Vorwort.

Als dieses Drama zum ersten Male aufgeführt wurde, hatten sich viele Personen vorgenommen es auszupfeifen; hauptsächlich deshalb, weil – Gott weiß wie? – das Gerücht verbreitet worden war, eine in der Nähe Berlins verübte, eben so schauderhafte als gemeine Mordthat, deren Ursprung jedes psychologischen Motivs entbehrte, solle darin abgehandelt werden. Je ungünstiger nun die öffentliche Stimme sich vorher gezeigt, desto günstiger wendete sie sich während der Darstellung; so daß sie zu einer Art von Triumph (allerdings mehr meiner guten Frau, denn mir geltend) umschlug. Das Stück machte Aufsehen; und wie meine Frau dem Charakter der »Dörthe« den naturgetreuesten Ausdruck künstlerisch zu geben, und Derbheit mit Gemüth auf's Innigste zu verschmelzen mußte, so führte Schmelka seinen »Lämmlein« mit seltener Consequenz durch. – Auch in Hamburg und Leipzig, wo Caroline-Sutorius und Madame Dessoir (geb. Reimann), die[163] Hauptrolle gaben, erkannten Kenner wie Publikum die Wirksamkeit meines Wagestückes freudig-beistimmend an.

Herr Nestroy hat das »Trauerspiel in Berlin« zu einer ... Parodie kann ich's nicht nennen – zu einer Nachahmung, Umarbeitung benützt, welche unter dem Titel: »die verhängnißvolle Faschingsnacht,« auf vielen, auch norddeutschen Bühnen häufig vorgeführt wurde. Während ich mich bestrebt habe in meinem Original Leute aus niedern Ständen, ihrem trüben Geschick zum Trotze, von Innen heraus als edle Naturen darzustellen, hat Herr Nestroy, nach der ihm eigenen Weise, sich die Aufgabe gestellt, in seiner Umgestaltung dieses Bestreben als ein sentimental-lächerliches zu bezeichnen, und namentlich das Ehrgefühl des »Franz« zu persifliren. Vielleicht weil ihm dies so gut gelungen, hat die »Faschingsnacht« ihren Weg über weit mehr Bühnen genommen, als mein vergessenes »Trauerspiel.« Eben so wie eine jüngst erstandene Localposse, die, ohne Quellen näher anzugeben, aus einem von beiden Stücken, vielleicht aus beiden, nach Bedürfniß geschöpft worden ist, und großen Beifall findet. Dawider giebt es keinen Schutz. Seltsam jedoch bleibt es, und mir unerklärlich, wie die Herren, welche von den Brettern den Fortschritt besingen, und Volkssouverainetät verkündigen, dieses ihr fortschreitendes Volk so niedrig-gesinnt als möglich schildern; auch in Nachbildungen von Stücken, deren als Reactionair verhöhnter Verfasser sich redlich bemühte, eben diese aus untergeordneten Ständen hervorgehobenen Persönlichkeiten veredelt und hochherzig auftreten zu lassen? Ist das nicht ein Widerspruch, der zum Nachdenken auffordert?[164] Den Humor darf man aber dabei nicht verlieren, sonst ist Alles verloren. Möge nun Jenen der Sieg bleiben ... einen Ruhm wird meinem »Trauerspiel in Berlin« keine Kritik rauben; den, daß es Vater und Erzeuger des weltberühmten Eckenstehers Nante ist. Beckmann hatte den darin als Nebenfigur angebrachten Nante durch Maske und Spiel zu einer der Hauptfiguren gemacht, und so viel Applaus geerntet, daß ihm der glorreiche Gedanke kam, in einer von ihm zusammengestellten Scenenreihe, dem ausgezeichneten Manne längeres Dasein zu verleihen, als ich ihm spenden konnte. Der Erfolg des »Eckstehers Nante« reicht so weit die deutsche Zunge reicht. Und wenn nun auch all' meine theatralischen Versuche in Nichts zerfallen, – daß ich den Nante geschaffen, – werden kommender Jahrhunderte Literatur-Historien mir lassen müssen.

Doch für die »Dörthe« hat sich leider kein Nachahmer in meinem Sinne finden wollen.[165]


Quelle:
Karl von Holtei: Theater. Ausgabe letzter Hand in sechs Bänden, Band 1, Breslau 1867, S. 163-166.
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