Siebenter Auftritt.

[199] Baronesse. Leopoldine.


LEOPOLDINE. Ach, meine Mutter weint – weint um ihr Kind!

BARONESSE. Ja, liebes Kind! ich muß die Schwachheit nur gestehen. Sie hält das Tuch vor. Es gibt der Augenblicke, wo auch der Weiseste – Sie trocknet die Augen. Hierauf sehr ernst. N'en parlons plus! – Genug, daß auch ein König die Gefühle seines Herzens nicht ganz unterdrücken kann.

LEOPOLDINE. Ach, das muß niemand können!

BARONESSE. Leopoldine! Du bist jung – du kannst die Welt nicht kennen. Laß deine Mutter hierin walten.

LEOPOLDINE. Recht gern! In diesem Augenblick, wo Ihr Herz so lebhaft spricht –

BARONESSE. Würde es mir eine Thorheit rathen? Glaube mir – ein Herz – ein gutes Herz – ein sogenanntes großes Herz – ist allerdings ein Etwas – darauf wir, bei[199] denen, die wir brauchen, sehr zu sehen haben; und in so weit ist mir's respectable. Allein für uns selbst ist es vocable!

LEOPOLDINE. Mein Gott! Ach! so ist Bardenrode nicht –

BARONESSE. Mich erzürnen die modernen Philosophen. Sie hängen den Schild nicht aus; – allein von innen ist's dasselbe. Wie könnten wir bei den Pflichten unsers Standes unseren Sentiments, bei unserer Ambition, jemals ein Sistem von Festigkeit erlangen, wenn wir den Wallungen des Herzens folgen wollten? Laß also den Haufen alles danach benennen. Was wir zufällig thaten – nenn' er ein gutes Herz! Das Opfer, das wir nicht länger zu vermeiden wußten – ein großes Herz! Allein die Fahne, zu der wir schwören, ist Verstand. – Aus dem Gesichtspunkte wirst du mich begreifen, wirst mir die Sentiments von Zärtlichkeit erhalten, die mich doch gleichwohl öfters konsolirt. Seufzt.

LEOPOLDINE. O mein Herz – mein armes Herz! – Ach, löschen Sie mich auf dem Stammbaume aus!

BARONESSE streng. Vernünftig! – Vernünftig, meine Tochter! Was deine Leidenschaft betrifft – wenn du sie überwindest, so würde mir es wohl gefallen; kannst du es nicht – so wirst du dennoch – dafür sorgen, daß du den Namen der Gräfin Boga mit Décence trägst.

LEOPOLDINE. Nein, nein! – Aus Ihrem Herzen kam das nicht. Sie glaubten zu meinem Trost den Mittelweg zu finden – und in der Angst – Nein, Mutter! Habe ich dem Onkel meine Pflicht gelobt, so ist sie mir auch heilig.

BARONESSE. Nun, so entschließe dich.

LEOPOLDINE. O Gott! wer rettet mich!


Quelle:
August Wilhelm Iffland: Theater. Band 4, Wien 1843, S. 199-200.
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