Höflicher Dieb.

[318] Ein Reuter begegnete einstens (als er im Quartier lage) einen Herrn Pfarrer auf der Strassen / so auch zu Pferd geseffen / und zwar in einem Wäldlein / welcher behend auf ihn zugeritten / in der lincken Hand neben dem Zaum den Hut / in der rechten eine ausgezogene Pistolen gegen ihm haltend / als dieses der Reverendus Dominus ersehen / zitterte er vor Forcht / und warffe alles Geld / so er bey sich hatte / dem Kriegs-Mann in seinem Hut / für welches sich der Reuter höflichst bedanckte / und sich aus dem Staub machte: weiln aber der Pfarrer den Reuter wohl in das Gesicht gefaßt / und sich des andern Tags in den nechsten Marck-Flecken zu dem allda einquartirten Officier begeben / demselben sein erlittenes Unglück beygebracht / und der Officier jene / so den vorigen Tag ausgeritten / beyfordern lassen; worunter der Pfarrer den Thäter gleich erkennet / sprach er zu seiner Verantwortung / nachdem er zur Red gestellt wurde: ich hab diesen guten Herrn kein Leyd gethan / sondern ihm / als einen Ehrwürdigen Geistlichen / meinen demüthigen Respect erwiesen / vor ihm den Hut abgezogen / und das Gemehr präsentirt /[318] von ihm auch nicht mit einigem Wort etwas erprest / er aber aus Gegen-Höfligkeit und Freygebigkeit hat mir etwas Geld verehret / vor welches ich mich unterthänig bedancket /und im Frieden fortgeritten bin: Worauf sich von allen Anwesenden ein starckes Gelächter erhoben / und der Herr Pfarrer die ihm erwiesene Höflichkeit theuer genug bezahlen müssen.

Quelle:
Hilarius Salustius, / MELANCHOLINI / wohl-aufgeraumter / Weeg-Gefärth, / Vorbringend / Lächerliche, anbey kluge Fabeln, [...]. Gedruckt im Jahr 1717, S. 318-319.
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