Neunter Auftritt

[22] Oberförster und Friedrike.


OBERFÖRSTER halb vor sich, und ärgerlich, indem sie geht. Daß dich das –

FRIEDRIKE. In vier langen Jahren habe ich Sie nicht gesehen und finde Sie, gottlob, frisch und gesund. Meine Hebe alte Mutter, die –

OBERFÖRSTER herausplatzend. Die spricht noch immer – die – –

FRIEDRIKE ihn besänftigen wollend. Haben Sie mich noch so lieb wie sonst?

OBERFÖRSTER. Hm![22]

FRIEDRIKE. Wie?

OBERFÖRSTER. Das war eine rechte – – Stadtfrage – die!

FRIEDRIKE. Sie sind böse und –

OBERFÖRSTER. Riekchen, frag doch nicht so albern – Gemäßigt. so wunderlich.

FRIEDRIKE. Aber –

OBERFÖRSTER. Wenn ich böse bin, so mag ich anders aussehen wie jetzt. Wenn ich böse wäre, so könnte ich dich nicht leiden – und ich habe mich auf dich gefreuet – daß du es nur weißt.

FRIEDRIKE. Haben Sie?

OBERFÖRSTER. Das hörst du ja. Heftig. Aber wie kann ich denn dazu kommen, daß ich mich freue? Wenn das Weib anfängt zu sprechen – dann ist alles aus – dann –

FRIEDRIKE. Rechnen Sie ihr das nicht an – sie liebt mich – ich kam so plötzlich – es ist nun einmal ihre Art so. –

OBERFÖRSTER. Wetter noch einmal! – Das ärgert mich eben – das –! – – Wie lange bist du gefahren?

FRIEDRIKE. Fünfzehn Stunden.

OBERFÖRSTER. Mit Madam Schmidt?

FRIEDRIKE. Ja. – Was macht Vetter Anton?

OBERFÖRSTER. Alles Gutes.

FRIEDRIKE. Er ist auf der Jagd?

OBERFÖRSTER. Ja.

FRIEDRIKE. Wohl schon seit gestern?

OBERFÖRSTER. Hast du Schulden gemacht in der Stadt?

FRIEDRIKE. Schulden? – Lieber Vater ––ein Mädchen – ich?

OBERFÖRSTER. Nun, nun – wer weiß? Das Wesen an euch kostet viel – und – und –

FRIEDRIKE. Ich habe mich immer nach meiner Lage gerichtet und nie vergessen, daß ich ohne Ihre Vatergüte nicht leben könnte – –

OBERFÖRSTER. Wieviel hat dir die Alte monatlich geschickt?

FRIEDRIKE. O lieber Vater, nie kann ich ihr verdanken, was sie mehr als Mutter an mir getan hat.

OBERFÖRSTER schon vorher, um die Art – Wie? – verlegen. Da – nimm das.

FRIEDRIKE. Wie? Ich –

OBERFÖRSTER. Nun, so nimm's, in Kuckucks Namen![23]

FRIEDRIKE. In dem Augenblick – Kaum so viel Gutes empfangen – und nun schon – –

OBERFÖRSTER. Ich gebe von Herzen, oder ich laß es bleiben. – Nun zierst du dich doch, als –

FRIEDRIKE. O wenn Sie das glauben? So – –

OBERFÖRSTER. Nein – nun nicht. Es ist wenig – es ist, was ich bei mir habe und entbehren kann. Ich dachte dir Freude zu machen – – –

FRIEDRIKE. Bester Vater!

OBERFÖRSTER. Nun aber wäre es grade so, als wenn ich einen Konto abfertigte und dein Knix sagte: Zu Danke bezahlt. – Ein andermal – ein andermal.

FRIEDRIKE. Eine Freude, die ich mir ausgedacht hatte, ist mir auch verdorben, weil der Postknecht von der letzten Station so langsam fuhr. Ich wollte recht früh kommen – ich wollte vor Ihrer Tür warten, und wenn Sie »Matthes!« gerufen hätten, so wäre ich gekommen und hätte Ihnen das Frühstück gebracht.

OBERFÖRSTER. Hast du das gewollt? – Laß dich küssen, Mädchen. – Der dumme Postillon! Ja das war hübsch ausgedacht. Ich mag so was wohl leiden. So was ist dir immer recht gut geraten. – Esel von einem Fuhrmann – der! – Hm! Du hast es doch immer recht gut mit mir gemeint. Aber ich habe mich auch auf dich gefreuet wie auf meine wirkliche Tochter. – Sieh, ich fange an, stumpf zu werden – der Junge ist toll und wild und macht mich manchmal recht grämlich – meine Alte, die kann auch nicht mehr so fort wie wohl ehedem – – und dann – – Nun – Gott sei Dank, daß du wieder da bist! Nun kannst du mir wieder was vorlesen, oder wir gehen spazieren – du erzählst mir was aus der Stadt, singst mir was vor – so geht allgemach die Zeit gut hin – bis es einmal bricht.

FRIEDRIKE ihm um den Hals fallend. O daß ich es nie erlebte! Nie, nie, niemals –

OBERFÖRSTER. Haha! Bist nicht klug, Mädchen. – Einmal müssen wir alle dran.


Quelle:
August Wilhelm Iffland: Die Jäger. Stuttgart 1976, S. 22-24.
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