28. Der alte Fritz und der Student.

[156] Zur Zeit, als der alte Fritz regierte, lebte einmal ein Kaufmann, der hatte nur eine einzige Tochter, und die hatte sich einen Grenadier zum Brautmann genommen. Da kam ein Student, der ein Prediger werden wollte, und hielt bei dem Alten an um das Mädchen, und er sagte sie ihm auch zu. Das machte dem Grenadier grossen Kummer, und als der Tag da war, an dem der Student seine Braut zur Trau[156] führen sollte, musste er noch obendrein Schildwacht stehen. Da nahm er ein Stück Kohle und schrieb an das Schilderhaus: »Zum Verdruss.«

Wie er das geschrieben hatte, es war aber des Morgens um drei oder vier, kam ein Mann des Weges daher, und das war kein anderer, als der alte Fritz; der Grenadier aber erkannte ihn nicht. »Schildwache,« sagte der König, »warum hat er das da an das Schilderhaus geschrieben?« – »Ach, lieber Herr,« gab ihm der Grenadier zur Antwort, »so und so ist's mir ergangen,« und damit erzählte er ihm haarklein, wie alles gekommen war. Zwei Jahre lang wäre das Mädchen seine Braut gewesen; nun habe sie heute Hochzeit mit dem Studenten. »Ja, so geht's in der Welt!« sagte der alte Fritz und ging weiter.

Als der Grenadier abgelöst war vom Posten, sprach der Wachhabende zu ihm: »Was hast du gethan? Du bist zum König befohlen.« – »Du mein Gott, er hat es heraus bekommen, dass ich die Worte an das Schilderhaus geschrieben habe,« dachte der Soldat bei sich, und es ward ihm himmelangst über dem Gedanken, denn es war schwere Strafe darauf gesetzt von dem König; aber lange Zeit blieb ihm nicht übrig zum Besinnen, und ehe er's sich versah, stand er schon vor dem alten Fritz. »Mein Sohn,« sprach der ganz freundlich, »ich bin heute Mittag zu Tische gebeten zu dem Kaufmann, der seine Tochter mit dem Studenten verheiratet, da sollst du mit mir gehen, als meine Ordonnanz.« Dem Grenadier war nicht wohl zu Mute bei diesen Worten; aber der König hatte es befohlen, und er musste gehorchen; doch hätte er sich viel lieber hundert Klafter tief unter die Erde gewünscht.

Um die Mittagszeit gingen sie vom Schlosse herab, der König vorne an und der Grenadier drei Schritt hinter ihm her, wie es sich für eine Ordonnanz gebührt. Als sie bei dem Hause des Kaufmanns angelangt waren, liess sich der König auf dem Stuhle nieder, der obenan gestellt war, und der Grenadier trat hinter ihn. Während des Essens sprach der alte Fritz von diesem und sprach von jenem, endlich fragte er auch den Bräutigam, welche Hantierung er betriebe. »Ich bin ein Student,« sagte er, »und will Prediger werden.« – »Kann er denn aber auch schon einer Pfarre vorstehen?« fragte der alte Fritz. – »Jeder Zeit zu Diensten,« sagte der Bräutigam. – »Kann er denn schon predigen?« fragte der alte Fritz weiter. – »Jeder Zeit zu Diensten,« sagte der Bräutigam. – »Kann er denn auch schon eine Traurede halten?« – »Jederzeit zu Diensten.« – »Nun, das möchte ich wohl einmal hören,« sprach der alte Fritz, »stelle er sich dort auf den Stuhl; mein Grenadier nimmt seine Braut, und er hält die Traurede.« Der Student dachte, der König wolle ihn predigen hören, um ihm hernach eine gute Pfarre zu geben, und eins fix drei hatte er den Talar an und die Beffchen um und hielt eine Traurede.

Als es zum Ringewechseln kam, wollte der Student aufhören. »Nein, immer weiter,« sagte der alte Fritz, und die Ringe wurden[157] gewechselt, und der Student sprach: »Was Gott zusammen gefügt, das soll der Mensch nicht scheiden.« – »Und die Pfaffen auch nicht!« fiel ihm der alte Fritz hastig ins Wort, »Und jetzt ist's genug mit der Predigt. Ihr beide seid Mann und Frau und bleibt's bis an euer seliges Ende.« Den Kaufmann kam das sauer an, aber er musste schweigen, da es der König so befohlen hatte; der aber nahm das Glas und trank dem Grenadier zu das erste Mal als Feldwebel und das zweite Mal als Leutnant und dann gar als Hauptmann. Zu dem Studenten aber sprach er: »Schäme er sich, einem alten Soldaten seine Braut abspenstig zu machen, ehe er eine Pfarre hat, und wenn er eine hat, so soll er's erst recht nicht thun.« Und das war recht von dem alten Fritz, dass er so gesprochen hat. Das Mädchen aber freute sich, dass es statt einer Predigersfrau eine Militärfrau geworden war, und sie lebte noch viele Jahre mit ihrem Manne vergnügt und in Frieden, und wenn sie nicht gestorben sind, so leben sie heute noch.

Quelle:
Ulrich Jahn: Volksmärchen aus Pommern und Rügen l, Norden/Leipzig 1891, S. 156-158.
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