Erste Scene.


[319] Die kleine Thür hinter dem Betschemel wird aufgeschlossen. Biondetta schleicht herein, Don Juan folgt ihr.


DON JUAN sich umschauend. Hier also? Ein artiges Nest!

BIONDETTA. O gnädiger Herr, mir zittern alle Glieder Ich beschwöre Euch –

DON JUAN. Sei ruhig! Ich habe so wenig Böses im Sinn wie dort der Mondenschein.

BIONDETTA. Auf mich wirds kommen, auf mich allein! Niemand weiß freilich, daß ich den Schlüssel habe. Sie glauben, er sei verloren. Aber der Gang führt an meiner Kammer vorbei – ich hätt's doch hören müssen, wenn Jemand –[319]

DON JUAN. Hab' ich dir nicht gesagt, daß ich weder auf Diebes- noch auf Liebeswegen schleiche? Ich liebe nur dich. Laß deine Thür offen, daß ich dir hernach berichten kann.

BIONDETTA. Ihr meint's nicht redlich mit einem armen Mädchen, das Nichts hat, als sein bischen Tugend!

DON JUAN. Närrchen! Daran hast du was Rechts – nur eine Leimruthe, um Gimpel zu fangen, wie dein Salvatore. Du bist tausendmal Besseres werth. Immer herumspähend. Wohin führt jene Thür?

BIONDETTA. Zu den Zimmern der Frau Gräfin. Ach, Herr –

DON JUAN. Und der Balkon?

BIONDETTA. In den Garten. Könnt Ihr mir schwören –

DON JUAN. Wo schläft der Gärtner?

BIONDETTA. Ganz am Ende des Gartens in seinem Häuschen. O gnädiger Herr, wenn Ihr noch jetzt umkehrtet –

DON JUAN. Ich muß sie sprechen, hörst du nicht? ich muß. Ich hätt' es lieber ohne eine solche Ueberrumpelung gethan, aber das hoffährtige Gesicht hat mich abgewiesen wie einen zudringlichen Landstreicher. Der kleine Schrecken sei ihre Strafe; alles Uebrige nehm' ich auf mich. Hast du mir nicht gesagt, daß die Alte einen Boten nach Neapel geschickt hat, der Gräfin zu melden, daß Gianotto zurück sei? Nun, vielleicht schon morgen früh haben wir die Mutter hier, der ich aus guten Gründen nicht begegnen möchte. So bleibt mir nur diese Nacht – [320] Erblickt ein Büchlein auf dem Betschemel. ha, das Buch! Nimmt es in sichtbarer Bewegung. Ja, dich kenn' ich! Ich sah dich in einer Hand, die nun lange vermodert ist. Ich gebe sonst Nichts auf Reliquien; und doch – ein seltsamer Schauer –

BIONDETTA angstvoll. Legt es wieder hin, Herr! Sie möcht' es vermissen. O Madonna!

DON JUAN hat im Mondschein den Namen auf dem ersten Blatt gelesen. Anna de Silva – Friede sei mit dir, süße Heilige


Legt das Buch wieder fort.


BIONDETTA. Schritte draußen! Verbergt Euch!

DON JUAN horcht. Es ist Nichts. Geh nun! Und sei ruhig! Fährt ihr leicht über das Haar. Dies schöne Blondhaar sollt' ein Perlendiadem tragen. Laß deine Thür offen, hörst du?


Drängt sie von sich, sie schlüpft hinaus. Er schließt die Thür hinter ihr ab, steckt den Schlüssel zu sich.


Quelle:
Paul Heyse: Gesammelte Werke. Band 11, Berlin 1872–1910, S. 319-321.
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