9. Auftritt.

[60] Vorige. Zriny Juranitsch.


ZRINY.

Mein teures Weib! Mein Kind!

EVA UND HELENE.

Willkommen, Vater!

JURANITSCH.

Helene![60]

HELENE.

Juranitsch! So finden wir uns hier?

EVA.

Ihr habt gesiegt, der Sturm ist abgeschlagen,

Den sie in trunkner Raserei gewagt?

ZRINY.

Diesmal war's Ernst. Solch ungeheuer Blutbad

Hab' ich in allen Schlachten nie gesehn.

Dem Lorenz dank' ich 's Leben.

JURANITSCH.

Ich dir auch!

Es hielt dein Schild des Türken Streiche auf,

Die rachedurstig meinem Haupte galten,

Als ich den Janitscharen niederstieß,

Den Bluthund, der auf dich schon angeschlagen.

EVA.

So hatten sie die Mauern schon erklimmt?

ZRINY.

In trunknem Taumel stürmten sie die Wälle,

Und mancher Waghals schwang sich kühn herauf

Und pflanzte schon den Roßschweif auf die Zinne;

Da rief ich schäumend meine Ungarn an

Und warf wich wütend unter die Barbaren;

Wir stürzten sie hinab, und Tausende

Zerschmetterten am Felsen ihre Glieder.

Ein Fürst des Heeres fiel, die Türken flohen,

Wir sandten unsre letzten Donner nach

Und jauchzten Gott den Siegesdank entgegen!

JURANITSCH.

Der Sieg ist unser, aber schwer erkauft!

Der Edlen viele zahlten mit dem Leben.

ZRINY.

Heut oder morgen, Sohn! Sie starben doch

Im Jubelrausch des vaterländ'schen Sieges.

Beneide sie! die Klage wäre Sünde.

JURANITSCH.

Den schönsten Tod sah ich den Batha sterben.

Der alte Held war, ganz erschöpft vom Kampf,

Ins Knie gesunken, eine türk'sche Lanze

Hatt' ihm die rechte Achsel schmer verletzt;

So lag er da und wehrte des Verbandes

Und schaute seines Blutes Rieseln zu.

Da riefst du, Zriny, neuen Sturms gewärtig,

Und eh ich mir den Helm aufs Haupt geworfen

Und kampfgerüstet nach dem Säbel griff,

Sah ich ein paar verwegne Janitscharen,

Die mit dem Roßschweif in verfluchter Hand

Sich auf des Walles Mauern schon geschwungen;

Rasch spring' ich auf sie los; doch Batha war,

Der greise Held, schon vor mir, packte sie

Mit beiden Fäusten an der Brust und stürzt sich

Den Wall hinab und reißt sie mit hinunter.

ZRINY.

Ein solcher Tod ist tausend Leben wert! –

Nun, Herr und Gott, du wirst mich nicht vergessen![61]

EVA.

Wie lange noch kannst du dich halten?

ZRINY.

Weib,

Du fragtest nie mich um ein schlimmer Wort!

HELENE.

O sag's uns frei: wie lange noch?

ZRINY.

Bis morgen.

HELENE.

Gott! Morgen schon? Mein Juranitsch!

JURANITSCH.

Helene!

Wo ist der Mut, den du mir zugesagt?

ZRINY.

Ich hab' in diesen Tagen viel verloren,

Nur noch sechshundert zählt sich meine Schar.

Der Hunger wühlt schon unter unsern Brüdern,

Der ganze Vorrat ist in Feindes Hand,

Er ging uns mit der Altstadt längst verloren;

Zwei Stück Geschütz befehl' ich hier, mehr nicht,

Die Mauern drohen uns den Einsturz, Feuer

Hat schon das alte Schloß ringsum ergriffen;

Denn unaufhörlich schleudert Ali Portuk

Die Brandraketen zündend uns herauf.

Hier in dem neuen Schlosse fehlt's an allem;

Bald, – denn wir halten's keine Stunde mehr, –

Wenn sie noch einmal stürmen, ist das alte

In Feindes Hand, wir sind zurückgeworfen

In diese engen Mauern, können uns

Kaum noch zween Tag' mit Glück verteid'gen, müssen,

Auch wenn der Feind uns nimmer drängen möchte,

Zuletzt verhungern und verbrennen! Nein,

So sterb' ich nicht! Drum fall' ich morgen aus,

Will Bart an Bart und Brust an Brust noch kämpfen;

Tod um mich schmetternd, such' ich mir den Tod!

EVA.

Und wir? Dein Weib und deine Tochter?

ZRINY.

Kinder,

Für euch hab' ich gesorgt. – Tritt näher, Scherenk! –

Der alte Franz hat einen Pfad erkundet:

Ein Kellergang führt hier aus dem Gewölbe

In dunkler Windung bis zum See hinab;

Von da habt ihr nur hundert Schritt zur Waldung.

Und während hier der Türke rasend stürmt,

So eilt ihr ungesehn beim Morgengraun

Auf sicherm Pfad zu eures Kaisers Heer

Und sagt ihm: Zriny sei als Mann gefallen,

Und das erstürmte Sigeth sei sein Grab. –

Befürchtet nichts, 's ist alles gut bereitet;

Der Juranitsch begleitet eure Flucht.

JURANITSCH.

Nein, Graf, das thut er nicht![62]

ZRINY.

Wie, Sohn? Du wolltest

Die Mutter nicht, die Braut dir nicht erretten?

JURANITSCH.

Du hast mich aufgezogen neben dir,

Hast mich gelehrt, des Säbels Wucht zu führen,

Hast Pflicht und Ehre mir ins Herz gegraben,

Hast mir dein Teuerstes, dein Kind, geschenkt,

Und willst mich jetzt zur feigen Schande zwingen?

Willst nicht das Schönste, deinen Heldentod,

Mit deinem Lorenz, deinem Sohne, teilen?

Nein, Vater nein! Das kannst du nicht, bei Gott!

Das darfst du nicht! Ich bin Soldat des Kaisers

Geschworner Hauptmann; wo der Führer fällt,

Darf ich nicht leben!

ZRINY.

Wackrer Held! Und doch,

Doch mußt du fort! Sieh jene Weinende!

's ist deine Braut, sie hat von dir ein Leben

Voll Freudenglanz und Liebesglück zu fordern.

Sohn, du mußt leben und die Schuld bezahlen,

Die du an dieses Herz verpfändet hast.

JURANITSCH.

Zuerst muß ich die größre Schuld bezahlen,

Mit der ich meinem Volk verfallen bin.

Mein Herz, mein Lieben, mein Gefühl und Denken,

Das, süße Braut, ist dein und soll es bleiben;

Doch, was man Leben nennt, die Spanne Zeit,

Die ich auf dieser Erdenwelt veratme,

Das ist des Vaterlandes Eigentum.

Mein Lieben ist ja ewig, drüben kann ich

Dein sein, dein ungestört, dein ganz allein;

Doch dies Gefühl für mein verwandtes Volk,

Es endigt sich mit meinem letzten Kampfe.

Was ich ihm also danke, das muß ich

Noch hier in diesem Leben ihm bezahlen

Und will es auch! – dort find' ich meine Braut

Und darf ihr freudig dann entgegentreten,

Denn keine Schuld ließ ich hier ungetilgt. –

Flieht ohne mich und denkt – seid ihr gerettet –

Im sanften Schmerz der Thränen auch an mich,

Der euch so heiß, so warm geliebt und doch

Den ganzen Traum des Glückes hingeworfen,

Weil es das Wohl des Vaterlandes galt. –

Ihr weint? – Ich kränkte euch? – Ich wollt' es nicht.

Glaub' mir, ich liebe kälter nicht wie du,

Doch eben darum bring' ich dieses Opfer.

Daß ich dem Tod mich weihte, gilt nicht viel,

Mein Leben schlug ich oft schon in die Schanze;[63]

Doch daß ich's that mit diesem Recht an Glück,

An Seligkeit und höchste Erdenwonne,

Das war des Kampfs, das war des Preises wert;

Mein Vaterland sei stolz auf dieses Opfer!

ZRINY.

Du bleibst, mein Juranitsch! Wir gehn vereint,

Der Sohn an seines Vaters Hand, zum Tode! –

Du hältst dich fertig, Scherenk, wähle dir

Noch zween handfeste Knechte aus; sobald

Der Morgen graut, sei zu der Flucht gerüstet.

SCHERENK.

Herr, ich gehorche!

EVA.

Nein, mein teurer Mann!

So tief wirst du dein Weib nicht sinken lassen.

Ich weiche nicht von dir! Ich sterbe mit dir!

An deinem Herzen ist mein Platz, da soll

Des Janitscharen Kugel mich durchbohren.

Glaub' nicht, ich sei zu schwach; gib mir ein Schwert,

Und neben dir will ich als Heldin fallen!

ZRINY.

Und deine Tochter?

EVA.

Liebt sie nicht wie ich?

Liebt sie nicht diesen kühnen Heldenjüngling?

Kann sie nicht sterben? Ist sie nicht mein Kind,

Dein Kind? Und Zriny fragt noch, was sie sollte?

HELENE.

Ja, sei barmherzig, Vater! Dieser Tod,

Dem du mit froher Brust entgegentrittst, –

Kannst du ihn grausam deinem Kind verweigern?

Freut dich's, uns noch durch jahrelange Qual

In jammerndem Verschmachten hinzuwürgen,

Gemartert von der wilden Sehnsucht, euch

Als Sieger bald dort oben zu begrüßen,

Bald die Genossen eures Lichts zu sein?

EVA.

Zriny, sei nicht zum erstenmale grausam!

Verstoß uns nicht aus deinem schönsten Siege

Und nimm uns zur Verklärung mit hinauf!

HELENE.

Ja, laß uns sterben! Was gilt uns die Sonne?

Um Thränenaugen ist's doch ew'ge Nacht!

Was dich begeistert, soll uns nicht entzücken? –

O laß uns mit dir sterben! – So vereint

Ziehn wir der bessern Heimat freudig zu

Und tragen aus der Nacht, in der wir schweben,

Die ew'ge Liebe in das ew'ge Leben!

JURANITSCH.

Gott! welche Frauen, welche Herzen! – Vater,

Du kannst nicht widerstehn, du kannst es nicht! Laß uns

Zusammen sterben, Vater!

EVA UND HELENE.

Laß uns sterben![64]

ZRINY verklärt.

An meine Brust! Kommt an des Vaters Brust!

Ihr habt gesiegt! – Mag mich die Welt verdammen,

Gott wird es nicht! – Jetzt sterben wir zusammen!


Der Vorhang fällt während der Gruppe.


Quelle:
Theodor Körner: Sämtliche Werke in vier Bänden. Band 3, Stuttgart [o.J.], S. 60-65.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Zriny
Leier und Schwert, Zriny, Rosamunde, mit Einleitung;
Zriny: Ein Trauerspiel in Fünf Aufzügen (German Edition)
Zriny: Ein Trauerspiel (German Edition)

Buchempfehlung

Lewald, Fanny

Jenny

Jenny

1843 gelingt Fanny Lewald mit einem der ersten Frauenromane in deutscher Sprache der literarische Durchbruch. Die autobiografisch inspirierte Titelfigur Jenny Meier entscheidet sich im Spannungsfeld zwischen Liebe und religiöser Orthodoxie zunächst gegen die Liebe, um später tragisch eines besseren belehrt zu werden.

220 Seiten, 11.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Geschichten aus dem Biedermeier. Neun Erzählungen

Geschichten aus dem Biedermeier. Neun Erzählungen

Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Dass das gelungen ist, zeigt Michael Holzingers Auswahl von neun Meistererzählungen aus der sogenannten Biedermeierzeit.

434 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon