Zweiter Auftritt.

[135] Hofrath. Frau von Wallenfeld.


HOFRATH. Liebe Cousine –

FRAU VON WALLENFELD. Herr von Fernau, es befremdet mich, daß Sie sich zu uns wagen.

HOFRATH. Ist nicht Wallenfeld's Geburtstag heute?

FRAU VON WALLENFELD. Wer in der Familie gedenkt des Tages ohne Verwünschungen über mich?

HOFRATH. Sie kennen den alten Onkel nicht. Er hat Stolz, es ist wahr, er ist eigensinnig – aber er ist großmüthig; ich kann Sie davon überzeugen.

FRAU VON WALLENFELD. Mein armer Mann ist auf's Aeußerste gebracht!

HOFRATH. Das rasende Spiel!

FRAU VON WALLENFELD geht vor und sieht den Brief liegen. Was ist das? Herr von Fernau – Sie hat den Brief genommen und wundert sich.

HOFRATH. Wenn Sie meine Freundschaft zu erkennen würdigen – kein Wort über den Inhalt dieses Briefes.

FRAU VON WALLENFELD. Kein Wort? – also geht er ungelesen zurück.

HOFRATH. Sie demüthigen mich, wenn Sie diesen geringen Beitrag nicht annehmen. Könnte ich selbst nur mehr, oder vermöchte ich jetzt schon mehr über den Onkel!

FRAU VON WALLENFELD. Sie kennen mich nicht, Gibt ihn zurück. Herr von Fernau.[135]

HOFRATH. Doch – doch, vortreffliche Frau. Aber – Sie – kennen Ihr Unglück nicht.

FRAU VON WALLENFELD. Soll das ein Glückwunsch zu meines Mannes Geburtstage sein?

HOFRATH. Kann ich so viel Tugend und Edelmuth gleichgiltig zu Grunde gehen sehen?

FRAU VON WALLENFELD. Lassen Sie uns davon abbrechen.

HOFRATH. Was soll aus Ihnen werden?

FRAU VON WALLENFELD. Ich bin darüber nicht in Verlegenheit.

HOFRATH. Aus Ihrem Kinde?

FRAU VON WALLENFELD wendet das Gesicht.

HOFRATH. Aus Ihrem Manne selbst?

FRAU VON WALLENFELD trocknet sich die Augen.

HOFRATH. Von seinem Onkel enterbt – in der elendesten Gesellschaft, überall schuldig – verspielt er täglich große Summen, ohne daß er denkt –

FRAU VON WALLENFELD. Ich bitte Sie, hören Sie auf. Niemals kann ich vergessen, daß die Treue, womit mein Mann mir sein Wort hielt, sein Unglück ward. Von seinem Onkel enterbt, weil ich arm und eine Bürgerstochter bin –

HOFRATH. Blieben ihm noch zehntausend Thaler; damit hätte er reichlich –

FRAU VON WALLENFELD. Damit hätten wir glücklich sein können, es ist wahr. Er hat auch manches unternommen, Stellen und Verbindungen gesucht. Aber hat nicht seines Onkels Haß und Verfolgung ihm jeden Weg verschlossen? Verzweiflung, Gewinnsucht machte ihn zum Spieler. Er ist unglücklich. Ziemt es mir mit Vorwürfen sein Unglück zu vergrößern?

HOFRATH. Aber – Sie zwingen mich zu sagen, was freilich[136] leichter ist, ungesagt zu lassen – Sie müssen am Ende doch leben!

FRAU VON WALLENFELD. Aber auch nur leben. So oder anders, mir gilt das gleich. Muth zu leben habe ich wahrlich.

HOFRATH. Aber – lieber Gott! wo?

FRAU VON WALLENFELD. Gleichviel –

HOFRATH. Hier – weiß ich nicht – hier –

FRAU VON WALLENFELD. Lieber wo anders.

HOFRATH. Ich möchte freilich rathen, daß Ihr Mann noch einen Versuch bei dem Onkel machte. Glauben Sie nicht, daß er es thun wird?

FRAU VON WALLENFELD. Ich vermuthe es fast.

HOFRATH verlegen. Wirklich! – Sie können nicht glauben, wie es mich in Verlegenheit setzt, daß ich – eben ich, von dem Onkel so begünstigt werde.

FRAU VON WALLENFELD. Sie sind nach meinem Mann der nächste Erbe.

HOFRATH. Auch ist er in mich gedrungen, die Heirath mit der Comtesse Bildau, die Ihrem Manne bestimmt war, zu schließen. Ich habe also nachgegeben. – Sagen Sie es doch Ihrem Manne, daß ich mit ihr verlobt werde.

FRAU VON WALLENFELD. Sein Sie glücklich, ich wünsche es aufrichtig.

HOFRATH. O daran ist nicht zu zweifeln. Alles stimmt zusammen – Ihr Onkel und der Kriegsminister, der alte General Bildau. Der Herr war sonst Ihrem Manne recht gut: wird er nicht einmal zu dem hingehen?

FRAU VON WALLENFELD. Weshalb?

HOFRATH. Er war ein Freund seines Vaters – er ist reich – sehr reich.[137]

FRAU VON WALLENFELD. Sollte er dort Almosen fordern?

HOFRATH. Was denken Sie? Nein! Ein Kavalier hilft dem andern.

FRAU VON WALLENFELD. Ein Mensch hilft dem andern! Mein Muth ruht auf Menschlichkeit überhaupt.


Quelle:
August Wilhelm Iffland: Theater. Band 3, Wien 1843, S. 135-138.
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