oft schon scheitertest du, nur mit Gefahr warst du errettet. – Frage mich nicht mehr – Jüngling! eine wichtige Pflicht, die ich schon dreyssig Jahre zu erfüllen heilig gelobte, treibt mich von hinnen. –

GÜNTHER. Und diese ist? –

GEIST öfnet eine Bodenthüre. Hier unten haußt ein Unglücklicher, – schon dreyssig Jahre büßt er für seine Schuld, an der Menschheit verübt – er wünscht sich den Tod, und dieser flieht ihn so lange, bis ein muthvoller Jüngling kommt, ihn freywillig zu erretten aus dem Hungerthurme. –

GÜNTHER. Was hör' ich –

GEIST. Harre hier meiner, Jüngling! Bald bin ich wieder bey dir! Er steigt hinab.


Quelle:
Die romantisch-komischen Volksmärchen. Leipzig 1936, S. 211-213.
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