V. Der Doctor Faust in Berlin.


Zwischen Weihnachten 1844 und dem ersten Tage des Jahres 1845 war Doctor Faust mit seinen Freunden, den Arbeitern, in Berlin angekommen und hatte sie, um nicht unnöthig die Wachsamkeit der Behörden zu erregen, an verschiedenen Orten, theils in Gast-, theils in Privathäusern, einlogirt. Zum gemeinschaftlichen Sammelplatz war ein wenig besuchtes Kaffeehaus mittlern Ranges, neue Schönhauserstraße Nro. 18 bestimmt.

Täglich sah hier Doctor Faust seine Pflegebefohlenen und erwartete nicht ohne Aengstlichkeit die sich von Tage zu Tage verzögernde Ankunft des Generals von Aurinia, der ihm mit seinen Arbeitern eine Audienz bei Sr. Majestät dem Könige verschaffen sollte, denn obwohl Don Juan Sr. Majestät persönlich nicht bekannt war, so hatte er doch so viel Verbindungen unter dem hohen Adel Preußens, daß es ihm nicht schwer werden konnte eine Audienz bei dem menschenfreundlichen, herablassenden Monarchen zu erhalten.[99]

Auch am Sylvesterabend hatte Doctor Faust vergeblich auf dem anhaltischen Bahnhofe die Ankunft des letzten Dampfzuges erwartet, Don Juan war nicht gekommen und ziemlich ärgerlich ließ sich der Humanist in einer Droschke nach Nro. 18 der neuen Schönhauserstraße fahren. Das Wetter war so schlecht, daß selbst Faust, dieser Humanist, nicht eben zornig wurde, wenn der Droschkenkutscher seine Rosse auf eine wenig humane Weise antrieb.

Frierend und mißgelaunt trat Faust in das kleine Parterre-Zimmer zur rechten Hand, welches die erste Pieçe der Kaffeewirthschaft bildete, er fand dort etwa zehn seiner Deputirten, die auf eine höchst ruhige und anständige Art ihr Glas bairisches, oder Josty'sches Bier genossen und ganz in der Weise langgeknechteter Menschen sich etwas verlegen fühlten, sich etwas unbeholfen benahmen nun, da sie als freie Männer auftreten sollten.

Faust begrüßte sie freundlich, er schüttelte Allen die Hände und sichtlich stärkte Faust's Anwesenheit die Zuversicht dieser armen Menschen, die, selbst Sclaven, es dennoch wagten einen Schritt zur Erlösung ihrer ganzen verachteten Kaste zu thun.[100]

Da keine Aufwartung zu sehen war, so trat Doctor Faust in ein zweites Zimmer, das noch kleiner als das erste war, aber sehr behaglich eingerichtet zu sein schien.

Die Wirthin, Madame Grunewald, eine noch wohl conditionirte Frau von ungewissem Alter und einigen Spuren früherer Schönheit, stand auf und fragte nach dem Begehr des Herrn Doctor's, der in großer Achtung bei ihr stand, weil er stets baar bezahlte, was sonst in ihrem Kaffeehause nicht Sitte war. Sie eilte sogleich hinaus, um dem Herrn Doctor das verlangte Glas Grog selbst zu bereiten und Faust ergriff ein Blatt der Haude und Spener'schen Zeitung; während er nun einen der Pfennigartikel dieses berühmten, politischen Organs zu studiren schien, beobachtete er aufmerksam eine kleine Punschgesellschaft, die sich um eine mächtige Terrine gelagert hatte und in ihrer Fröhlichkeit nicht die geringste Notiz von unserm Faust zu nehmen schien.

Oben am Tische saß ein großer, vierschrötiger Mensch mit einem dicken, rothen Bullenbeißergesicht, der von den Uebrigen Thibaut genannt wurde, übrigens, wie aus dem Gespräch hervorging, ein Handlungsdiener[101] ohne Stelle war und für den begünstigten Liebhaber der Madame Grunewald galt. Neben ihm suchte sich ein kleiner, krausköpfiger Jude, Namens Pinner, so bemerklich als möglich zu machen, was ihm indeß nicht gelang, da ein neben ihm sitzendes, ächtes Berliner Subject ihn beständig mit dem berühmten Berliner Wortwitz ad absurdum führte und ihn so zum Gelächter der Gesellschaft machte. Dieses erwähnte Berliner Subject, welches sich Ratz nannte, trug neben den Spuren eines wilden, liederlichen Lebens im blassen Gesichte einen dürftigen, blonden Schnurrbart und, trotz des Winters, einen, stark an die Vergänglichkeit irdischer Dinge erinnernden, Reitfrack, dessen Schöße doch nicht breit genug waren, um einige defecte Stellen der erbsgelben Beinkleider verdecken zu können. Herr Ratz war, wie er selbst sagte, ein richtiges Berliner Kind, war bei zehnerlei kleinen Büreau's angestellt gewesen, hatte ein Paar Mal die Hausvoigtei besucht, war indeß doch noch nicht »über'n Berg,« das heißt noch nicht nach Spandau gekommen und betitelte sich jetzt Privatsecretair, da er aber als solcher keinen Gehalt zu beziehen schien, so lebte er von Schuldenmachen und andern noch ehrlichern Beschäftigungen.[102]

Am untern Ende des Tisches saß indeß ohne Zweifel der anständigere Theil der Gesellschaft; ein junger Architekt und Bildhauer, dessen Name schon rühmlichst bekannt ist, schaukelte sich auf seinem Stuhl neben einem langlockigen Maler, dessen Namen hoffentlich noch bekannt werden wird und auf dem Sopha lag ein junger Mensch im Sammtrock mit verwildertem Bart, der sehr gemüthlich eine Cigarre rauchte und einem alten, langen Herrn in grauem Rock zuredete, eine Bowle Punsch weiter zum Besten zu geben. Die Rede des jungen Mannes war so eindringlich, daß der Graue nachgab und den Dränger bevollmächtigte, eine neue Bowle zu bestellen. Der junge Mann, der eine so ausgezeichnete Rednergabe gezeigt hatte, wurde gewöhnlich Flottwell genannt, vermuthlich, weil er eben so viel mit seinen Finanzen zu thun hatte, als der Minister Flottwell mit den Finanzen des preußischen Staates.

Fast zu gleicher Zeit trat Madame Grunewald durch die eine und der Fabrikarbeiter Hornberg durch die andere Thür ins Zimmer, die Eine, um dem Doctor seinen Grog zu präsentiren, der Andere, um Faust zu begrüßen, denn er war noch nicht zugegen gewesen, als dieser kam.[103]

Der Doctor schüttelte dem Arbeiter die Hand und nannte ihn bei'm Namen.

Kaum war das geschehen, so stand der schon erwähnte graue Mann vom Sopha auf, näherte sich den Beiden und sagte mit Katzenfreundlichkeit:

»Guten Abend, lieber Hornberg, wie geht's Ihnen? Herr Doctor Faust, nicht wahr? Freut mich, daß ich in diesem Jahre noch die Ehre habe!«

Der arme Fabrikarbeiter ward bleich und begann zu zittern – so stark ist die Gewöhnung der Sclaven, sie zittern unwillkührlich, wenn sie in die Nähe ihrer Peiniger kommen.

»Untergebener Knecht, Herr Buchhalter!« stammelte Hornberg und sah mit einem flehenden Blick nach Faust.

Doctor Faust, obgleich er den Buchhalter des Herrn Strobel nicht von Ansehn kannte, kannte ihn doch hinlänglich aus seinen Thaten, er war empört über die widerliche Freundlichkeit dieses Menschen, er schämte sich einen Moment ein Mensch zu sein, da er in Hornbergs Zittern sah, wie tiefer Entwürdigung die Menschennatur fähig ist[104]

»Sie sind der Buchhalter Koch und waren in Diensten des Herrn Strobel?« fragte er den Sclavenvogt vornehm.

»Zu dienen, mein sehr verehrter Herr Doctor!« antwortete der Buchhalter demüthig.

»Sie sind nach Berlin gekommen, um zu sehen, was ich hier unternehmen werde, Sie machen hier den Spion, den Spion nicht in Ihrem Interesse allein, wenn auch hauptsächlich, da furchtbare Anklagen auf Ihnen ruhen, sondern Sie sind der Emissär einer ganzen Partei, Sie sind der Spion der vor Angst zitternden Fabriktyrannen; Sie sind auf einem gefährlichen Wege, nehmen Sie sich in Acht, Herr Koch, denken Sie an das Schicksal des Commerzienraths von Goldstein!«

Der Buchhalter erzwang ein kurzes, heiseres Lachen, aber seine blauen Lippen und seine aschgrauen Züge straften das Lachen lügen. »Wer recht thut, braucht Niemand zu scheuen,« murmelte er.

»Ganz wohl, Herr Koch,« versetzte Faust, »wer aber Menschenhandel treibt, Mädchen verführt, arme Leute betrügt und verhungern läßt, der hat doch so Manchen zu scheuen!«[105]

Das Gespräch war nicht leise genug geführt worden, die Gäste wurden aufmerksam, der Buchhalter benutzte das und antwortete trotzig-verzagt: »Es ziemt einem studirten Herrn wenig einen armen Mann zu beleidigen!«

»Ich beleidige Sie nicht,« rief Faust verächtlich, »ich sage ganz kurz, daß ich Sie für den ehrlosesten, nichtswürdigsten Verbrecher halte, den ich kenne, haben Sie etwas dagegen, so klagen Sie und ich will das beweisen, was ich gesagt habe!«

Der Buchhalter trat einen Schritt zurück und schoß einen wüthenden Blick auf den Doctor, der die Gesellschaft höflich grüßend hinausging und draußen, im andern Zimmer, seinen Grog austrank.

»Mann, wie können Sie sich das gefallen lassen?« schrie Ratz, das richtige Berliner Kind, den Buchhalter an.

»Sieht der Kerl nicht aus, wie die leibhafte Sünde?« fragte der Maler den Bildhauer.

In diesem Augenblick kam die vom Buchhalter gespendete Bowle, aber Niemand wollte mit ihm trinken, selbst Flottwell, der ihn erst dazu gedrängt hatte, nahm das ihm gebot'ne Glas nicht an, ob ihm das gleich sichtlich große Ueberwindung kostete.[106]

Der Buchhalter war in Verzweiflung, er bekam hier einen kleinen Vorschmack von dem, was ihm bevorstand, wenn Faust ihn öffentlich an den Pranger der Presse stellte. Gar zu gern wäre er hinausgegangen, aber er vernahm draußen, im andern Zimmer, die Stimme Faust's, des Mannes, der sich ihm so furchtbar gezeigt, wie kein Anderer bisher.

Faust unterhielt sich mit den Fabrikarbeitern über das, was Jeder von ihnen merkwürdiges gesehen den Tag über in der großen Königsstadt, unbemerkt berichtigte er ihre Ansichten, läuterte ihre Urtheile und suchte sie langsam mehr und mehr auf die Stufe zu erheben, von der sie durch Eigensucht, Habsucht und Gleichgültigkeit herabgedrängt waren.

Faust freute sich an den armen Menschen, er begrüßte innerlich jubelnd jeden Funken Menschengeistes, den er herauszuschlagen vermochte aus diesen, in der Sclaverei versteinten, Menschengestalten, er hoffte mehr und mehr, denn was man mit jedem Einzelnen kann, kann man auch mit der Masse und Faust schwärmte für sein Project, für die Erhebung, Ersittlichung und Erstarkung der besitzlosen Klassen, aber er schwärmte nicht nur, sondern er handelte auch.[107]

»Unsinniger!« rufen gewiß Viele ihm zu; »Großsinniger!« hoffentlich noch Mehre.

Faust war heiter geworden in der Gesellschaft der Fabrikarbeiter, er beschloß die Sylvesternacht in ihrem Kreise zu verleben, ließ eine Bowle Punsch brauen und suchte die armen Leute, die ihn beinahe wie einen Gott verehrten, auf alle Weise zu erheitern. Die ersten Gläser waren geleert, eine heitere Stimmung bemeisterte sich der Arbeiter; »wiederholt den Refrain, Freunde!« rief Faust und begann mit schöner, männlicher Stimme zu singen:


Wißt ihr, wer zu dieser Frist

Der Erste aller Spinner ist?

Das ist von Anbeginn der Zeit,

Das war noch gestern, ist noch heut',

Der alte Herrgott selber!


Der spinnt das Tuch der Ewigkeit

Setzt an das Gestern still das Heut',

Sechs Tag' er also spinnen thut

Und wenn er dann am Sonntag ruht,

Gefällt ihm sein Gewebe.


Was unser Gott im Großen spinnt

Ein Jeder klein dahier beginnt,

Die Räthe und der Feldmarschall,

Die Kön'ge selber spinnen all'

Am Leichentuch der Zeiten.


Wohl dem, der fein gesponnen hat!

Wohl dem, der treu das Seine that,

Er wird, wenn's heißt: »es ist genug!«

Im selbstgesponn'nen Leichentuch

Zur ew'gen Ruh' getragen.
[108]

Drum freu' sich, wer ein Spinner ist,

Ein wackrer Spinner, daß ihr's wißt,

Hat unsern Herrgott zum Patron,

Der zahlt den höchsten Arbeitslohn,

Wenn's Leben abgesponnen!


Das einfache, von Faust nach einer bekannten Melodie improvisirte, Lied machte einen merkwürdig tiefen Eindruck auf die armen Fabrikarbeiter – Faust erreichte auch damit seinen Zweck, er wollte ja vor allen Dingen den armen Menschen Selbstgefühl einflößen und dazu trug auch dieses Lied bei.

Das Gespräch wurde nun in heiterer Weise immer mehr belebt, bis plötzlich im Nebenzimmer ein furchtbarer Tumult entstand. »Hinaus! hinaus mit dem Schuft! setzt ihn an die Luft!« riefen mehrere Stimmen.

Die Thüre wurde geöffnet; Herr Ratz, das richtige Berliner Kind, hatte mit dem Handlungsdiener außer Diensten, Herrn Thibaut, Ecarté gespielt und war bei'm Betrügen, vulgo Mogeln, ertappt worden.

Der Jude Pinner und Thibaut hatten das richtige Berliner Kind bei'm Kragen, um es hinauszuwerfen, Flottwell hielt dienstfertig die Thür offen.

»Nein, es ist schändlich, soll mer Gott helfen!« schrie der Jude.[109]

»Hat mir Alles Geld abgenommen!« schrie Thibaut empört.

»Ei, ja,« entgegnete Herr Ratz, sich heftig sträubend, »nasser Junge Du, hattest nur einen schäbigen Silbergroschen, der sich allein in Deiner Tasche fürchtete.«

»Hinaus! hinaus!«

»An die Luft! an die Luft!«

»Verdammter Jude!« brüllte Ratz, »laß mich los, Du zerreißt mir meinen Frack und mußt mir neue Kluften machen lassen!«

Augenblicklich ließ der Jude, der eine merkwürdige Angst vor allen Arten von Bezahlungen hatte, das richtige Berliner Kind los, brüllte aber desto lauter: »Hinaus! hinaus! an die Luft!«

»Meine Herren,« ließ sich jetzt die helle Stimme der Madame Grunewald vernehmen, »ich bitte Sie, halten Sie Ruhe, Sie wissen ja, Herr Thibaut, daß Herr Ratz immer mogelt, warum spielen Sie denn mit ihm? Da steht Punsch, versöhnen Sie sich, rasch! lassen Sie mich's nicht zweimal sagen!«

Die Worte der Madame Grunewald waren von ungemeinem Gewicht, Alle gehorchten, denn sie standen Alle hoch in der Kreide und Schönhauser Straße[110] Nro. 18. war das einzige Haus in ganz Berlin, wo sie noch Credit hatten, wo sie im Winter eine warme Stube, Essen, Trinken, Gesellschaft, Alles auf Credit, fanden. Grund genug für sie, den Worten der Madame Grunewald augenblicklich Gehör zu geben.

Flottwell und die beiden Künstler, die nicht so unter dem Pantoffel der Madame standen, weil sie zuweilen zahlten, wollten sich halbtod lachen, während Herr Ratz mit unnachahmlicher Geschicklichkeit sein Kleidung wieder ordnete, die nicht dazu gemacht war so gewaltthätige Derangements zu ertragen.

Jetzt klingelte die vorderste Thür und zwei neue Gäste erschienen, beide waren der Gesellschaft bereits bekannt. »Guten Abend Schmidtchen, guten Abend Rauschenblatt!« rief man ihnen zu und nöthigte sie Platz zu nehmen. Einer der beiden Herren war ein Cigarrenhändler, der Andere ein Berliner Literat. Beide begannen jetzt ein lautes Leben in die bisher noch ziemlich stille Gesellschaft zu bringen, der Jude wurde scherzweise gequält eine Bowle Punsch bringen zu lassen, der Buchhalter sah sich durch den Literaten mit unendlich höflichen Fragen nach dem Zustande seiner Gesundheit gepeinigt; man sang, man trank, kurz man[111] trieb alle jene Thorheiten, die unausbleiblich sind, wenn junge Leute beim Glase zusammensitzen.

Die Glocken begrüßten von den Thürmen der Hauptstadt das neue Jahr, Faust entfernte sich mit seinen Arbeitern, ihm gelüstete nicht das Ende des Bachanals zu sehen, das in der Nebenstube begonnen.

Immer lauter erklangen die Gläser dort, immer schallender wurden Gelächter und Stimmen, immer unbewachter sprangen die Worte, von den Geistern des heißen Trankes entfesselt, über den Zaun der Zähne, immer heller rötheten sich die Wangen, immer kühner blitzten die Augen.

Der Maler sang, sich mit einer verstimmten Cither begleitend, ein Lied zu Ehren seiner Geliebten, der Cigarrenhändler theilte mit freigebiger Hand Cigarren aus, der Handlungsdiener außer Diensten machte ungescheut der Madame Grunewald die Cour, der Jude trank alle Gläser aus, die er erreichen konnte, Flottwell beschrieb dem Buchhalter Koch seine Geliebte vom Scheitel bis zur Zeh, nannte sogar Namen und Wohnung, die er bis jetzt sorgfältig verheimlicht hatte, der Bildhauer weinte vor Rührung stille Thränen und der Literat schaute mit elegischem Gesicht in sein halbleeres Glas. Herr Ratz, das richtige Berliner Kind,[112] trank tüchtig, aber sichtlich hatte selbst das größte Maaß spirituöser Getränke keinen Einfluß mehr auf ihn, denn die scharfen Blicke seiner grauen Augen blitzten von Einem zum Andern und seine Ohren schienen sich zu entfalten, um nicht ein Wort zu verlieren. Das Gelag nahm seinen Fortgang, mit der steigenden Trunkenheit stieg auch die Trinklust der Trinker und bald war die ganze Gesellschaft, außer dem Buchhalter Koch und Herrn Ratz, in einem sehr seligen Zustande, sogar Madame Grunewald, die sonst sehr auf die Dehors achtete, erwiederte ungescheut Herrn Thibaut's Liebkosungen.

Jetzt steckte Herr Ratz, in der Zerstreuung vermuthlich, das seidene Taschentuch des Schriftstellers ein, einige Secunden später verschwand auch die noch halbgefüllte Cigarrentasche des Cigarrenhändlers, so wie ein großes Stück Zucker, das auf dem Tische lag. –

Mehrere Glieder der Gesellschaft waren entschlafen, taumelnd brach der Maler auf, um nach Hause zu gehen, Herr Ratz that ein Gleiches, aber zufällig ergriff er statt seiner schlechten Mütze den neuen Seidenhut des Cigarrenhändlers, in dem ein Paar Handschuh[113] und die Cravatte lagen, die der Besitzer aus Bequemlichkeit abgeknüpft hatte.

Herr Ratz ging hinaus, blieb aber, trotz des schlechten Wetters, in einiger Entfernung von der Hausthür stehen, er schien Jemanden zu erwarten. Nach einer Weile erschien der Buchhalter Koch und eilte mit großen Schritten der Rosenthaler Straße zu.

Herr Ratz hinter ihm her.

»Sie entschuldigen, Herr Buchhalter!« keuchte der würdige, junge Mann, als er den würdigen, alten Mann erreicht hatte.

»Herr Ratz, Sie?« fragte der Buchhalter.

»Sie sind fremd hier,« begann der Berliner, »vielleicht kann ich Ihnen nützlich sein.«

»Danke Ihnen, aber –«

»Still, Herr Koch, aus Ihrem Gespräch mit dem Doctor Faust nahm ich ab, daß Sie in Geschäften hier sind und zwar in Geschäften, bei denen ich Ihnen vielleicht helfen kann.«

»Wie verstehen Sie das?«

»Sie wollen, oder müssen Doctor Faust beobachten, seine Gänge kennen lernen, Sie wollen ihm entgegenarbeiten, in was, weiß ich noch nicht, ist mir auch gleichgültig, Ihr Versuch sich ihm zu nähern,[114] was immer das Beste ist, scheiterte, ich stehe zu Ihren Diensten.«

»Und wir in diesem Augenblick vor meiner Wohnung,« erwiederte der Buchhalter, »wollen Sie vielleicht einen Augenblick eintreten?«

Herr Ratz nickte und bald saßen die beiden Ehrenmänner in der chambre garni, die der Buchhalter für die Dauer seines Aufenthalts in Berlin gemiethet hatte.

Mit geübter Hand mischte der Buchhalter zwei Gläser kalten Thee mit Rum, lud den Berliner ein, zuzulangen und begann also:

»Sie haben richtig erkannt, mir liegt viel daran den Doctor Faust zu beobachten, ich weiß, was er will, aber er darf es nicht erreichen, wenigstens will ich alle meine Kräfte aufbieten, um seinen Plan zu vereiteln.«

»Sie wissen, was Ihr Gegner will,« versetzte Ratz scharfsinnig, »Sie wollen jetzt erfahren, wie er es will, denn sonst, wenn Sie das nicht wissen, können Sie ihn nicht bekämpfen; Sie selbst können ihn nicht beobachten, aber ich kann es; wie viel trägt das Geschäft?«

»Hm!« sprach der Buchhalter, »sagen Sie mir –«[115]

»Ich will Ihnen sagen, Herr Koch, jeden Abend bei der Grunewald rapportire ich Ihnen über sämmtliche Gänge des Doctor Faust und Sie geben mir jeden Abend einen harten Thaler, abgemacht!«

»Ich könnte das wohl eingehen,« versetzte der Buchhalter, »aber können Sie auch halten, was Sie versprechen?«

»Ein Mann, ein Wort!« rief Herr Ratz, »wir kommen sogleich darauf, Sie müssen mir erstlich sagen, wo Doctor Faust wohnt; ich habe meine triftigen Gründe, nicht selbst in das Erkundigungsbureau zu gehn.«

»British Hôtel unter den Linden;« antwortete der Buchhalter, der bei jedem Wort, was er sagte, sich besann.

»Was will Doctor Faust hier?« fragte Ratz weiter.

»Eine Audienz bei'm Könige!« erwiederte der Buchhalter nach langem Zögern.

»Und die wollen Sie hintertreiben, Mann?« schrie der Berliner, »das ist unmöglich, er braucht ja blos auf's Schloß zu gehen und sich melden zu lassen, der König nimmt zu bestimmten Stunden Jeden an.«

»Ja, wenn er allein wäre!«[116]

»Was denn?« fragte Ratz; »wenn sie mir nicht reinen Wein einschenken, so kann ich nichts thun.«

Der Buchhalter besann sich jetzt eine sehr lange Zeit, dann sagte er doch: »Sie haben die Leute gesehen gestern Abend im ersten Zimmer des Kaffeehauses, es sind das westphälische Fabrikarbeiter, denen will der Doctor eine Audienz bei'm Könige verschaffen, dem Könige selber sollen diese Menschen ihre Leiden und ihre Noth klagen.«

»Arbeiter?« murmelte Ratz nachdenklich; »Fabrikarbeiter? Wie viel?«

»Etwa zwanzig.«

»Haben sie Pässe?«

»Ja, ich habe vergeblich versucht, sie von der Reise abhalten zu lassen, sie zeigten das nöthige Reisegeld auf und erhielten Pässe.«

»Mann, Ihnen ist geholfen,« rief Ratz freudig, »aber es darf Ihnen auf ein paar Thaler nicht ankommen; zuerst müssen Sie mir Geld geben, daß ich in neue Kluften kommen kann, der Rock macht den Mann in Berlin, zweitens müssen Sie mir Geld geben, daß ich etwas in der Tasche habe, drittens wie viel geben Sie mir, wenn ich es hindere, wenn die Arbeiter ohne Audienz beim Könige abreisen müssen?«[117]

»Es gilt hundert Louisd'or für Sie!« antwortete der Buchhalter aufgeregt.

»Es gilt!« sprach Ratz, »jetzt geben Sie mir ein dreißig bis vierzig Thaler zu den ersten Ausgaben!« und das richtige Berliner Kind ärgerte sich daß es nicht mehr verlangt hatte, als es sah, wie der Buchhalter bereitwillig seine Brieftasche zog und ihm acht Fünfthalerscheine auf den Tisch legte.

»Heute Abend bei der Grunewald!« rief der Berliner Jüngling. »Prosit Neujahr, Herr Koch!«

Die Thüre knarrte, der Buchhalter war allein; es schlug fünf Uhr.

Vier Stunden später, also etwa acht Uhr Morgens, trat der Arbeiter Hornberg in das Zimmer, das Doctor Faust in British Hôtel bewohnte, er meldete, daß er sich heute mit seinen Kameraden in die Domkirche begeben werde, um den Neujahrstag zu feiern, der Herr Doctor möge bestimmen, wann sie heute auf dem Sammelplatz erscheinen sollten.

Faust aber, der noch im Negligée auf dem Sopha lag, antwortete nicht, sondern sprang auf und stürzte zur Thür hinaus, denn in dem Augenblick, als Hornberg sprach, hatte er Don Juan's Stimme vernommen.[118]

»Ich konnte nicht eher kommen, lieber Bruder, ich komme doch noch zu rechter Zeit?« rief Don Juan in Faust's Umarmung.

Incarnacion sprang, leicht wie ein Vogel, die Treppen hinauf und der »doppelte Kopf« zitterte vor Frost in einer ungeheuren Wildschur.

Man trat in die Zimmer, die Faust für Don Juan bestellt hatte, man nahm ein Frühstück zusammen ein und die beiden Männer flüsterten lange miteinander. Mit Hülfe des »doppelten Kopfes« machte Don Juan glänzende Toilette. Ein reiches Hofkleid und weißseidne Unterkleider, die Kette vom goldnen Vließ und der bei Talavera erkämpfte Ehrendegen schmückten den stattlichen Mann und freundlich fragte er Incarnacion, ob sie mit seinem Freunde Faust allein bleiben wolle. Incarnacion bejahte und blieb mit Faust allein, während Don Juan in einen Staatswagen stieg und davonfuhr.

Vor einem stattlichen Hôtel der Wilhelmsstraße, dem Faubourg St. Germain Berlins, hielt die Karosse und ein reichbetreßter Jäger des Hôtels trug Don Juan's Karte hinein.

Nach einigen Augenblicken schon kehrte der Jäger mit einem eleganten, jungen Manne zurück, der[119] an den Wagenschlag trat und Don Juan aussteigen half.

»Excellenz,« sprach der junge Mann, »wenn Sie meinen Oheim entschuldigen wollen, daß er Sie im Schlafrock empfängt, so läßt er Sie bitten gleich einzutreten.«

»Was sind Sie groß geworden, Durchlaucht!« erwiederte Don Juan; die Treppe hinaufsteigend, »Sie erinnern sich meiner wohl nicht mehr?«

»Ihrer Person nicht, Excellenz, wohl aber Ihres Namens, meine Mutter und meine Tante sprechen häufig von Ihnen.«

»Wie befinden sich Ihrer Frau Mutter Durchlaucht?«

»Schlecht, Excellenz, sie wird alt, das ärgert sie und verstimmt sie.«

Ein weißhaariger Diener öffnete eine Thür und Don Juan trat in einen Saal, der mit etwas aus der Mode gekommener, aber äußerst solider, Pracht geschmückt war. Wenige Bilder hingen an den Wänden, aber nur solche Bilder, die nicht Jeder haben kann.

Don Juan schritt mit seinem Begleiter durch den Saal auf eine Glasthür zu, die eben von innen nach außen geöffnet wurde.[120]

Ein alter Mann mit schneeweißem, dünnem Haar, aber wohlerhaltenen, regelmäßigen Zügen und freundlichen, farblosen Augen stand in einem reichen Schlafrock in der Glasthür. Er streckte Don Juan beide Hände entgegen und rief mit sichtlicher Freude: »Willkommen in Berlin, Freund, willkommen, glaubte Euch nicht wieder zu sehen auf dieser Welt, hat mir der Alexander von Humboldt erzählt, daß er Euch in Amerika getroffen.«

»So wohl Euch zu finden Durchlaucht, ist mir eine hohe Freude!« erwiederte Don Juan und ließ sich von seinem fürstlichen Freunde in ein reizendes, kleines Zimmer ziehen, der Neffe des alten Fürsten folgte.

Das kleine Zimmer hatte nur ein Fenster, aber das war dicht mit Epheu umrankt und in seiner Vertiefung blühten die herrlichsten Blumen und hauchten die süßesten Wohlgerüche aus; Schlinggewächse aller Art krochen an einem sauber gearbeiteten Geländer in die Höhe und bildeten eine vollständige Laube, deren Grün ganz dicht erschien, da sich alle Blätter in der, hinter ihnen befindlichen Spiegelwand noch einmal zeigten. Unter dieser duftigen Laube stand ein eleganter Tisch, von einer schwellenden Ottomanne im Halbkreise umgeben.[121]

»Nehmt Platz, Don Juan!« rief der alte Fürst sichtlich heiter, »nimm Platz, Neffe! Erzählt Don Juan, was Euch nach Berlin führt?«

»Ich habe Geschäfte hier, Durchlaucht, aber vor allen Dingen wollte ich Euch sehen, mich an Euerem Anblick erfrischen.«

»Armer Freund!« rief der fürstliche Greis, »bei mir werdet Ihr wenig Erquickung finden, da, schaut in das frische Gesicht meines Neffen; Ihr habt meinen Bruder gekannt, gleicht er ihm nicht sehr?«

»Mehr noch seiner schönen Frau Mutter, Durchlaucht!« erwiederte Don Juan.

»Ihr werdet sie sehen, Don Juan, seine schöne Mutter!« lachte der Greis, »da ist's aus, ganz aus mit der Schönheit.«

»Aber Mama wird glücklich sein,« warf der junge Fürst ein, »das muß ich ihr erzählen, daß Excellenz sie meine schöne Mutter genannt hat.«

»Ich gehörte zu ihren treuesten Verehrern, mein Fürst!« sprach Don Juan lächelnd.

»Ja, ja,« rief der Fürst, »Ihr habt meinen armen Bruder, als Bräutigam, oft bange gemacht – waren doch schöne Zeiten damals, Don Juan!«[122]

»Jawohl, Durchlaucht!« versetzte der Spanier ernst, »damals kämpften wir noch für unsere alten Rechte und hatten folglich das stärkende Gefühl der Siegeshoffnung; jetzt haben wir das Schwert aus der alterschwachen Hand gelegt und harren still des Unterganges.«

Der Fürst nickte und sagte leise: »Ich sehe es an mir selbst, einst war ich Minister eines großen Staates, ja, ich war mehr, ich war der Freund meines in Gott ruhenden Königs und Herrn, man hat mir die Titel gelassen und eine große Hofcharge gegeben, ich bin aber nichts mehr; so wie ich, steht unser ganzer Stand, man hat ihm die leeren Titel einer ehemaligen Macht gelassen, man steckt ihn noch gern in Hofkleider, das ist aber auch Alles, Macht und Ansehen, Alles ist dahin!«

»Ja, und die Könige,« fuhr Don Juan fort, »sie werden es bereuen, spät, aber gewiß, daß sie sich ihren Adel nehmen ließen, an dessen Spitze sie, wie einst in der Väter schönern Tagen, den Kampf hätten aufnehmen sollen. Wenn nicht der Sieg, ein glorwürdiger Tod hätte unsern Kampf doch gekrönt, so hat man das Adelsinstitut geopfert und sich in die[123] Gewalt der Geldtyrannen begeben – man wird uns vermissen Durchlaucht, gewiß!«

»Wir verlieren täglich mehr Terrain, Don Juan, Großbritannien steht beinahe allein mit seinem legitimen Königthum, mit seinen aristocratischen Institutionen, es ist groß und mächtig und dennoch sieht man, will man nicht einsehen, daß nur ein Staat, in dem sich, wie dort, das Volk entwickeln kann unter dem Schutz kirchlicher und aristocratischer Formen, daß nur der eine Garantie für die Freiheit bietet.«

»Mein Spanien!« seufzte Don Juan.

»Ja, Ihr Spanien,« rief der Fürst eifrig, »wißt Ihr, was mit ihm wird, wenn es sich ausgetobt hat? Ein quasilegitimes Bürgerkönigthum, das nur schlimme Folgen hat, aber sich nicht fortpflanzen kann, weil es ein machtloses Zwitterding ist.«

»Ist es sicher, daß auch Preußen und Oestreich die Infantin als Königin anerkennen wollen, Durchlaucht?«

»Man sagt es, Don Juan, ich weiß es nicht, man fragt mich nicht mehr; ich bin nichts!«

Der spanische Grande zögerte eine Weile, endlich sprach er: »Durchlaucht, ich habe etwas auf dem Herzen, eine Bitte –«[124]

»Lieber Freund,« sprach der fürstliche Greis freundlich, »ich stehe so stark in Eurem Schuldbuche, daß es mich wirklich freuen sollte, wenn ich Gelegenheit fände einen kleinen Posten abzutragen.«

»Ich will Euer Durchlaucht nicht mit meinen Complimenten beschwerlich fallen, die Sache ist die: ein Freund von mir hat es sich zur Lebensaufgabe gemacht, mit allen Mitteln die Geldtyrannen, die man blasphemirend Geldadelige nennt, als wenn Geld zu adeln vermöchte, zu bekämpfen, namentlich die Noth der armen Fabrikarbeiter zu erleichtern, mit einem Wort, die weißen Sclaven zu emancipiren.«

»Ein lobenswerthes Bestreben, aber fast unmöglich!« sprach der Fürst.

»Das denke ich auch, Durchlaucht, aber ich habe meine Hülfe zugesagt und bitte nun Euer Durchlaucht sich ebenfalls gnädigst zu betheiligen.«

»Wie kann ich das, Don Juan?«

»Verschaffen Ew. Durchlaucht dem Doctor Faust und einer Deputation von Fabrikarbeitern eine geheime Audienz bei Sr. Majestät!«

»Lieber Freund,« sprach die greise Durchlaucht lächelnd, »ich will es versuchen; ein abgedankter Minister, ein ausrangirter Hofmann, wie ich, kann aber[125] nicht für den Erfolg stehen, doch versuchen will ich's, bei meiner Fürstenehre!«

Doch – überlassen wir nunmehr die beiden alten Aristocraten ihren Erinnerungen und ihrer Trauer über das Verschwinden einer Zeit, die sie verstanden, beklagen wir, daß oft selbst ausgezeichnete Menschen sich von der Zeit überflügeln lassen und das Geheimniß, das offenkundige Geheimniß des Fortschritts nicht verstehen – wenden wir uns zurück nach Britisch-Hôtel unter den Linden, wo wir Incarnacion unter Doctor Faust's Schutze verlassen haben.

Als Don Juan fortgefahren war, wollte Doctor Faust zuvörderst dem immer noch wartenden Hornberg Auskunft geben, aber Incarnacion vertrat ihm den Weg, als er das Zimmer verlassen wollte.

»Ihr habet Don Juan versprochen bei mir zu bleiben, Senhor!« sprach das Mädchen mit einer bezeichnenden Geberde.

»Ich habe etwas zu bestellen, liebes Kind!« antwortete Faust lächelnd und bemerkte jetzt zum ersten Male mit Erstaunen die wirklich außerordentliche Schönheit der Kreolin.

»Incarnacion ist kein Kind,« entgegnete das Mädchen mit einem Augenaufschlag, der den Doctor Faust[126] beinahe erschrecken ließ, »und wenn Ihr etwas zu bestellen habt, da ist der ›doppelte Kopf‹!«

Faust klingelte und setzte sich nieder, dem Eintretenden gab er den Auftrag, Hornberg für den Abend nach dem Kaffeehause zu bescheiden, dann begann er ein Gespräch mit Incarnacion.

»Wie gefällt Euch Deutschland, Senhora?«

»Ihr spottet meiner und ich hasse Euch!« antwortete Incarnacion und zog ihre Oberlippe aufwärts, so daß ihre blendend weißen Zähne sichtbar wurden.

»Was that ich Euch, schöne Donna, daß Ihr mich haßt?« fragte Faust und schien unsicher, ob Incarnacion im Ernste rede, oder im Scherz.

»Ihr seid schöner, als Don Juan,« hob Incarnacion mit einem Flammenblick auf Faust an, »aber er ist gut und Ihr seid böse, Ihr habt ihn fortgelockt aus meinem Lande, hierher, Ihr haltet ihn in diesem Lande fest, in diesem harten Lande, wo Incarnacion verwelken muß, wo Incarnacion sterben wird, weil ihr Don Juan niemals bei ihr bleibt, sondern immer traurig ist und von ihr geht.«

»Auch der ›doppelte Kopf‹ wird krank in diesem Land!« rief der alte Neger, der in seiner Wildschur am Ofen saß.[127]

»Incarnacion haßt Euch, Senhor!« rief das Mädchen mit dem Ausdruck der bittersten Wuth.

»Der ›doppelte Kopf‹ haßt Euch,« schrie der Neger zähnefletschend, »denn Ihr haltet guten Massa fest in dem abscheulichen Lande!«

»Wollt Ihr Don Juan reisen lassen, Senhor?« fragte Incarnacion, indem sie sich vor Faust stellte und trotzig mit dem kleinen Fuße stampfte.

Der Doctor lachte, ihm kam die Sache gar spashaft vor, aber dadurch reizte er den Grimm der Kreolin; wie ein Blitzstrahl schnellte das junge Mädchen an ihn heran, hatte ihn, den starken Mann, um den Leib gefaßt und rückwärts auf das Sopha geworfen. Faust, der dem plötzlichen Angriff erlag, sah dicht über sich das lebhafte, glühende Gesicht und die funkelnden Augen Incarnacions, er fühlte den heißen Athem der Kreolin an seiner Wange, er sah, daß in der rechten Hand des Mädchens ein kleiner Dolch blitzte, er merkte, daß der »doppelte Kopf« ihm die Füße festhielt.

»Wir werden Euch todtmachen, Senhor!« flüsterte Incarnacion und sie stieß dabei die Worte so seltsam durch die Zähne, daß ihre Sprache wie das Zischen der Schlangen klang; »wir werden Euch todt[128] machen, Senhor, wenn Ihr den Zauber nicht lös't wenn Ihr Don Juan nicht mit uns nach Para ziehen laßt!«

»Ja, uns mit guten Massa fortlassen über die großen Wasser, in's Land wo Sonne scheint!« murmelte der Neger.

Doctor Faust konnte sich unmöglich der ganzen Gefahr bewußt sein, in der er schwebte, er glaubte nicht an den Ernst der Drohung Incarnacions, er konnte aber der Lust nicht widerstehn Incarnacions Lippen zu küssen, die den seinen so nah waren, er schlang rasch den freigebliebenen linken Arm um den glatten Nacken der Kreolin und küßte die Lippen der Geliebten seines Freundes. Er küßte und küßte immer heftiger, er fühlte, daß das Mädchen über ihm bebte und zitterte, er fühlte seine Küsse mit gleicher Gluth erwiedert, er richtete sich mit einem seltsamen Gefühle auf, ihm schwindelte beinahe, Incarnacion sank vor ihm auf die Kniee und rief die Hände flehend ausstreckend:

»Tödte mich nicht, laß mich erst von Don Juan Abschied nehmen, er würde weinen, wenn er käme und fände seine Blume verwelkt!«[129]

Der »doppelte Kopf« stand wenige Schritte hinter dem Mädchen und sperrte den großen Mund weit auf, Angst, Verwunderung und abergläubischer Schreck malten sich in seinem Gesicht. –

Faust begriff noch nichts, er ärgerte sich blos, daß er sich von seiner Leidenschaft hatte hinreißen lassen, die Geliebte seines Freundes zu küssen.

»Steht auf, Senhora!« sprach er ernst und hob die Knieende auf, die jetzt bitterlich zu weinen begann.

»Was weint Ihr, Senhora?«

»Soll ich nicht weinen? soll Incarnacion nicht weinen, da sie nun verwelken muß in diesem Lande? habt Ihr sie nicht bezaubert? sie kann nun nicht wieder fort, Incarnacion muß sterben!« rief das Mädchen mit herzzerreißendem Jammer.

Vergebens erschöpfte sich Faust in Trostgründen. »Incarnacion muß sterben, denn Ihr habt sie verzaubert!« dabei blieb die Kreolin mit jener Hartnäckigkeit, die der Aberglauben hat.

»Auch der ›doppelte Kopf‹ muß sterben, wenn Senhora Incarnacion stirbt, denn er hat der Senhora Jaquita versprochen nicht ohne die Tochter heimzukehren!« heulte der Neger.[130]

Dem armen Doctor Faust begann zu schwindeln, er wußte sich keinen Rath mehr, er hatte alle Vernunftgründe erschöpft, ohne Gehör zu finden und dankte endlich Gott, daß Don Juan wieder erschien.

So wie der General in's Zimmer trat warf sich Incarnacion schluchzend in seine Arme und der Neger umklammerte heulend die Kniee seines Herrn. Don Juan, mit der Art und Weise Incarnacions vertraut, lächelte und fragte Faust deutsch: »Was hast Du mit dem Mädchen und dem Neger gemacht, Freund?«

»Gott sei Dank, Don Juan, daß Ihr da seid!« rief der Doctor, »erst mußte ich für mein Leben fürchten und dann für meinen Verstand;« er zeigte auf den Dolch Incarnacion's, der noch am Sopha lag und erzählte der Wahrheit gemäß den ganzen Vorfall.

Don Juan lachte, dann sagte er zu dem Mädchen: »Hat er Dich verzaubert, arme Blume, Incarnacion?«

»Er hat mir Feuer in die Adern geküßt, Don Juan, daran muß ich verwelken!« stammelte Incarnacion an der Brust ihres Freundes weinend.

»Er hat ihr Feuer in die Adern geküßt,« schrie der Neger, »oh, er ist ein großer Zauberer!«

»Sei ruhig meine Blume!« beschwichtigte Don Juan, der zu vertraut mit der gleichen Vorfällen war, um[131] sich aus der Fassung bringen zu lassen, »mein Freund war böse, weil Ihr ihn zwingen wolltet, hättet Ihr ihn sanft gebeten, so hätte er Euch nichts gethan; sei ruhig, meine Blume, Doctor Faust wird Dir das Feuer, das er Dir in Deine Adern geküßt hat, wieder herausküssen!«

»Er wird es ihr wieder herausküssen,« schrie der Neger jubelnd, »er ist ein großer Zauberer!«

Don Juan winkte lachend seinem Freunde, lachend näherte sich dieser dem Mädchen und küßte sie mit ziemlichem Feuer; seltsame Schauer bewegten den schlanken Leib Incarnacions.

»Ich werde nicht sterben!« sagte sie leise und wagte Faust nicht anzusehen.

»Meine Blume wird nicht verwelken!« tröstete Don Juan.

»Sie wird nicht verwelken, armer Neger sein Wort halten gegen Senhora Jaquita!« heulte der »doppelte Kopf,« wich aber scheu in eine Ecke zurück, als sich Faust ihm näherte.

Don Juan mahnte jetzt Incarnacion, sich anzukleiden, denn der alte Edelmann fand ein seltenes Behagen daran, wenn er in einem Gasthause logirte, an der Wirthstafel zu speisen, Incarnacion den Leuten[132] zu zeigen und ihre Bemerkungen über die seltsame Schönheit des Mädchens anzuhören; auch Faust war gern unter Menschen.

Während sich Incarnacion ankleidete, wobei ihr der »doppelte Kopf« als Kammerjungfer hülfreiche Hand leistete, theilte Don Juan seinem Freunde mit, daß der alte Fürst S. Alles aufbieten werde, ihm mit seiner Deputation eine Audienz zu verschaffen. Faust dankte und fragte: »Und Deine Tochter, armer Freund? Der alte Klingsohr schrieb recht traurig!«

»Sie ist sicher todt, meine gute Toska,« entgegnete Don Juan mit tiefstem Schmerz, »ich habe die Spur ihres Entführers von hier über Hamburg, Amsterdam, Ostende nach Paris verfolgt, ich weiß den Namen des Entführers, ich würde ihn erreicht haben, aber ein Befehl aus dem Ministerium des Innern zwang mich Paris zu verlassen.«

»Kannst Du mir den Namen sagen?« fragte Faust, »ich habe einige Verbindungen in Paris.«

»Graf von St. Aignan.«

»Heiliger Gott!« schrie der Doctor und wurde todtenblaß.

»Freund!« sprach Don Juan, indem er seine Hand auf Faust's Schulter legte, »Du weißt also, daß[133] dieser St. Aignan meiner Rafaëla Sohn, mein Enkel ist – siehest Du, ich wußte das nicht, aber ich ahnete es und darum war mir im Grunde lieb, daß ich den jungen Mann nicht traf; ich weiß, man hat ihn einen Schwur thun lassen, mich zu verfolgen; der junge Mann hat sein Wort gehalten, er hat mir meine Lieblingstochter entführt, er hat sie gemordet!«

»Glaube nicht gleich das Schlimmste, Freund, selbst der böseste Mensch mordet nicht leicht ein unschuldiges Frauenzimmer, er kann Toska auch irgendwo gefangen halten; ich will mein Heil mit ihm versuchen!«

»Laß es Faust, wenn dieser Graf St. Aignan meine Toska entführt hat, wie ich nicht zweifeln kann, so hat er sie sicher ermordet; bereite dem rachsüchtigen Sohne meiner Rafaëla nicht noch ein Fest, er braucht sich nicht noch zu freuen über meinen Schmerz, ich will schon das Schicksal meiner Tochter erfahren und, wenn sie noch lebt, sie auch befreien, ohne dem rachsüchtigen Enkel meinen Schmerz zu zeigen.«

»Aber könnte ich nicht –«

»Laß mich, Freund, im ersten Schmerze bin ich der Spur des Räubers mit dem Instinct eines Bluthundes gefolgt – aber die Ueberlegung, in die ich[134] die Sache unterwegs nahm, lehrte mich Besseres; ich würde schon nicht nach Paris gegangen sein, wenn ich nicht noch andere Zwecke mit dieser Reise verbunden hätte, – ich habe den Gefangenen von Burges gesehn.« –

»Und nur Deinen Schmerz neu aufgestachelt, nutzlos!« antwortete Faust, indem er mißbilligend den Kopf schüttelte.

»Das wird die Zeit lehren, mein Faust!« lächelte Don Juan, drückte die Hand seines Freundes und eilte seiner Incarnacion entgegen, die eben, reich und geschmackvoll gekleidet, in's Zimmer trat. Incarnacion war auch in europäischer Modekleidung eine reizende Erscheinung; sie stand ein Räthsel, ein unerklärliches Räthsel, vor dem Doctor Faust, der sein Herz unwillkührlich pochen fühlte bei dem Anblick des gluthathmigen Mädchens. Ein goldener Pfeil hielt, wie immer, Incarnacions Haar zusammen auf dem Scheitel, lange Locken flossen in prächtigem Fall herab auf beiden Seiten, über die dunkeln Wangen, auf die marmorglatte Schulter, deren zierliche Form sichtbar wurde zwischen dem kostbaren Shwal und dem Spitzenkragen, der schmal eine purpurfarbige Sammtrobe umsäumte. Ohrgehänge von rothen Korallen, einen Hals-[135] und Brustschmuck von Korallen hatte Incarnacion mit instinctartigem Geschmack den Brillanten und andern Bijouterieen, an denen sie reich war, vorgezogen.

Man begab sich in den Speisesaal des Hôtels. Die Gesellschaft war zahlreich und alle Blicke hingen an der durchaus seltsamen Erscheinung Incarnacions, die mit einer natürlichen Anmuth, ohne die mindeste Verlegenheit auftrat. Incarnacion war nie verlegen in Don Juan's Nähe. Sie saß zwischen Don Juan und Doctor Faust, neben Faust aber nahm ein Herr Platz, den wir nur an seinem dürftigen Schnurrbart und seiner unverschämten Manier wiedererkennen, es ist der, in einen Berliner Incroyable umgestaltete, Herr Ratz. –

Don Juan, Faust und Incarnacion sprachen spanisch, mehrere französische Kaufleute gesticulirten heftig und einige von Zeit zu Zeit laut werdende »Goddam's, my dear ect« würden die Britten am obern Ende der Tafel verrathen haben, wenn das nöthig gewesen wäre. Es mußten Britten sein, denn sie machten die meisten Prätensionen und wurden am aufmerksamsten bedient. Was die Prätensionen betrifft, so gab übrigens unser Freund, Herr Ratz, das richtige Berliner Kind, den Engländern gar nichts nach,[136] denn er commandirte die Kellner und aß für drei, er suchte an der table d'hôte im british Hôtel das nachzuholen, was er bei der magern Kost der Madame Grunewald hatte versäumen müssen.

Ein kleiner schwärzlicher Herr, der Don Juan gegenüber saß, verwendete kein Auge von Incarnacion, endlich wendete er sich in sehr schlechtem Spanisch an Don Juan und fragte, ob er vielleicht die Ehre habe sich einem Landsmanne gegenüber zu befinden.

»Ich bin ein Spanier, Senhor!« erwiederte Don Juan höflich, »Ihr seid es, der Sprache nach, nicht.«

»Aber dem Herzen nach, Senhor,« erwiederte der Fremde hastig, »und der Geburt nach gehöre ich einem Lande an, das sich lange glücklich fühlte unter dem Scepter der katholischen Könige; ich bin ein Neapolitaner, Senhor!«

»Denkt man noch an Spanien in Ihrem Vaterlande?« fragte Don Juan.

»Ich weiß es nicht, Senhor,« lächelte der Neapolitaner, »in vierzig Jahren ändert sich viel, die cidevant parthenopäische Republik setzte mich auf die Proscriptionsliste; ich habe mein Vaterland seitdem nicht gesehen.«[137]

»Ich bedaure Sie, Senhor!« entgegnete Don Juan und man sah ihm an, daß es ihm Ernst war.

»Ich bedaure Sie auch, Senhor!« sprach Incarnacion und dachte an ihr Vaterland.

»Preisen Sie mich glücklich, edle Donna; Senhor! ich habe viel Unheil, viel Entsetzliches, viel Elend nicht gesehen, von dem ich jetzt höre, denn ich habe auch nichts Gewisses gehört von Neapel seit vierzig Jahren.«

»Wie ist das möglich?« fragte der Spanier.

Der Neapolitaner lächelte, mischte seinen Wein und antwortete freundlich: »Ich war im Innern Afrika's, abgesperrt von der civilisirten Welt versuchte ich einen Negerstamm zu civilisiren und nicht ohne Glück, denn ich habe meine schwarzen Burschen jetzt so weit, daß sie sich wenigstens mit den Calabresen von 1803 auf einer Stufe der Cultur befinden.«

»Und was hat Sie, nach vierzigjähriger Abwesenheit, wieder nach Europa geführt, wenn man fragen darf?«

»Die Sorge für die Wohlfahrt meiner schwarzen Mitbürger; wir bezogen bisher unsere Bedürfnisse für den doppelten Preis aus Amerika und was das Schlimmste ist, wir mußten sie mit Sclaven bezahlen. Vor[138] ungefähr drei Jahren ist es mir gelungen, meine Mitbürger von der Nutzlosigkeit der Entvölkerung ihres Landes durch diesen Handel zu überzeugen, ich versprach meinen Schwarzen ihnen von anderer Seite her ihre Bedürfnisse zu verschaffen; ich ging nach London, nach Paris, ich prüfte die Verhältnisse und habe gestern mit der preußischen Regierung einen Handelsvertrag abgeschlossen; sie sendet uns Schiffe mit Leinwand, Stahlwaaren, Papier u.s.w., wir geben als Rückfracht Baumwolle, Elfenbein, Goldstaub, Pfeffer, Thierfelle, Arzneipflanzen, Färbeholz u.s.w., außerdem haben wir einige Lieferungen für die Menagerie übernommen, die der König von Preußen hier anlegt.«

»Por dios!« rief Don Juan, »Senhor, seid Ihr der König Eures Staates selbst?«

»Nein, Senhor,« lächelte der Fremde, »ich bin nur der Handels- und Marineminister eines schwarzen Königs, der einen so barbarischen Namen hat, daß die Herren Preußen, mit denen ich eben unterhandelt habe, ihn gar nicht aussprechen konnten.«

Während Don Juan sich ganz interessant mit dem Handels- und Marineminister, auch außerordentlichen Ambassadeur, einer schwarzen Majestät unterhielt, hatte sich Herr Ratz mit ächt berlinischer Ungenirtheit an[139] den Doctor Faust gemacht, der ihn anfänglich nicht beachtet hatte.

»Wenn ich nicht irre,« begann das »richtige Berliner Kind,« »sahen wir uns bereits gestern, Herr Doctor!«

Faust besah sich den Berliner und sagte dann: »Es ist mir auch so, kann mich aber im Augenblick nicht besinnen, mein Herr!«

»Glaub's Ihnen,« lachte Herr Ratz und ließ sich den Braten zum dritten Male reichen, »war an einem Orte, wo wir uns schwerlich gegenseitig vermuthet hätten, in dem schäbigen Kaffeehause in der Schönhauserstraße.«

»Ach so!« rief Faust und musterte seinen Nachbar auf's Neue. »Wollte man Sie nicht hinauswerfen?«

»Richtig!« entgegnete Ratz, »Ihr Gedächtniß beginnt sich zu regen, die guten Jungen wollten mich hinauswerfen.«

»Man sagte, Sie hätten im Spiel betrogen?« fragte Faust mit zweifelhafter Miene.

»Ich betrüge immer beim Spiel, wenn ich nicht betrügen kann spiel ich lieber gar nicht!« sagte der Berliner sehr offenherzig.

»Und das sagen Sie so geradezu?«[140]

»Versteht sich, allemal sage ich erst den Mitspielern: hört Kinder, betrügen gilt, sonst spiel ich nicht mit!«

Faust lachte, er glaubte hier einen wunderlichen, vielleicht liederlichen, aber sonst anständigen, jungen Mann vor sich zu haben.

»Ich weiß, Sie sind der Doctor Faust, ich bin der Doctor Ratz von hier, aber kein Mediciner, ich bin Schriftsteller, habe aber noch nichts drucken lassen, weil ich nie Zeit gehabt habe, meine göttlichen Gedanken zu Papier zu bringen.«

Faust lachte und Ratz lachte mit.

»Ich studire jetzt das Leben, das kostet mir viel Zeit, Sie sollten die Originale kennen, die ich hier in Berlin schon habe; dabei fällt mir ein, wer war denn das Original, das Sie gestern so fürchterlich abführten? erzählen Sie mir, das Original muß in meine Sammlung; ein Buchhalter, nicht wahr?«

Faust ließ sich für den Augenblick von der gemachten, scheinbar cordialen Offenheit des Berliners täuschen und erzählte ihm von den schlechten Streichen des Buchhalters; er glaubte, der Herr Doctor Ratz würde entrüstet sein, aber er hatte sich ganz geirrt, denn Herr Ratz lachte wie unsinnig, betheuerte auf Ehre und Seligkeit, das sei ein Festtag für ihn, denn[141] er habe doch wieder ein Original gefunden. Faust ärgerte sich über die crasse, egoistische Ansicht seines Tischnachbaren, aber er war weit davon entfernt zu ahnen, welch ein gefährlicher Mensch an seiner Seite sitze. Er versuchte auch nicht den Berliner zu seinem Humanismus, aus dem er förmlich eine Religion gemacht hatte, zu bekehren, aber er schwatzte mit dem Menschen, weil ihn seine Art und Weise zu denken und zu reden unterhielt.

»Sind Sie vielleicht heute wieder in dem Kaffeehause?« fragte Faust seinen Nachbar, als Don Juan aufstand.

»Ja, gewiß werden Sie mich finden,« erwiederte Ratz, »wenn ich nicht schon hinausgeworfen bin.«

Der Neapolitaner versprach Don Juan, ihn auf seinem Zimmer zu besuchen.[142]

Quelle:
Hesekiel, George: Faust und Don Juan. Aus den weitesten Kreisen unserer Gesellschaft, Teil 2, Altenburg 1846, S. 97-143.
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