Vorwort.

Der Wunsch: den Schauspieler Friedr. Beckmann († 1866) mit einer in unserm gemeinsam heimathlichen (d.h. schlesischem) Dialekt gegebenen Rolle dem Berliner Publikum vorzuführen, welches damals schon (1825) dessen jugendliches Talent bemerkte, – und ihn dadurch zu empfehlen, veranlaßte das Entstehen dieser Posse. Beckmann vermochte neben Schmelka, Spitzeder, Angely und Rösicke nur langsam durchzudringen, und es darf diesen vier genannten eben nicht nachgerühmt werden, daß sie sich sehr beeilt hätten, dem Anfänger Platz zu gönnen. Besonders Schmelka sah ihn, obgleich gerade Er den jungen Breslauer nach Berlin gebracht hatte, mit ungünstigen Augen an, sobald er mein Bestreben entdeckte, Jenen durch komische Röllchen und Rollen zu fördern. Als zweitem Liebhaber hätt' er ihm gern alles Gute gegönnt; nur in das eigne Gebiet sollte ihm kein neuer Eindringling kommen. Und da nun Schmelka die Regie der Posse beim Königstädter Theater verwaltete, so mußte ich darauf bedacht sein, ihm auch eine dankbare Rolle zu liefern, damit er mir in den Conferenzen nicht Opposition mache, wenn ich auf öfteren Wiederholungen dieser Kleinigkeit bestände. Es gelang; durch Beckmann und Schmelka (Kotzeluch) wurde der Kalkbrenner ein beliebtes Nachspiel und blieb lange auf dem Repertoir. Doch während die Berliner Freude und Lust daran bezeigten, fiel in Breslau, auf heimischem[133] Boden, das Kind der Heimath völlig durch, so daß es nur eine mißlungene Aufführung erlebte. Der Darsteller des Lorenz, wie man mir schrieb, soll das schlesische Wesen in gemeiner Plumpheit gesucht haben. Außer in Leipzig, wo es günstig aufgenommen wurde, ist es, meines Wissens, auf keine größere Bühne gedrungen. Kaum bei den wandelnden Truppen Schlesiens bin ich ihm hier und da noch begegnet.

Dagegen hat es in manchem gebildeten Zirkel, wo ich es bei Mangel an sonstigen deutschen Liederscherzen bisweilen vortrug, Vergnügen gemacht; und in Darmstadt z.B. durft' ich, wenn Gottfried Weber an der Gesellschaft Theil nahm, sicher darauf rechnen, daß er seinen »Kalkbrenner« verlangen würde, den zu hören er nicht müde ward.

Bei all' dem hat mich der alberne Schwank während meines Pariser Aufenthaltes in große Verlegenheit gebracht. Meyerbeer war so boshaft gewesen, mich dem dort etablierten großartigen Klaviervirtuosen Kalkbrenner mit der Bemerkung vorzustellen, daß ich ein Stück ihm zu Ehren geschrieben, welches seinen Namen führe. Nun verlangte K. es zu lesen, und ich suchte durch alle ersinnlichen Vorwände auszuweichen. Der zunächst liegende, daß ich es mir erst verschreiben wolle, mußte vorhalten bis zu meiner Abreise. Die in der Farce angebrachten Seitenhiebe auf berühmte Virtuosen und urtheilslose Bewunderer derselben, dürften wenig beigetragen haben, mir des Künstlers Wohlwollen zu conservieren.[134]


Quelle:
Karl von Holtei: Theater. Ausgabe letzter Hand in sechs Bänden, Band 3, Breslau 1867, S. 133-135.
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