Siebente Szene.

[19] Vorige. Schlenkheim.


SCHLENKHEIM kommt wieder herauf, in seinem Wesen ganz verändert. Ach sieh da, – die Herren sind beim Frühstück; nun, wohl bekomm's! Helfer erblickend. Auch ein Fremder hier? – Welche Frechh –

ROBERT. Entschuldigen Sie, es ist mein Vetter!

SCHLENKHEIM. Ihr Vetter? Sehr freundlich. Ach, freut mich sehr, die werte Bekanntschaft gemacht zu haben! Zu Helfer, welcher aufstand. O bitte, bleiben Sie sitzen, würdiger Mann, bleiben Sie sitzen! Von woher sind Sie, wenn ich fragen darf? –

HELFER. Ich bin Schulmeister in Gemswalde. –

SCHLENKHEIM. Ah – das ist ja – Zu Robert. Ihr Geburtsort; – also sind Sie Zu Helfer. wahrscheinlich auch der Lehrer dieses jungen Mannes? – Nun, dieser Schüler macht Ihnen Ehre. – Zu Robert. Nun, was sehen Sie denn gar so finster d'rein? Kommen Sie doch ein wenig näher, wenn ich bitten darf!

ROBERT steht auf und tritt zu ihm. Was haben Sie mir noch zu sagen, Herr von Schlenkheim?

SCHLENKHEIM. Hahaha! Wie gespannt! Hahaha! Ist mir richtig aufgesessen! Hihihi! War doch ein guter Spaß das! Hahaha! Hat's wirklich geglaubt; hahaha, nun, nun – aber nur nicht böse sei. wollt' ja auch den Spaß nicht[19] zu weit treiben – bin ja deshalb gleich wieder herauf – also nicht böse sein – nicht wahr? Gemütlich. Die Hand darauf! Fast Roberts Hand.

ROBERT. Nein – nein – ich bin gewiß nicht böse, aber sprechen Sie – ich beschwöre Sie –

SCHLENKHEIM. Muß ja sprechen, bin Ihnen ja diese Genugtuung vor diesen Herren schuldig.

ALLE ANDEREN sind vom Tische aufgestanden und näher getreten.

SCHLENKHEIM. Sie müssen wissen, es ist heute mein Geburtstag.

CHRISTOPH küßt ihm die Hand und spricht monoton, aber sehr rasch. Glück und Segen, Gesundheit, langes Leben – wünsch' wohl gespeist zu haben!

SCHLENKHEIM. Schweig, Esel!

CHRISTOPH. Bitt' um Ihre fernere Freundschaft!

SCHLENKHEIM mit einem affektiert gutmütigen Tone. Also, es ist heute mein Geburtstag, und da kam mein Jettchen mir Glück zu wünschen, und da saßen wir denn so gemütlich beisammen und sprachen von meinem Alter, und von dem, was ich noch zu erwarten hätte, und ich sagte ihr, daß ich noch gar zu gern ein Paar Enkelchen auf meinem Schoße schaukeln möchte, und da fing mein Jettchen zu weinen an.

CHRISTOPH. Weil Sie aber auch gleich die Enkeln paarweise verlangen!

SCHLENKHEIM. Ich frage – ich dringe in sie – sage ihr sie wisse doch, was für einen Vater sie an mir habe –

CHRISTOPH. Da wird sie noch mehr geweint haben!

SCHLENKHEIM. Na – und da – da rückte sie endlich mit der Farbe heraus und gestand mir,[20] daß Scherzend Robert in die Wange kneifend. der Tausendsappermenter da, sich ganz und gar in ihrem Herzen eingewurzelt habe, so daß, wenn man ihn herausreißen wollte, das ganze Herz mit darauf ginge.

ROBERT. Sagte sie das? Sagte sie das wirklich?

SCHLENKHEIM. Nun was denn sonst!

ROBERT. Und Sie, Herr von Schlenkheim, Sie?

SCHLENKHEIM. Ich war empört, wütend –

CHRISTOPH. Da haben wir's.

SCHLENKHEIM. Darüber empört – daß ihr eure Liebe so lange vor mir verborgen hieltet. »Was,« rief ich, »wie konnte mir der Robert das verheimlichen? Wovor fürchtet er sich? Glaubt er, ich wüßte seinen Verstand, seine Herzensgüte nicht zu würdigen? Warte,« sagte ich, »das soll er mir büßen, eine Viertelstunde Verzweiflung ist noch eine geringe Strafe« – und so – hahaha! Wie ich überhaupt ein Spaßvogel bin, ließ ich Sie erst einige Augenblicke zappeln, eh' ich meine Einwilligung gab.

ALLE außer Robert, sehen ihn staunend an.

ROBERT. Wie – Ihre Einwilligung? Und alles andere nur ein Scherz?

SCHLENKHEIM. Ein Scherz – den Sie mir aber verzeihen – nicht wahr?

ROBERT. O fragen Sie nicht – aber verzeihen Sie mir, daß ich noch an mein Glück nicht glauben kann.

SCHLENKHEIM. Was – nicht glauben? Welche Frechheit – entschuldigen Sie – wie kindisch, wollt' ich sagen – – aber ich will sogleich alle Zweifel heben. – Zu den übrigen. Ich ersuche Sie, meine Herren, unsere gegenseitigen Zusagen anzuhören – um dieselben nötigenfalls als Zeugen[21] vor Gericht wiederholen zu können. Zu Robert. Ich ersuche also zuerst Sie, sich zu erklären: Ob es Ihr ernster Wille, Ihr unerschütterlicher Entschluß sei, meine Tochter zur Frau zu nehmen?

ROBERT. Wenn es hier noch einer Beteuerung bedarf, so gelobe ich bei meiner Ehre, daß mich nichts glücklicher machen könnte.

SCHLENKHEIM. Gut – gut – und ebenso gebe ich hiemit mein feierliches Ehrenwort, daß ich der freien Wahl meiner Tochter nie und unter gar keinem Verhältnisse ein Hindernis in den Weg legen will. Zu den übrigen. Haben Sie's gehört, meine Herren?

ALLE bejahen es.

CHRISTOPH. Mit den besten Ohren!

SCHLENKHEIM zu Robert. Nun – sind Sie jetzt zufrieden? Was? Nun wollen wir aber auch gleich ein Glas auf das Wohl meines Eidams leeren. – Sie erlauben Geht zum Tische, nimmt ein Glas und besieht den Wein. Nein, der tut's nicht – nur Champagner ist der rechte Freudenwein. – Christoph!

CHRISTOPH. Befehlen?

SCHLENKHEIM zieht ihn etwas bei Seite. Geh hinab, der Johann soll einige Bouteillen Champagner in den Eiskübel setzen und sie heraufbringen.

CHRISTOPH. Mit Entzücken! Will fort.

SCHLENKHEIM. Noch eins! Leise. In meinem Bureau wartet der Advokat Dr. Sandel; – sag' ihm, jetzt könne er mit meiner Tochter auch herauf kommen, es sei alles in Ordnung!

CHRISTOPH. Gut – gut – der Champagner – das Fräulein Tochter und der Advokat sollen heraufkommen in Eiskübeln. Ab.[22]

HELFER zu Robert. Siehst du, Robert, der Mensch soll nie verzagen, und wenn der ganze Himmel schwarz umzogen ist – auf einmal zerreißen die Wolken und die Sonne sieht wieder freundlich herein.


Quelle:
Friedrich Kaiser: Ausgewählte Werke. Band 1, Wien, Teschen, Leipzig [1913], S. 19-23.
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