8.

Annette von Droste-Hülshoff

[543] Ein Herz, so stark, das Schwerste zu verwinden,

So warm, um leicht in Flammen aufzugehn,

So tief, um ahnend Tiefstes zu verstehn,

So weich, um nur in Starrheit Halt zu finden;


Ein Geist, geschaffen, Geister zu ergründen,

Stolz, um Gemeines groß zu übersehn,

Demütig, wenn ein Lebenswerk geschehn

Und seine Spur verweht scheint von den Winden;


Einsam erwachsen auf der Heimatflur,

Einsam trotz innig ernstem Liebessehnen,

Im Stillen sammelnd ewigen Gewinn;


Allein an Gott dich klammernd und Natur,

Zu Perlen reiften dir all deine Thränen;

So wardst du Deutschlands größte Dichterin.

Quelle:
Paul Heyse: Gesammelte Werke, 3 Reihen in 15 Bänden, Reihe 1, Band 5, Stuttgart 1924, S. 543.
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