[222] Die zarte Jugend ist also zu verwahren / daß nichts was ärgern könte / ihr jemahls unter die Augen komme; wie dann ein Poet Satyr. 14. v. 45. also singt.
Nil dictu fœdum, visuque hæc limina tangat,
intra quæ puer est: procul hinc, procul inde puellæ,
Lononum, & cantus pernoctantis parasiti.
[222]
Das ist:
Im Zimmer zarter Jugend /
Soll wider Zucht und Tugend
Nichts werden vorgebracht /
Das schandbar wird geacht /
Sie sollen solchs nicht sehen /
Vielweniger begehen /
Sie sollen auch nichts hören /
Daß sie es nicht begehren:
Drum packet euch von hinnen /
Ihr lose Kupplerinnen /
Ihr Deller-Lecker fort /
An einem andern Ort;
Wo ihr für schnödes Singen
Gleichwohln mögt vollbringen /
Biß nach verstrichener Nacht /
Der helle Phœbus lacht.
Theils vermeynen die gar zu ernstliche Zucht zu Hause / verursache / daß / wann hernach ein Knab in die Freyheit gesetzt werde / er sich seines Leyds / so dann zu viel ergötze / und es mit ihm heisse / was Horatius de arte poëtica v. 161. spricht:
[223]
Imberbis juvenis tandem custode remoto,
Gaudet equis, canibusque, & aprici gramine campi,
Cereus in vitium flecti, monitoribus asper.
Das ist:
Der Jüngling welcher noch kein Härlein um das Maul /
so bald er Meister wird / so liebt er seinen Gaul /
er schertzet mit dem Hund / ergötzt sich in dem Feld /
und wird gar leicht verführt / von dieser bösen Welt /
wird er hierum gestrafft so will ers leyden nicht /
weil er nur auf die Lust / und Böses ist verpicht.
Und schreibt Henninges Arnisäus hievon also; wir lernen aus der Erfahrnus / daß keine Knaben / durch unverhofft angenommene Freyheit / so übel gerathen /oder verderbt werden / als die / welche von ihren allzustrengen Lehrmeistern und Aufsehern allzuscharff seynd gehalten worden.