18.
Villa N.

[352] Ich kannte dieses Haus in frühern Tagen,

Da schimmert' es von weißen Marmorbildern,

Von goldnen Wänden, Lüstern, Wappenschildern,

Von stolzer Pracht und üppigem Behagen.


Heut weht hindurch ein Herbsthauch von Entsagen,

Der alle Farben dämpfen will und mildern,

In Haus und Park ein reizendes Verwildern,

Noch schöner fast, als da sie Schmuck getragen.
[352]

Gleich einer stolzen Seele, die sich lange

Bewußt geblieben strenggemeßner Pflichten

Und, um zu glänzen, sich bequemt dem Zwange.


Doch ihrer spotten läßt Natur mit nichten.

Unmerklich folgt das Herz dem tiefen Hange

Nach Freiheit, der es lehrt auf Prunk verzichten.

Quelle:
Paul Heyse: Gesammelte Werke, 3 Reihen in 15 Bänden, Reihe 1, Band 5, Stuttgart 1924, S. 352-353.
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