§. 159.


nicht

[269] die rechte Sophie; sie war vom Engländer untergeschoben, um seine Absicht bei des Ritters Mutter zu erreichen.

So tief konnte sich der geistige Engländer herablassen! Freilich gehörte diese List nicht zu den apostolischen Tugenden der schon gereinigten Seele, und war gewiß nicht theurgisch; indeß gibt es nichts in der Welt, das teuflisch wäre, oder das keine Entschuldigung austreiben könnte. Liebte der Ritter nicht den Selbstbetrug? Wenn er es sich nicht übel nahm, die Idee seiner Sophie malen zu lassen; warum sollte man nicht seine Idee in natura darstellen? Wo ist denn die wahre Sophie? Die Apostel, die zwar Geister, so viel man verlangte, nicht aber die wahre Sophie, citiren konnten, hätten gewiß nicht verfehlt, diese Dulcinea ausfindig zu machen. Nur zu einer Zeit, als sie nicht zu finden war, entschloß man sich zur falschen. Konnte der Vater und Bruder dafür, daß der Ritter so sophiensüchtig war, daß er nicht länger anstehen wollte?

Diese falsche Sophie war gewiß nicht ohne viele Kosten und Mühe zu Stande gebracht; und wie? hielt der Engländer sie nicht in der That für eine Art von Sophie, für eine nicht gemeine Tugend? War es seine Schuld, daß sie Feuer sing? Warum war der Ritter so liebenswürdig? Der Engländer hatte in seiner[269] vieljährigen Praxis weibliche Tugend kennen gelernt; selbst Festungen nicht, die auch nur capitulirten; – und doch, blieb er nicht Theaterdirector? Ließ er nicht seine Komödiantin lange allein? Behielt er sich nicht die Einlenkung vor? Und wie konnte er sich vorstellen, ein Mädchen, das ihm alles zu verdanken hatte, würde so unerkenntlich seyn, und aus der Rolle fallen? War es je seine Meinung, daß die Sache so weit (bis zur Verwechslung der Handschuhe) kommen sollte?

Aber der Actrice selbst, war es ihr ganz zu verdenken? Fiel sie nicht aus der Rolle bloß in die Natur? Würde sie nicht eine unerträgliche Schauspielerin gewesen seyn, wenn sie die Natur nicht mit der Kunst verbunden hätte? That sie mehr, als was alle Mädchen auf Gottes Welt thun, denen der Beruf obliegt, in sich verliebt zu machen, und dann entweder wieder zu lieben, oder aus der Verliebtheit des männlichen Theils Vortheil zu ziehen? Läßt sich die Liebe darstellen, ohne daß man liebt? Und wenn ein Licht das andere ansteckt, wenn Liebe Liebe entzündet; wer ist Schuld? Unser Ritter war freilich sehr weit entfernt gewesen, es bei seiner Sophie für einen Vorschritt in der fleischlichen Zuneigung anzulegen; doch artet die geistige Liebe nur zu leicht in fleischliche aus, so daß ich für keinen als den Engländer Bürge bin, der indeß vielleicht selbst bei seinem Platonismus das Fleisch nicht verlassen haben würde, wenn es nicht so ungütig gewesen wäre, ihn zu verlassen. Der Ritter, im System der Liebe völlig unerfahren, war nicht nur, ohne es zu wissen, verliebt, sondern konnte auch, ohne es zu wissen, verliebt machen. Beide Dinge sind zu unzertrennlich. Freilich hatte der Engländer zu der Erziehung seiner Sophie alles beigetragen, was die besten Eltern nicht reichlicher und tauglicher bewirken konnten; war indeß die falsche Sophie die einzige, die er erziehen ließ? Sein Gelübde war (ein besonderes votum castitatis!) so viele Mädchen erziehen zu lassen, als er weiland zu Liebhaberinnen[270] gehabt; und wahrlich, das war keine kleine Zahl! Warum aber sollte bloß seine Sophie diesen harten, fast übernatürlichen und theurgischen Proben ausgesetzt werden, da es mit den andern Pflegetöchtern entweder gar nicht zur Probe kam, oder da sie leichter abkamen? Gewiß, seine Sophie müßte zu wenig in der Mädchen-Arithmetik erfahren gewesen seyn, wenn sie nicht summa summarum herausgebracht hätte: es sey besser, einen Gemahl ihrer Gnade leben zu lassen, als der Gnade eines alten launigen Engländers zu leben. Bei aller Unbefangenheit, die unserm Ritter in Liebesangelegenheiten eigen war, hätte ihn Sophiens zuvor kommende Gefälligkeit freilich befremden können und sollen; und – sie befremdete ihn wirklich. Bei aller seiner Verliebtheit würde er einen großen Theil von seiner guten Meinung in Hinsicht ihrer aufgegeben haben, wenn sie nicht Sophie, wenn sie nicht die rechtmäßige Besitzerin seiner Maurerhandschuhe gewesen wäre. Diese Hieroglyphe hatte sie, wenn ich so sagen darf, copulirt. – Da die falsche


Quelle:
Theodor Gottlieb von Hippel: Kreuz- und Querzüge des Ritters von A bis Z. Zwei Theile, Theil 2, Leipzig 1860, S. 269-271.
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