Zweiter Auftritt.

[8] Oberkommissär Ahlden. Sekretär Ahlden, sein Sohn.


OBERKOMMISSÄR. Guten Morgen, mein Sohn!

SEKRETÄR. Herzlichen Dank, mein lieber guter Vater.

OBERKOMMISSÄR. Ich glaube, du sprachst mit dir selber? he! – Ja, du hast mit dir selbst gesprochen. Das mußt du nicht thun.

SEKRETÄR. Es wäre – ich weiß nicht –

OBERKOMMISSÄR. Ja die Leute wissen es zuletzt nicht mehr, das ist schon so. – Es ist eine böse, böse Gewohnheit. Du[8] weißt, ich habe es an unserer seligen Muhme nie leiden können. – Apropos – ehe ich eins in's andere rede – da bringe ich dir deine Defension zurück. – Ist dir mit Gottes Hilfe recht brav gerathen. Recht brav! – Es ist Leben darin. Keine Kniffe, kein Geschwätz – Herz und Leben! Das heißt seiner Partei dienen: dafür wird dich auch Gott segnen, mein Karl!

SEKRETÄR. Wenn Sie wüßten, wie Ihr Lob auf mich wirkt, mich bestimmt! Es gibt mir Unternehmungsgeist, Ausdauer –

OBERKOMMISSÄR. Hm! – Soll mir lieb sein! Aber höre – laß doch die neumodischen Wörter aus deiner Arbeit weg. Zeig' einmal her, Suchend. hr – brr – hm – hn – – Ja! da – Bestimmung – Drang der Verhältnisse – Leidenschaft – he! was haben die Leidenschaften in einer Defension zu thun?

SEKRETÄR. Die Leidenschaften aber doch so vieles mit den Menschen.

OBERKOMMISSÄR. Alle gut – alle gut – aber du weißt, die hohen Herren lassen es nicht passiren.

SEKRETÄR. Sollte nicht jeder thun was an ihm ist, daß der Mensch nach der Sache gerichtet würde, nicht nach dem todten Buchstaben?

OBERKOMMISSÄR. Nun, ich kann es nicht geradezu tadeln, daß du dir einen eigenen Stylum gewählt hast, mein Sohn. – Ihr möcht freilich Anno achtundneunzig wohl anders schreiben, als wir Anno fünfzig; weil denn aber doch noch so viele von Anno fünfzig da sind – so richte es allemal so ein, daß die es auch verstehen. – So viel davon. Warum ich eigentlich zu dir komme –[9]

SEKRETÄR. Das wäre –

OBERKOMMISSÄR. Der Bergrath Wohlzahn reiset die kommende Woche auf das Gut. Ich habe vorläufig mit ihm gesprochen. – Es wird alles gut gehen. – Du kannst dich produziren, dann deine Sache wegen seiner Tochter anbringen.

SEKRETÄR. Aber, mein Vater – warum –

OBERKOMMISSÄR. Warum? – weil sie deine Frau werden soll. Ich muß dich versorgt sehen, ehe ich die Augen schließe. Und – Karl, Karl, ich traue nicht! Ich traue meiner Maladie nicht. Krieg' ich noch einmal so eine Attaque – so bin ich da gewesen.

SEKRETÄR. Gott behüte! wie können Sie denken, daß so eine unbed –

OBERKOMMISSÄR. Unbedeutend? Nein, nein, ich werde gewaltig stumpf! Kein Wunder; die Strapazen in den Kriegsjahren, – der Chagrin und – nun wie es Gottes Wille ist! – Aber, wenn ich von dem Malaga, den ich im Keller habe, auf deiner Hochzeit noch mittrinken soll – so mach' fort. Sonst bleibt er dir stehen bis zu meinem Begräbniß.

SEKRETÄR. Ich kann Ihrer herzlichen Güte nicht Verstellung entgegen setzen. Auch hätte ich Ihnen schon heute eine Entdeckung gemacht, wären Sie nicht durch Ihren Antrag mir zuvor gekommen. – Ich – zürnen Sie nicht, gütiger Mann –

OBERKOMMISSÄR. Nun –

SEKRETÄR. Ich kann die Wohlzahn nie heirathen.

OBERKOMMISSÄR. Das begreif' ich nicht. Das Mädchen ist hübsch, brav, jung, reich. Du heirathest in eine gute Familie, kriegst Freunde, Konnexionen; kannst eine Karriere[10] machen – Konstellation ist gut. Was fehlt noch? – Warum willst du nicht? he! – Oder liebst du eine andere?

SEKRETÄR mit bescheidener Festigkeit. Ja, mein Vater.

OBERKOMMISSÄR. Hm! hm! Mit unterdrücktem Mißvergnügen. Hm, hm, das ist mir nicht lieb. Nach einigem umhergehen nicht mehr an sich halten könnend. Das ist dumm – recht dumm!

SEKRETÄR. Nur durch sie kann ich glücklich werden, oder niemals.

OBERKOMMISSÄR. Glücklich werden? Das ist's eben. Heftig. Gesehen, geliebt, und – glücklich sein, das ist bei euch eins. Halb besänftigt. Wer ist sie?

SEKRETÄR. Die junge Ruhberg.

OBERKOMMISSÄR heftig. Die Tochter vom Rentmeister?

SEKRETÄR mit Bitte. Die nämliche.

OBERKOMMISSÄR nach einigem Besinnen, kalt. Das ist nichts für dich!

SEKRETÄR. Aber warum –

OBERKOMMISSÄR sehr fest. Das ist nichts für dich!

SEKRETÄR. Warum wollen Sie diese herrliche Partie verwerfen, ohne mir Gründe zu sagen? denn –

OBERKOMMISSÄR. Meine Gründe? Vor der Hand sind es folgende: Es kann nicht sein – es soll nicht sein, ich will's nicht haben. Nach den andern Gründen thue der Herr Sohn in einem halben Jahre weitere Nachfrage. Ich rede nicht gerne vernünftige Dinge in den Wind. Geht heftig umher, und braucht ohne sein Wissen viel Tabak.

SEKRETÄR. Ich gehorche willig jedem väterlichen Befehl –

OBERKOMMISSÄR. Versteht sich.

SEKRETÄR. Aber wenn sie auf Kosten meines Glückes –[11]

OBERKOMMISSÄR rasch stehen bleibend. Auf Kosten deines Glücks? – Höre, mein Sohn, wenn wir beide von dem Mädchen reden, welches deine Frau werden soll – so magst du sagen: – die, oder die Larve gefällt mir am besten. Wenn aber die Larve vorher bei dir gesprochen hat, so muß ich es besser als du wissen – welche dich glücklich machen kann. – Die Ruhberg wird meine Schwiegertochter nicht! Will fort.

SEKRETÄR. Lieber Vater, keinem Mädchen sind die Pflichten der Tochter so heilig als ihr: bürgt das nicht, daß sie eine treffliche Gattin sein wird?

OBERKOMMISSÄR. Höre mich an.

SEKRETÄR. Ich wünsche eine Frau, die durch Sorgfalt und Liebe Ihr Alter verjüngen kann; diese wird es, mein guter Vater!

OBERKOMMISSÄR. Das ist Bestechung. Bleib' bei der Stange; laß mich aus dem Spiel. Von dir ist die Rede. Das Mädchen ist brav. Aber die Konstellation ist nicht günstig.

SEKRETÄR. Warum das nicht?

OBERKOMMISSÄR. Wenn du bleibst, was du bist – bist du nicht viel – du mußt weiter. Da brauchst du Konnexionen, mußt Vermögen erheirathen, sonst plackst du dich wie ein armer Sünder, und machst keine Karriere. Ich bin von Betrügern zu Grunde gerichtet, habe kein Vermögen, kann dir nichts nachlassen, als ein schuldenfreies Haus und einen guten Namen, das weißt du. Ruhbergs sind herunter gekommen. Das Mädchen? Groß erzogen. Die Mutter? Eine Närrin. Der Bruder? Oben hinaus und nirgend an! Ein saub'res Früchtchen; ein Windbeutel; ein Bursche, der mit Avanturieurs herumschlendert; ein Spieler![12]

SEKRETÄR. Aber doch ein guter geschickter Mann, der, wenn er sich bessert, durch sein Genie – –

OBERKOMMISSÄR. Der Junge hat seiner Mutter weiß gemacht: – das Fräulein, das vor ein paar Jahren von Danzig hieher zog? Fräulein von –

SEKRETÄR. Kanenstein?

OBERKOMMISSÄR. Ganz recht – die wollte ihn heirathen. Weil nun die Frau von Adel ist, und der Hochmuthsteufel in sie gefahren ist, so glaubt sie es; bringt ihren bürgerlichen guten Mann um Kredit, Haus und Hof, um wieder so eine Zwittermariage zusammen zu bringen. Sie sind schon Stadtgespräch. Was kommt da heraus? Der Bettelstab! An wen werden sie sich wenden? An dich! Das sind deine Aussichten.

SEKRETÄR. Dagegen könnte ich mich sicher stellen. Auch sind auf den Fall meine Maßregeln –

OBERKOMMISSÄR gleichsam zutraulich. Höre, nimm Raison an; aus der Mariage darf nichts werden. Geh' du zu dem Herrn Bergrath und bring dein Gesuch wegen seiner Mamsell Tochter an.

SEKRETÄR. Ich unterdrücke die Sprache der Leidenschaft gewaltsam, aber halten Sie mich nicht für so kalt – dieser Wohlzahn gegen mich noch zu erwähnen. Ich kann nicht. Sie fordern zu viel. Es ist über meine Kräfte in diesem Fall, auf Kosten des bessern Gefühls, der Konvenienz zu fröhnen.

OBERKOMMISSÄR. So recht, bist auf gutem Wege. Wenn die Vernunft ihr Recht behaupten will, vertreibt man sie mit Deklamation.

SEKRETÄR. Verzeihen Sie meiner Heftigkeit. – Ach alles, was ich nicht bin, könnte der Verlust des Mädchens[13] aus mir machen. Ergreift seines Vaters Hand. Ich darf nichta ohne Einwilligung, diese väterliche Hand –

OBERKOMMISSÄR. Wozu expostulirst du meine Einwilligung, wenn du gesonnen bist, nach deinem Kopfe zu handeln? – Mit einiger Rührung. Je nun – der alte Vater muß sich's ja wohl gefallen lassen. Wenn du unglücklich bist – dann ist's ja für den früh genug, an der Postille die Augen zu verweinen. Geht fort.

SEKRETÄR sehr rasch. Und ich gab ihr mein Wort!

OBERKOMMISSÄR bleibt oben stehen. Was?

SEKRETÄR. Meinetwegen hat sie Aussichten entsagt, Partien abgewiesen. Ich gab ihr mein Wort als ein ehrliche Mann.

OBERKOMMISSÄR etwas näher kommend. Ist das wahr?

SEKRETÄR. O Gott! mit den heiligsten Schwüren, die –

OBERKOMMISSÄR. Hast du mit kalter Ueberlegung dein Wort gegeben, ihr Mann zu werden?

SEKRETÄR. Allerdings.

OBERKOMMISSÄR. Hm, hm, das ist etwas anders: Zu ihm kommend. so mußt du sie heirathen.

SEKRETÄR. O lassen Sie den Ausbruch –

OBERKOMMISSÄR. – Ob es mir gleich durch alle Glieder fährt, – daß es so sein muß.

SEKRETÄR. Wie soll ich Ihnen danken? Worte vermögen nicht das Uebermaß meines Gefühls auszudrücken. Können Sie nicht in meinem Herzen lesen, so –

OBERKOMMISSÄR. Ja, ja. Gott gebe Glück und Segen! – Glück und Segen! – Aber ich wollte – Nu, nu – es wird ja schon werden.[14]

SEKRETÄR. O wie oft, mein Vater – wie oft werden Sie noch den Augenblick dieser Einwilligung segnen.

OBERKOMMISSÄR. Es mag sein. Aber nimm mir es nicht übel – freuen kann ich mich nicht so recht. Ich hatte so diese und jene Aussichten. Die sind nun – – Ja es ist bald Zeit – Versäume die Kanzlei nicht. Apropos – ich habe ohnehin heute Kassenabnahme bei dem alten Herrn Ruhberg, dann will ich von der Sache reden. Ich werde dir spät nachkommen – ich werfe mich ein wenig wieder auf das Bett, – denn die neue Mariage ist mir in alle Glieder gefahren. Ab.


Quelle:
August Wilhelm Iffland: Theater. Band 2, Wien 1843, S. 8-15.
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