Fünfte Scene.


[442] Gneisenau. Nettelbeck tritt wieder ein.


NETTELBECK.

Ich störe?

GNEISENAU ohne aufzublicken.

Schon zurück?[442]

NETTELBECK.

Ich traf

Den Würges draußen, der ist noch mobiler;

Hat sich beim Löschen nicht so abgeäschert.

Der ruft die Andern jetzt. – Hm! Was ich doch

Noch sagen wollte – schreibt nur ruhig fort! –

Ich wollt' nur eben fragen, Herr Major:

Das Kriegsgericht hat über Heinrich Blank

Den Spruch gefällt?

GNEISENAU auf den Tisch deutend.

Da liegt das Urtheil. Les't!

NETTELBECK.

Ich bin so frei.


Nimmt das Blatt und lies't.


Hm! Also wirklich: Tod!

Hab's wohl gedacht. Das nennt man kurz und gut.

GNEISENAU fortschreibend.

Scheint's Euch nicht in der Ordnung?

NETTELBECK.

Hm! Je nun!

GNEISENAU.

Nur frei heraus!

NETTELBECK das Blatt wieder hinlegend.

Ich mag's wol nicht verstehn,

Verstehe Manches nicht. Ich wär' nun freilich

Wol alt genug. Doch Alter, die man sagt,

Schützt nicht vor Thorheit; und so denk' ich mir,

Wenn so ein junger Hitzkopf sich verfehlt,

Soll man ihm Zeit, sich zu besinnen, lassen,

Mit Brod und Wasser das Geblüt ihm kühlen,

Bis er sich seiner grünen Dummheit schämt.

Doch kurzweg füsilirt – mein Herr Major,

Das mag so in den Kriegsgesetzen stehn,

Doch nichts für ungut: mit der Menschlichkeit

Besteht das schlecht, und was die himmlischen

Heerschaaren dazu sagen, fragt sich sehr.[443]

So! Meine Meinung habt Ihr wissen wollen,

Da habt Ihr sie!

GNEISENAU.

Ich dank' Euch. Ihr habt Recht.

NETTELBECK.

Wollt's meinen!

GNEISENAU.

Nämlich, daß Ihr alt genug seid,

Doch leider noch nicht weise.

NETTELBECK.

Herr Major –


Quelle:
Paul Heyse: Gesammelte Werke. Band 10, Berlin 1872–1910, S. 442-444.
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