4.

[319] Ratet, von wem ich komme, Don Pavolo! – Von der Gevattrin?

Falsch! – Von der Schneiderin? – Falsch! – Dann von der Messe gewiß!

Nein, Ihr wollt's nicht raten! – Bei San Francesco, Luisa,

Gern; wer aber errät Mädchengedanken und -tun? –

Bei Mariuccia war ich. – Bei der! – Nun tut mir der Herr doch,

Gar, als wäre das nichts. – Wenig, Luisa, für mich. –[319]

Habt nur Geduld; gleich kommt es an Euch. Ich macht' ein Geschäft mir

Heut am Morgen und tat Seidengespinst in den Korb,

Daß sie ein Band mir webe; sie hat im Haus die Geräte.

Und ich fand sie, allein Mutter und Schwester mit ihr,

Richtet' es aus und hoffte von Euch ein Wörtchen zu plaudern,

Aber die anderen zwei horchten; ich hütete mich.

Und so war ein Stündchen vertan. Da ging ich, und mit mir

Ging Mariuccia. Wie gern hätte sie nun mich befragt!

Also stehen wir unter der Tür. Ich sage: Commare,

Sag' ich, besuchst du mich nie? – Aber sie schüttelt den Kopf.

Nein, denn ich darf nicht, sagt sie; du weißt, nicht liebt es die Mutter,

Weil ihr ein Wirtshaus habt. – Närrchen, es stehet ja leer;

Noch ist keiner gekommen zum Seebad. – Aber es wohnt doch

Einer bei euch. – Nun der, sag' ich, – wie findest du den? –

Ei, nicht übel. – Verstelle dich nur, Spitzbübin! du hast ihn

Gern, und du weißt, er dich! sag' ich. Da lacht sie und schweigt.

Aber auf einmal faßt sie mich um und küßt mich, ich denke

Gleich, sie erstickt mich, und dann läuft sie wie Wetter davon.

Und ich ruf' es ihr nach: Den Kuß, Mariuccia, bestell' ich,

Aber du weißt wohl, wem. Richtig; sie dreht sich und nickt:

Tu's Luisa! und weg, ins Zimmer hinein. Die Arme!

Denk' ich, sie hätt' es allein freilich am liebsten bestellt.

Chi va piano va sano; es kommt ihr, eh' sie es denket.

Aber so stehet es jetzt, Herr, und da hab' ich den Kuß.

Wollt Ihr ihn auch? – O edle Luisa – Also da ist er!

Seht, Don Pavolo, dies tut die Luisa für Euch:

Anderen tät' sie's nimmer; doch Ihr, Ihr wisset, was Scherz ist,

Und dies alles, es sind Possen. Nun aber im Ernst:

Geb' ich den Kuß nicht wieder für Euch? Und hättet Ihr keinen

Mir zu bestellen? Es wär' jetzo in einem getan. –

Liebe Luisa, ich tat ein Gelübd, nie Küsse zu geben;

Küsse zu nehmen – ja, das scheint ein besonderer Fall.

Quelle:
Paul Heyse: Gesammelte Werke, 3 Reihen in 15 Bänden, Reihe 1, Band 5, Stuttgart 1924, S. 319-320.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Gedichte
Neue Gedichte und Jugendlieder
L'Arrabbiata Und Gedichte (Dodo Press)
Andrea Delfin. Prosa und Gedichte.