Dreizehnter Auftritt.

[104] Ruhberg Vater. Ruhberg Sohn.


RUHBERG VATER kommt sehr langsam herunter.

RUHBERG DER SOHN sieht zur Erde nieder, und stürzt dann zu seinen Füßen. Erbarmen – Vergebung!

RUHBERG VATER. Steh' auf – sieh mich an.

RUHBERG DER SOHN wendet sich weg.

RUHBERG VATER. Sieh mir in's Gesicht!

RUHBERG DER SOHN hebt den Kopf furchtsam auf, und läßt ihn gleich wieder sinken.

RUHBERG VATER. Du kannst mich nicht ansehen – sieh, so wird von nun an das Gesicht jedes ehrlichen Mannes dich blenden.

RUHBERG DER SOHN. O Gott!

RUHBERG VATER. Gräßlich bist du mit mir umgegangen – alle Freuden der Welt vermögen nicht, mir die Lebenskraft wieder zu geben – die du heut von mir genommen hast.

RUHBERG DER SOHN. Weh über mich!

RUHBERG VATER. Für meine Angst an deinem Krankenbette,[104] für durchweinte Nächte, für jede Entsagung, für frühe graue Haare – für alle Vatersorgen – hättest du mich heute belohnen können, dann stände ich hier vor dir, und freuete mich meines glücklichen Alters meines gehorsamen Sohnes – Nun stehe ich hier vor dir, mißhandelt von deiner Ueppigkeit, und jammere über ein dürftiges, schändliches Alter.

RUHBERG DER SOHN. Wahr – Schrecklich wahr! Verstoßen Sie das Ungeheuer, das für alle Ihre Liebe mit Undank und Laster Ihnen lohnte. Verfluchen Sie mich!

RUHBERG VATER. Denkst du das von mir – Unglückliches Geschöpf? – Nein, ich fluche dir nicht! – Wahrlich, du bist unglücklicher als ich. Jetzt leide ich, und leide sehr viel; – aber das wird bald aus sein. Ein Hügel kühler Erde über mich, und mein Elend ist vorbei – mein Andenken verloschen.

RUHBERG DER SOHN einen Ausruf des Schmerzens.

RUHBERG VATER. Aber du lebst – du sollst leben – und deine Kräfte sind gelähmt; du bist uneins mit dir, die Menschen wirst du hassen, sie werden dich meiden, ewig wirst du Frieden suchen – und nimmer finden. In fernen Landen, weit von dem Grabe deines Vaters wird die Thräne der Verzweiflung auf dürren Boden fallen, niemand wird ihrer achten. Geängstet vom Vergangenen – gequält vom Gegenwärtigen – wird eine kalte fremde Hand deine Augen schließen – Wahrlich, du bist ein unglückliches Geschöpf!

RUHBERG DER SOHN. O mein Vater – mein Vater!

RUHBERG VATER. Nenne mich nicht so, Unglücklicher! – vor wenig Stunden wäre mir es nicht um ein Königreich feil gewesen, daß ich sagen könnte: – »ich bin Vater dieses Sohnes.« Aber du hast ihn ja von mir genommen diesen Namen. Geh' hinaus in die Welt, und sei glücklich! – Wir sprechen uns zum letzten Male.[105]

RUHBERG DER SOHN. Zum letzten Male?

RUHBERG VATER. – Zum letzten Male! – ich werde dich umarmen, dich segnen – du gehst – und mein Sohn ist gestorben.

RUHBERG DER SOHN. Ich soll Sie nicht wieder sehen?

RUHBERG VATER. – Auf der Welt nicht mehr.

RUHBERG DER SOHN. Ich soll Sie der Schande aussetzen, als ein feiger Bösewicht ein elendes Leben davon tragen?

RUHBERG VATER. Wenn dir mein letzter Wille heilig ist!

RUHBERG DER SOHN. Sie in Ketten, mein unschuldiger Vater in Ketten! in Ketten der Schande, die ihm sein Sohn –

RUHBERG VATER. Ich will es so! Es ist die Bedingung meiner Verzeihung. – Deine Sachen sind gepackt. Nimm die Post, in zwölf Stunden bist du über die Gränze. Hier nimm dies Geld – es ist mein letztes – und nun geh' – komm nie wieder hieher, – Sei meinetwegen unbesorgt! Der König ist gnädig – ist mir immer gnädig gewesen, er wird mich schonen.

RUHBERG DER SOHN. Ich kann nicht – ich kann nicht –

RUHBERG VATER. Alle Freude, die mir Gott bestimmt hatte – gewähre er dir. Wenn du jetzt von mir gehst sehen wir uns nicht wieder – es sind die letzten Worte deines Vaters – ehre sie!

RUHBERG DER SOHN. Sie sind mir heilig!

RUHBERG VATER. Du gehst in Verzweiflung von mir. Dein wartet vielleicht ein elendes Leben. Lege deine Hand nicht an dich selbst. Versprich mir das – Ruhberg Sohn wendet sich weg. Unglücklicher, versprich es!

RUHBERG DER SOHN. Ich verspreche es.

RUHBERG VATER. Und so müsse dich Gott in deiner letzten Stunde verlassen, wo du nicht hältst was du versprachst. Ich[106] vergebe dir, ich segne dich. Ich drücke dich mit Todesangst an mein Herz. Ich bitte Gott, daß er dein Vater sei, wenn ich nicht mehr bin, daß er – daß Er wird ohnmächtig.

RUHBERG DER SOHN. Vater, mein Vater! – zu Hilfe – um Gottes willen zu Hilfe! –


Quelle:
August Wilhelm Iffland: Theater. Band 2, Wien 1843, S. 104-107.
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