Eilfter Auftritt.

[146] Herr von Wallenfeld. Herr von Posert. Hernach Frau von Wallenfeld.


HERR VON WALLENFELD setzt ihm den Hut auf. Nicht zu vergessen, daß meine Frau niemals mit pointirt hat.[146]

HERR VON POSERT lacht. Da sehe mir eins die Leute an! Außer Hause – animables Libertins – so – was unsere Vorfahren Galgenschwengel zu tituliren pflegten. Zu Hause – Erb-, Lehn- und Gerichtsherrn im feinsten Ton du Salon. Nun – mit pointirt hat sie freilich nicht persönlich, die Gnädige. – Aber ihr Magen hat scharf pointirt; denn der Hustet. hat es doch entbehren müssen, was auf meinem grünen Tische roulirte, ha ha ha! Hustet. Verfluchte Schwänke!

HERR VON WALLENFELD. Herr von Posert –

HERR VON POSERT. Nun? –

HERR VON WALLENFELD. Geh'n Sie zum Teufel!

HERR VON POSERT. Ich warte auf Thee, und –

HERR VON WALLENFELD. Geht in's Kaffeehaus.

HERR VON POSERT. Und Geld. Denn das Spielen auf Borg an einer öffentlichen Bank ist doch insolent, wenn man nicht seiner Kasse gewiß ist. Zieht ein Souvenir heraus. Ich bekomme von Euch –

HERR VON WALLENFELD. Keinen Heller. Bei Gott nicht einen Heller.

HERR VON POSERT hustet und rechnet. 45 Dukaten! richtig. Steckt das Souvenir ein. Nun, wann zahlt Ihr?

HERR VON WALLENFELD. Ihr habt mein ganzes Vermögen gewonnen.

HERR VON POSERT gähnt. Glück, liebes Kind, pures Glück!

HERR VON WALLENFELD. Und Geschicklichkeit nicht? – so etwas Geschicklichkeit.

HERR VON POSERT. Ei, bei Leibe! Nun – zahlt aus, friedlich, sonst beschimpfe ich Euch!

HERR VON WALLENFELD. Womit soll ich zahlen? ich bin der ärmste Mensch in der Stadt.[147]

HERR VON POSERT. Ach, geht doch!

HERR VON WALLENFELD. Ich habe keinen Heller, so wahr ich lebe.

HERR VON POSERT. Wie möchte ich denn da – Uf – sticht es wieder in den verdammten Beinen. Habt Ihr auch schon so Stechen in den Beinen gehabt? – Uf – daß dich – uf – der Stich ist für den Bankier.

HERR VON WALLENFELD. Geht er in's Gewissen?

HERR VON POSERT reibt sich den Arm. – Das hat man von seiner Complaisance, andern Leuten sein bischen sauer erworbenes Gut zur Ergetzlichkeit zu offeriren! Man muß die Wachslichter und den grünen Teppich dazu schaffen, kriegt Flüsse, Schwindel, Podagra, und muß sich noch mit losen Reden zwicken lassen. Freundlich. Ach Barönchen – seid so christlich, schiebt mir doch den Stuhl her –

HERR VON WALLENFELD schiebt ihn mit dem Fuße hin.

HERR VON POSERT legt das Bein darauf. Aber wie möchte ich denn da ohne Geld an eine Bank gehen, und –

HERR VON WALLENFELD. Rasend bin ich, daß ich es thue! ein erbärmlicher Kerl!

HERR VON POSERT. Und spielen? he! denn wenn man – –

HERR VON WALLENFELD. Ein Räuber an Weib und Kind!

HERR VON POSERT. Denn wenn man kein Geld hat, muß man nicht spielen.

HERR VON WALLENFELD. Keine guten Lehren aus Eurem Munde, das bitt' ich! ich möchte sie Euch fürchterlich heimgeben.

HERR VON POSERT. Bei meiner Seele, wie ein desperater Student! Schämt Euch doch! Was habt Ihr denn so seit Jahr und Tag bei uns eingebrockt? Wie viel? –

HERR VON WALLENFELD. Achttausend Thaler.

HERR VON POSERT hustet. Ein rechter Bettel für einen Kavalier![148]

HERR VON WALLENFELD. Ein Königreich für einen Mann und Vater.

HERR VON POSERT. Nun, und meine Zahlung?

HERR VON WALLENFELD. Ich kann nicht, ich kann nicht, ich kann nicht.

FRAU VON WALLENFELD bringt Thee, setzt ihn neben Herrn von Posert, und geht.

HERR VON POSERT. Danke, danke. Eine nette Gestalt! Lieutenant ist ihr Papa?

HERR VON WALLENFELD. Ja!

HERR VON POSERT. Ihr könnt also nicht bezahlen? Was wäre da zu thun? Schenkt sich ein.

HERR VON WALLENFELD. Was Ihr wollt.

HERR VON POSERT. Verklagen?

HERR VON WALLENFELD. In Gottes Namen.

HERR VON POSERT. Daß ich ein Narr wäre! Aber Er trinkt. es bekannt machen.

HERR VON WALLENFELD geht umher.

HERR VON POSERT trinkt. Euch, wenn Ihr wieder an die Bank kommt, das Pointirbuch aus der Hand reißen. Trinkt.

HERR VON WALLENFELD. Mensch!

HERR VON POSERT. Ihr seid also komplet im Misere?

HERR VON WALLENFELD. Ueberkomplet.

HERR VON POSERT. Ha ha ha! Hab' ich's doch meinem Kleinen, dem Aron, gleich gesagt, wie Ihr das erste Mal bei uns gespielt habt! Gib Acht, Aron, sagte ich, der verbrennt sich die Flügel, ha ha! O das sehe ich gleich. Ich kenne meine Leute.

HERR VON WALLENFELD. Ich habe sie leider nicht gekannt!

HERR VON POSERT. Mit dem Einen Auge sehe ich – o – durch[149] ein Bret sehe ich. Hm! Jugend! heftiges Geblüt! – Nun – reden wir einmal ein ander Wort. Hört einmal – Ihr seid also ein abgerupfter Vogel? Nun! Hustet. Euch ist zu helfen.

HERR VON WALLENFELD. Zu helfen?

HERR VON POSERT. Ja, ja! Setzt Euch daher – da zu mir.

HERR VON WALLENFELD setzt sich zu ihm.

HERR VON POSERT. Schenkt ein!

HERR VON WALLENFELD thut es.

HERR VON POSERT. Es ist mir Hustet. so trocken in der Kehle. Der alte taube Doktor stand so weit weg – habe entsetzlich kreischen müssen beim Abziehen. Laßt Euch sagen: Trinkt. ich schicke den Aron fort.

HERR VON WALLENFELD. Warum?

HERR VON POSERT. Der Kerl hält so Nebenbänkchen, und ist ein unvorsichtiger Kerl. Bei mir hat der Strick so ein zehntausend Thaler gemacht, hat so Schulmeistern und Barbirern Bänke gehalten, die denn alle – Hustet und lacht. Das ist denn aber ignobel – wie gesagt, er ist unvorsichtig und –

HERR VON WALLENFELD. Lassen wir das! Wie wollt Ihr mir helfen?

HERR VON POSERT. Ich komme darauf. Seht, Ihr habt eine hübsche Frau –

HERR VON WALLENFELD steht auf.

HERR VON POSERT. Was gibt's?

HERR VON WALLENFELD. Was soll meine hübsche Frau? Bei Gott! ich werfe dich aus dem Fenster, jämmerlicher Mensch!

HERR VON POSERT hustet. Bei Leibe! Nun meine ich so: Ihr seid Eurer Seits ein präsentabler Kerl, und, wie ich heute gesehen habe, ein Kerl, der Herz hat. Die ruinirten Spieler kriegen alle eine desperate Hartnäckigkeit – die denn endlich bare Contenance wird.[150]

HERR VON WALLENFELD. Weiter! –

HERR VON POSERT. Ich gehe jetzt von hier weg in die Bäder; da braucht unser eins witzige, galante, tournirte, feste Leute. Hier – seid Ihr fertig. Wenn Ihr mitgehen und anderwärts statt des Aron eintreten wollt –

HERR VON WALLENFELD. Als Kroupier? Infame Proposition! Geht von ihm.

HERR VON POSERT hustet. Bettelngehen ist schlechter. Trinkt.

HERR VON WALLENFELD. Wenigstens bei Eures Gleichen betteln.

HERR VON POSERT. So wollte ich Euch gehörig instruiren – zur Vorsicht – versteht mich – nur zur Vorsicht – gegen reiche kecke Leute; denn bei mir Steht auf. geht sonst alles klar und bar zu; und wollte Euch, Hustet. Euch wollte ich, ohne daß ihr Euch um den Schaden oder Verlust der Bank nur im mindesten was zu bekümmern hättet, alle Abend um ein Zehntheil interessirt sein lassen. Nun?

HERR VON WALLENFELD. Das ist nichts.

HERR VON POSERT. Ein Zehntheil? Ei du mein Gott! Mir ist es nur darum, daß ich manchmal, wenn's nicht stark besetzt ist, so um zwölf Uhr zur Ruhe gehen kann. Denn ich habe doch in der Welt was redliches gearbeitet, und es wohl verdient, daß ich nun Hustet. mein Leben genösse! he?

HERR VON WALLENFELD. Genießt es, und laßt mich betteln.

HERR VON POSERT. Nun, und die Frau, die ist ein liebes junges Weibchen, die setzen wir so zu ihrem Amüsement mit einem Strickzeug an die Bank – hin –

HERR VON WALLENFELD. Schweig –

HERR VON POSERT. Zum Zusehen.

HERR VON WALLENFELD. Und gesehen zu werden? Wie tief bin ich gefallen, daß ich das anhöre! Fort![151]

HERR VON POSERT. Schatz, du steigst in der Welt einmal nicht mehr. Sieht nach der Uhr. Kalt. Dir ist der Hals gebrochen. Hustet.

HERR VON WALLENFELD. Ich fühle es.

HERR VON POSERT. Enterbt bist du, schuldig auch. Leben muß du, und hast nichts. Die Schuldner lassen dich einsetzen. Die Frau bleibt freilich ledig, die nimmt man nicht gefangen: wenigstens thut es die Justiz nicht; wohl aber der Mangel. Denn der Mangel macht ein Kartätschenfeuer in die tugendhaften Grundsätze, daß sie rottenweise hingestreckt da liegen. Hustet. Ei, da ist's ja doch profitabel, Kroupier zu sein und sicher. Nun?

HERR VON WALLENFELD. Hört! Ihr seid fürchterlich. Kein Bußprediger hätte fürchterlicher in mich hinein reden können, als diese Eure christliche Liebe. Ich danke Euch wahrhaftig dafür.

HERR VON POSERT. Ich verstehe Euch nicht. Hustet. Geht Ihr mit, so erlasse ich Euch die Schuld, und ist Euch mit ein hundert Louisd'ors gedient, so könnt Ihr sie haben. Aber morgen gingen wir schon zusammen fort. Geht Ihr nicht mit, und zahlt auch nicht, Gähnt. so beschimpfe ich Euch.

HERR VON WALLENFELD. Ich habe so viel an Euch verloren.

HERR VON POSERT. Ich hätte auch an Euch verlieren können.

HERR VON WALLENFELD. Sagt mir – daure ich Euch?

HERR VON POSERT ruhig. Ach nein! Seht – beim Spiel muß keine Passion sein. Gewonnen, verloren, verloren, gewonnen: all eins. Abgenutzte Karten zu Livrets – ausgesogene Pointeurs zu Valets.

HERR VON WALLENFELD. Aber der Mensch – wenn er einmal einen Makel hat, behält ihn für immer.

HERR VON POSERT. Die Karte unter den Tisch, der Mensch unter[152] das Getümmel! Frisch gedeckt, andre Karten, andre Menschen! Hustet. Geht Ihr mit mir?

HERR VON WALLENFELD. Nimmermehr. Ich bleibe hier und halte aus.

HERR VON POSERT. Das Gefängniß?

HERR VON WALLENFELD. Das Gefängniß –

HERR VON POSERT. Die Schande?

HERR VON WALLENFELD. Ueberwinde ich mit der Ehre, Euer Anerbieten ausgeschlagen zu haben.

HERR VON POSERT. Das soll eine Ehre sein, daß man sein Habe und Gut verspielt, und fremdes nicht gewinnen will. Hustet. Nun – überlegt es bis zwei Uhr. Ich will ein bischen ruhen. Der gestrige Fischzug war gut. Hustet. Bei Simoni ist großes Diner. Es ist ein Oberpfarrers-Sohn angekommen, hat eine reiche Erbschaft hier gehoben. Wollt Ihr ein Drittel von Papa's schwarzem Mantel, so kommt hin. Der Kerl ist dumm wie eine Latte. Geht ab.

HERR VON WALLENFELD. Nein, nein! in Ewigkeit nicht! Keine Karte mehr –


Quelle:
August Wilhelm Iffland: Theater. Band 3, Wien 1843, S. 146-153.
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