Sechster Auftritt.

[184] Vorige. Dörthe eine zerbrochene Schüssel in der Hand. Wenn sie eintritt, fahren Beide erschreckt auseinander, doch ist ihre Stellung noch von Dörthe bemerkt worden, und diese ist so erstaunt über den unerwarteten Anblick, daß sie stumm und selbstvergessen mit offenem Munde stehen bleibt.

Pause.


AMÉLIE die sich zuerst gefaßt. Was giebt's, was will[184] Sie? Nun, wird Sie endlich reden? ungeschickte, widerwärtige Viehmagd!

DÖRTHE nachdem sie sich zusammen genommen. Da hat der Musje Justel allwieder in der Küche 'rum gepetert, und hat so lange gepetert, bis er hier die große Schüssel runtergerissen hat. Ich sagte gleich wie er kam: Musje Justchen, steigen Sie nicht auf die Bank, Sie können 'was ganz machen! Aber das kluge Frauenzimmer, die Philippine, schnauzte mich an, und meinte, ich sollte das Kind sein Vergnügen lassen. Und kaum war das letzte Wort aus ihrem Munde, da lag mein Musje Justchen unten und die Schüssel daneben, und Philippine war zur Küche 'raus wie der Wind. Nun sagt die Köchin, ich soll die Schüssel bezahlen, weil ich dicht dabei gestanden hätte.

AMÉLIE. Das versteht sich, wozu ist Sie in der Küche, wenn Sie nicht Acht haben will? das Kind weiß nicht, was es thut.

DÖRTHE. Ja, was hilft mein Acht haben, wenn der Kleine nicht pariert? So lange ich mit ihm allein bin, ist er allerliebst, denn er weiß schon, daß ich ihm seine Unarten nicht durchlasse. Aber so wie die Philippine dabei ist, denn trotzt er, und wird ein Muckebold, weil er sich auf sie verläßt.

AMÉLIE. Schwatze Sie mir nicht den Kopf voll. Die Schüssel wird Ihr am Lohne abgezogen, und damit gut.

DÖRTHE. Das ist doch aber himmelschreiend! Alles kommt auf mich, Alles soll ich entgelten! Wer im ganzen Hause nur 'was anstiftet, der schiebt mir's zu, weil ich ein armer, verlass'ner Dienstbote bin.[185]

AMÉLIE. Hinaus!

DÖRTHE. Und das ungezogene Kind soll mir auch noch Verdruß machen und Kummer? Aber der Himmel wird Sie schon strafen, daß Sie Ihr Kind so verderben, und so'n Abgott aus ihm machen.

AMÉLIE. Hinaus! oder ich vergesse mich!

DÖRTHE. Und mein Elend wird am längsten gedauert haben, wenn ich aber weg bin, und Sie erleben Jammer an dem Kinde, dann werden Sie an die arme Dörthe denken. Sie wirft die Scherben hin.

AMÉLIE höchst erzürnt. Freches Geschöpf! willst Du mich auf's Aeußerste bringen! hinaus! hinaus! auf der Stelle – heute noch muß sie fort!

DÖRTHE geht ab.

RICHARD. Das arme Mädchen dauert mich!

AMÉLIE. Wie es scheint, sind alle Männer für das plumpe Geschöpf eingenommen. Gustav nähme sie gern immer in Schutz, wenn er's gegen mich wagte, – sein Vater gar schwärmt, wenn er von ihr spricht, – das möchte noch hingehen: Gezwungen scherzend. denn die Beiden lebten idyllisch in einem Stalle. – Aber, daß Sie, Richard –

RICHARD. Ich finde das Mädchen nicht plump. Sie ist noch bäu'risch, aber in ihrer Natürlichkeit nicht ohne ländliche Grazie.

AMÉLIE. Ei, was Sie meinen!

RICHARD. Hübsch und zierlich, rein in ihrer Tracht. Ihnen und Ihrem Hause ergeben, und von einer unverwüstlichen Gutmüthigkeit. Denn sonst wäre sie, der allgemeine,[186] unschuldige Sündenbock des ganzen Hauses schon längst entflohen.

AMÉLIE. Ei, Sie dichten! Sie sind begeistert für eine Dörthe? Musen und Grazien in der Mark? Finden Sie nicht auch ihren unverschämten Trotz, ihre Drohung allerliebst?

RICHARD. Sie hatte sich einen Augenblick vergessen, aber wer ist daran Schuld?

AMÉLIE. Charmant! Immer besser! Mein soit disant Anbeter nimmt Partie gegen mich für meine Küchenmagd!

RICHARD. Aber Amélie!

AMÉLIE. Gehen Sie doch mit ihr zur Redoute!

RICHARD lachend. Ich glaube wahrhaftig, Sie könnten auf das Mädchen eifersüchtig werden? Sie könnten mir zutrauen –

AMÉLIE hält ihm den Mund. Verschwöre Dich nicht, holdseliger Jüngling! – Was die Männer betrifft, so sind sie in diesem Punkte über aller Berechnung und unter allen Begriffen. Mich setzt nichts mehr in Erstaunen. Dörthe ist jung, und das genügt. Denn wenn Ihr Engel sucht und findet nichts, als la beauté du diable, nehmt Ihr auch damit vorlieb. Und nun gehen Sie, besorgen Sie ein Kostüm für Gustav's Vater.

RICHARD dringend. Also dann – ganz mein?

AMÉLIE mit dem Fuß stampfend. Sie sollen geh'n!

RICHARD zu ihren Füßen. Nicht von der Stelle, bis Du ja sagst.

AMÉLIE neigt sich zu ihm und sagt leise. Nein!

RICHARD sie umfassend. Ein solches Nein ist ein Ja!


Quelle:
Karl von Holtei: Theater. Ausgabe letzter Hand in sechs Bänden, Band 1, Breslau 1867, S. 184-187.
Lizenz:
Kategorien: