Sechster Auftritt.

[89] Vorige. Marquis, dem Horfmann die Thüre öffnet, welcher aber nicht eintritt.


MARQUIS verneigt sich.

ALLE erwidern es.

MARQUIS tritt auf Delomer zu.

DELOMER tritt betroffen einen Schritt zurück.

MAD. DOMINIQUE. DOMINIQUE S. sehen gespannt darauf hin.

DOMINIQUE V. Kinder, lieben Kinder! – jetzt gebt einmal Acht auf euren Vater!

DELOMER sieht den Marquis starr an, faltet die Hände.

MARQUIS öffnet herzlich die Arme. Delomer!

DELOMER erschüttert. Marquis de Val – – Das Wort erstirbt ihm.

MARQUIS. Ja, ich bins! – Ihr unglücklicher – glücklicher Freund! Er umarmt ihn.

ALLE treten freudig zu ihnen.

DELOMER. Willkom – – Er wird schwach.

MADAM DOMINIQUE. Was ist Ihnen? Sie faßt ihn in ihre Arme. Vater!

[90] DOMINIQUE V. Die Freude, die Freude!

DOMINIQUE S. hält ihn aufrecht. Lieber Vater!

MARQUIS tritt zurück. Zu Dominique Vater. So wirkt die plötzliche Freude, wieder Kummer.

DOMINIQUE V. Ey, das schadet nicht. Das geht vorüber. Ihr sollt wissen, Kinder, wir sind von Düsseldorf aus mit einander gereiset, der Herr Marquis und ich.

DOMINIQUE S. Mit einander?

MARQUIS. Durch den glücklichsten Zufall.

DOMINIQUE V. Herr Delomer hat das Vermögen des Marquis in seiner Verwahrung –

DOMINIQUE S. sieht erschrocken auf.

DOMINIQUE V. Der Marquis hat viel gelitten. In diesem Augenblick wird er auf einmal wieder ein reicher Mann.

DELOMER erholt sich etwas.

MARQUIS. Wie ist Ihnen? besser?

DOMINIQUE V. Nun, Dominique! wie stehst du da? Geh, hole deinem Vater eine Stärkung! Ey, hätte ich jetzt nur von meinem Essig bey der Hand!

MADAM DOMINIQUE. Es ist nicht nöthig, er erholt sich.

MARQUIS. Mein lieber, guter Delomer![91]

DOMINIQUE V. Eine Flasche alten Wein bringt uns her! Ich trinke mit auf die glückliche Rückkehr.

DELOMER. Sie leben? Ist es möglich?

MARQUIS. Durch ein Wunder. Mein guter, treuer Freund! – Gottlob, daß wir uns wieder sehen!

DELOMER. Ja – Gottlob! Seufzt. Indeß hat der Augenblick mich sehr angegriffen.

MARQUIS. Das thut mir so leid!

DELOMER. Ich danke Gott, daß Sie gerettet sind. Aber das Unvermuthete – die Freude – so manches, was mich heute beglückt, – hat meine Seele erschüttert. Ich bedarf einen Augenblick, mich zu erholen.

DOMINIQUE V. Er sieht wahrhaftig ganz entstellt aus – Sie müssen wahrlich ausruhen.

MARQUIS. In der That, ich bitte recht bringend darum.

MADAM DOMINIQUE führt ihn weg.

DOMINIQUE S. Julie! ich überlasse den Vater deiner Sorgfalt. – Zum Marquis. Von dem Glück, meinen wackern Vater zu sehen, schon innig erschüttert, ergreift diese zweyte Freude den würdigen Mann so innig –

MARQUIS. Ich mache mir Vorwürfe über meine unvorbereitete Erscheinung –[92]

DOMINIQUE V. Warum nicht gar? Der Freude kann man nicht zu viel haben.

DOMINIQUE S. Aber Sie selbst, Herr Marquis! bedürfen nach der Reise der Ruhe.

DOMINIQUE V. Ja, ja! Führe unsern Freund auf mein Zimmer und laß dir erzählen, wie es ihm ergangen ist. Ich werde indeß dem Bruder Delomer ein Glas Wein einschenken.

DOMINIQUE S. umarmt den Marquis. Kommen Sie, lieber Landsmann, und lassen Sie mich in dieser Umarmung aller Freude gedenken, die ich im Vaterlande zurückgelassen habe. Sie gehen ab.

DOMINIQUE V. Hm! Es ist sonderbar. Ich könnte nicht für Freude schwach werden. Mich macht die Freude jung und stark. – Diese vornehmen Leute haben abgenutzte Nerven, die lassen die Seele fallen, wenn sie gedeihen will, und sich erheben.


Quelle:
August Wilhelm Iffland: Das Erbtheil des Vaters. Leipzig 1802, S. 89-93.
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