Zehnter Auftritt.

[100] Graf. Gräfin.


GRÄFIN. Nun, Herr Graf? Sind hier alte Edelleute?

GRAF. Man kann es doch nicht wissen. Der Mann ist vielleicht ein neuer Philosoph.

GRÄFIN. Philosoph? Der Kerl ist nicht mehr, als sein Rock werth ist.

GRAF. Je nun – an den Röcken kann man auch die Philosophen nicht erkennen.

GRÄFIN. Ein alter Bäcker oder Schlosser ist der Herr Baron.

GRAF. Aber –

GRÄFIN. Aber ich habe es nie gewollt, und jetzt verbiete ich es, daß aus einer Heirath meiner Tochter mit diesem Volk jemals etwas werden soll.

GRAF. Dieß Volk hat viel Geld.

GRÄFIN. Ihr gemeines Geld![100]

GRAF. Die gemeinen Kreditoren! Das Gut erbt ja, wenn die Heirath zu Staude kommt, auf meine Tochter, und fällt so gewissermaßen an unsere Familie zurück.

GRÄFIN. Es sind Spitzbuben.

GRAF. Daß Gott verhüte! Indeß ist hier nichts bekannt.

GRÄFIN. Was sie haben, ist Plünderung. Und glauben Sie mir, der Herr Schwiegersohn ist schon als Filou in den Schubkarren geschmiedet gewesen. Ja, ja!

GRAF. Mon Dieu!

GRÄFIN. Das behaupte ich.

GRAF. Sie frappiren mich. In den Schubkarren geschmiedet! Woher wissen Sie das?

GRÄFIN. Mein Verstand hat es an den Tag gebracht.

GRAF. Wie denn? das sagen Sie mir!

GRÄFIN. Aber so erinnern Sie sich doch nur an die skandalöse Begebenheit von vorhin.

GRAF. An welche?

GRÄFIN. Wie die Familie den Schubkarren im Tempel erblickte –

GRAF. Nun?

GRÄFIN. Wurden sie nicht alle feuerroth?

GRAF. Das ist wahr! Roth wurden sie alle.

GRÄFIN. Blickten sie nicht alle weg?[101]

GRAF. Ganz verlegen! Oui!

GRÄFIN. Sie haben gezittert! Und der Monsieur Dominique, fing er nicht an zu weinen?

GRAF. Comtesse! Sie stecken mir ein fünestes Licht auf.

GRÄFIN. Sagte er nicht ganz desperat zu dem Herrn Schwiegerpapa: – Erinnern Sie sich nicht, daß Sie mich in der Stellung gesehen haben?

GRAF. C'est vrai! das hat er gesagt.

GRÄFIN. Ward da nicht die Verwirrung allgemein?

GRAF. Sie haben einen großen Geist, ma chere! Sie sehen alles, wie es ist. Ja – ich fange nun meiner Seits an, sie alle für eine schädliche Bande zu halten.

GRÄFIN. Wird es endlich Tag bey Ihnen? Gottlob! – Gleich zur Sache! Die Separat-Bedingung wird aufgehoben.

GRAF. Ich habe mich in dem Falle zu einer Geldbuße verpflichtet.

GRÄFIN. Besser Geld verloren, als Ehre!

GRAF. Auf das baar erhaltene Geld sind andere Gläubiger angewiesen.

GRÄFIN. Quelle betise!

GRAF. Sie vergessen, wie exigeant die Kreditoren waren. Der Jude Dreyfuß ist uns hierher gefolgt –[102]

GRÄFIN. Insolenter Bursche!

GRAF. In einem Kabriolet! Auch zwey zu Pferde.

GRÄFIN. Fahren Sie nur den alten Delomer recht an –

GRAF. Weswegen?

GRÄFIN. Lassen Sie mich machen!

GRAF. Was?

GRÄFIN. Mein Plan ist da.

GRAF. Welcher?

GRÄFIN. Ich werde einen solchen Rumor anfangen, und das Volk so zu blamiren drohen, daß sie, um ihre falsche Dignität zu erhalten, gern alle fernern Ansprüche sacrifiziren.

GRAF. Der Alte besteht auf der Heirath; auf diese Bedingung hat er das Gut so enorm theuer bezahlt.

GRÄFIN. Solche Leute haben keine Bedingungen zu machen.

GRAF. Aber sie haben doch nun den deutschen Adel.

GRÄFIN. Ich gebe meine Tochter nicht in ein neues Haus –

GRAF. Freylich! Aber unser altes Haus – es ist nur –

GRÄFIN. Nun?

GRAF. Ich meine –[103]

GRÄFIN. Was?

GRAF. Es fällt uns über dem Kopfe zusammen.

GRÄFIN. So werden wir mit Ehren darunter erschlagen. Ich gehe aus der Stelle, alles gegen diese Heirath zu thun. Sie muß unmöglich werden. Und wenn alles nichts hilft, denunzirt man sie als Spitzbuben. Sie müssen dann unsre Versprechen zurück geben, und ihr nagelneues Diplom wird ihnen zerrissen und vor die Füße geworfen. Geht ab.

GRAF. Ja! Es klingt, bey Gott! schön; aber – die menschliche Foiblesse regt sich dagegen. Drum werde ich gleich auf die Realisirung des Ehedokuments, und die Auszahlung der ferneren 10000 Thaler dringen. Dann kann die Comtesse wüten, wie sie will! Denn ich für mein Theil möchte lieber in einem neuen Hause, wohlgenährt, auf eine Ottomanne mich nachlässig hinstrecken, als meinen Leichnam unter den Trümmern des alten Hauses admiriren lassen. Geht ab.


Quelle:
August Wilhelm Iffland: Das Erbtheil des Vaters. Leipzig 1802, S. 100-104.
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