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[254] Bay View, 17. August 1900.


Endlich, endlich! Nun ist es wirklich wahr? Die ersten Depeschen der Gesandten sind in den Zeitungen abgedruckt. Gerettet, wirklich gerettet, wiederhole ich immer von neuem!

Seit diesen ersten Nachrichten weiss ich nicht[254] mehr, was ich tue und sage, weiss nicht, ob ich lache oder weine!

Es scheint beinah unglaublich, dass einmal die Hoffnung Recht und die Verzweiflung Unrecht gehabt haben sollte!

Und in der Freude des Herzens, das zum Himmel jauchzt und dann wieder ängstlich bebt und fragt: »Ist's denn wahr? Ist's denn wahr?« – in diesen ersten Augenblicken eines wie neu geschenkten Lebens ist es mir, als seien Sie hier dicht bei mir, als erlebten wir es alles zusammen. Es ist ja unmöglich, dass eine solche Glückseligkeit mein ganzes Sein erfüllen kann, und Sie nichts davon wissen sollten. – Sicher wissen Sie's! Ich fühl es ja so deutlich, dass Sie hier ganz nahe bei mir sind, wenn auch die armen noch verweinten Augen Sie nicht zu schauen vermögen.

Sicherlich werden wir uns bald wiedersehen! Es wird ein schöner Abend kommen, an dem wir auf goldigem Strande zusammensitzen und hinausschauen auf das weite Meer, das sich durch Sturmestage zur Ruhe hindurchgekämpft hat, und ein solches Glück des Wiederfindens wird in uns sein, dass keine Sprache je das Wort dafür ersann, dass wir kaum zu atmen wagen, dass wir die Sekunden zu Ewigkeiten wandeln möchten. Ja, so, ganz so wird's sein.[255]

Quelle:
Elisabeth von Heyking: Briefe, die ihn nicht erreichten, Berlin 521903, S. 254-256.
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Der Tag anderer. Von der Verfasserin der, Briefe, die ihn nicht erreichten