Dritte Szene

[386] Antoinette mit Edine, Nanni und Huberta sind indessen in der Mitteltür erschienen und kommen nach vorne.


ANTOINETTE. So sagts mir doch was, so gebts mir doch einen Rat, wenn ihr sehts, daß ich so aufgeregt bin. Da mach ich doch die irreparablen Dummheiten, wenn man mir nicht beisteht.

EDINE. Ich bin dafür, daß wir sie lassen. Sie muß wie zufällig ihm begegnen. Wenn wir sie alle convoyieren, so verscheuchen wir ihn ja geradezu.

HUBERTA. Er geniert sich nicht. Wenn er mit ihr allein reden wollt, da wären wir Luft für ihn.

ANTOINETTE. So setzen wir uns daher. Bleibts alle bei mir, aber nicht auffällig.


Sie haben sich gesetzt.


NANNI. Wir plauschen hier ganz unbefangen: vor allem darfs nicht ausschauen, als ob du ihm nachlaufen tätest.

ANTOINETTE. Wenn man nur das Raffinement von der Helen hätt, die lauft ihm nach auf Schritt und Tritt, und dabei schauts aus, als ob sie ihm aus dem Weg ging'.

EDINE. Ich war dafür, daß wir sie lassen, und daß sie ganz wie wenn nichts wär auf ihn zuging'.

HUBERTA. In dem Zustand wie sie ist, kann sie doch nicht auf ihn zugehen wie wenn nichts wär.

ANTOINETTE dem Weinen nah. Sagts mir doch nicht, daß ich in einem Zustand bin! Lenkts mich doch ab von mir! Sonst verlier ich ja meine ganze Contenance. Wenn ich nur wen zum Flirten da hätt![386]

NANNI will aufstehen. Ich hol ihr den Stani her.

ANTOINETTE. Der Stani tät mir nicht so viel nützen. Sobald ich weiß, daß der Kari wo in einer Wohnung ist, existieren die andern nicht mehr für mich.

HUBERTA. Der Feri Uhlfeldt tät vielleicht doch noch existieren.

ANTOINETTE. Wenn die Helen in meiner Situation wär, die wüßt sich zu helfen. Sie macht sich mit der größten Unverfrorenheit einen Paravent aus dem Theophil, und dahinter operiert sie.

HUBERTA. Aber sie schaut ja den Theophil gar nicht an, sie is ja die ganze Zeit hinterm Kari her.

ANTOINETTE. Sag mir das noch, damit mir die Farb ganz aus'm Gsicht geht. Steht auf. Redt er denn mir ihr?

HUBERTA. Natürlich redt er mit ihr.

ANTOINETTE. Immerfort?

HUBERTA. Sooft ich hingschaut hab.

ANTOINETTE. O mein Gott, wenn du mir lauter unangenehme Sachen sagst, so werd ich ja so häßlich werden!


Sie setzt sich wieder.


NANNI will aufstehen. Wenn dir deine drei Freundinnen zuviel sind, so laß uns fort, ich spiel ja auch sehr gern.

ANTOINETTE. So bleibts doch hier, so gebts mir doch einen Rat, so sagts mir doch, was ich tun soll.

HUBERTA. Wenn sie ihm vor einer Stunde die Jungfer ins Haus geschickt hat, so kann sie jetzt nicht die Hochmütige spielen.

NANNI. Umgekehrt sag ich. Sie muß tun, als ob er ihr egal wär. Das weiß ich vom Kartenspielen: wenn man die Karten leichtsinnig in die Hand nimmt, dann kommt's Glück. Man muß sich immer die innere Überlegenheit menagieren.

ANTOINETTE. Mir is grad zumut, wie wenn ich die Überlegene wär!

HUBERTA. Du behandelst ihn aber ganz falsch, wenn du dich so aus der Hand gibst.[387]

EDINE. Wenn sie sich nur eine Direktive geben ließ'! Ich kenn doch den Männern ihren Charakter.

HUBERTA. Weißt, Edine, die Männer haben recht verschiedene Charaktere.

ANTOINETTE. Das Gescheitste wär, ich fahr nach Haus.

NANNI. Wer wird denn die Karten wegschmeißen, solang er noch eine Chance in der Hand hat.

EDINE. Wenn sie sich nur ein vernünftiges Wort sagen ließe. Ich hab ja einen solchen Instinkt für solche psychologische Sachen. Es wär ja absolut zu machen, daß die Ehe annulliert wird, sie ist eben unter einem moralischen Zwang gestanden die ganzen Jahre, und dann, wenn sie annulliert ist, so heirat' sie ja der Kari, wenn die Sache halbwegs richtig eingefädelt wird.

HUBERTA die nach rechts gesehen hat. Pst!

ANTOINETTE fährt auf. Kommt er? Mein Gott, wie mir die Knie zittern.

HUBERTA. Die Crescence kommt. Nimm dich zusammen.

ANTOINETTE vor sich. Lieber Gott, ich kann sie nicht ausstehen, sie mich auch nicht, aber ich will jede Bassesse machen, weil sie ja seine Schwester is.


Quelle:
Hugo von Hofmannsthal: Gesammelte Werke in zehn Einzelbänden. Band 2–5: Dramen, Band 4, Frankfurt a.M. 1979, S. 386-388.
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