Zehnte Szene

[357] HANS KARL nach einer kleinen Pause. Weißt du, wen ich für den gebornen Ehemann halte?

STANI. Nun?

HANS KARL. Den Adolf Hechingen.

STANI. Der Antoinette ihren Mann? Hahaha! –

HANS KARL. Ich red ganz im Ernst.

STANI. Aber Onkel Kari.

HANS KARL. In seinem Attachement an diese Frau ist eine höhere Notwendigkeit.

STANI. Der prädestinierte – ich will nicht sagen was!

HANS KARL. Sein Schicksal geht mir nah.

STANI. Für mich gehört er in eine Kategorie: der instinktlose Mensch. Weißt du, an wen er sich anhängt, wenn du nicht im Klub bist? An mich. Ausgerechnet an mich! Er hat einen Flair!

HANS KARL. Ich habe ihn gern.

STANI. Aber er ist doch unelegant bis über die Ohren.

HANS KARL. Aber ein innerlich vornehmer Mensch.

STANI. Ein uneleganter, schwerfälliger Kerl.[357]

HANS KARL. Er braucht eine Flasche Champagner ins Blut.

STANI. Sag das nie vor ihm, er nimmts wörtlich. Ein uneleganter Mensch ist mir ein Greuel, wenn er getrunken hat.

HANS KARL. Ich hab ihn gern.

STANI. Er nimmt alles wörtlich, auch deine Freundschaft für ihn.

HANS KARL. Aber er darf sie wörtlich nehmen.

STANI. Pardon, Onkel Kari, bei dir darf man nichts wörtlich nehmen, wenn man das tut, gehört man in die Kategorie: Instinktlos.

HANS KARL. Aber er ist ein so guter, vortrefflicher Mensch.

STANI. Meinetwegen, wenn du das von ihm sagst, aber das ist noch gar kein Grund, daß er immer von deiner Güte spricht. Das geht mir auf die Nerven. Ein eleganter Mensch hat Bonhomie, aber er ist kein guter Mensch. Pardon, sag ich, der Onkel Kari ist ein großer Herr und darum auch ein großer Egoist, selbstverständlich. Du verzeihst.

HANS KARL. Es nützt nichts, ich hab ihn gern.

STANI. Das ist eine Bizarrerie von dir! Du hast es doch nicht notwendig, bizarr zu sein! Du hast doch das Wunderbare, daß du mühelos das vorstellst, was du bist: ein großer Herr! Mühelos! Das ist der große Punkt. Der Mensch zweiter Kategorie bemüht sich unablässig. Bitte, da ist dieser Theophil Neuhoff, den man seit einem Jahr überall sieht. Was ist eine solche Existenz anderes als eine fortgesetzte jämmerliche Bemühung, ein Genre zu kopieren, das eben nicht sein Genre ist.


Quelle:
Hugo von Hofmannsthal: Gesammelte Werke in zehn Einzelbänden. Band 2–5: Dramen, Band 4, Frankfurt a.M. 1979, S. 357-358.
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