Zurückkunft nach Maulbronn

[187] Als wir in Maulbronn wieder angekommen waren, war mein erstes, nach meinem Garten zu sehen. Die Pflanzen, die ich, als ich Maulbronn im Frühjahr verließ, angesäet und gepflanzt hatte, standen nun im Herbste in voller Blüte oder waren schon verblüht. Die Beete bunter Aster, Nelken und Herbstrosen waren jetzt meine innige Freude. Damals wußte man noch nichts von Georginen, Azalien, Kamelien, Rhododendren usw., man begnügte sich mit Astern, Levkojen, Balsaminen, Nelken, Herbstrosen, Reseden, Veilchen, Lilien und Rosen, und diese Blüten meiner Jugend sind mir auch noch die liebsten im Alter; ihr Geruch führt mich immer in jene Tage meiner Kindheit, und besonders, wo ich auch bin, immer wieder in meinen lieben Garten im Kloster Maulbronn.

Mein Vater gab sich mit meinem Unterricht auch selbst viel in Liebe ab; ich blieb auch immer noch der Begleiter in seine Gärten, zu seinen Bäumen und Bienen, wo er mich das Inokulieren und Zweigen lehrte und mich zu andern kleinen Gartenarbeiten anhielt. Ich war auch hier wieder viel zerstreut, aber nie untätig. Zur Nachtzeit, wenn er in seinem Altvatersessel saß, nahm er mich oft zwischen seine Füße oder auf seinen Schoß und erzählte mir von fremden Ländern, ihren Menschen, Tieren und Pflanzen, auch Geschichten aus seiner Jugend, oder trat er mit mir vor das geöffnete Fenster und erklärte mir den gestirnten Himmel; auch von Meteoren und Mondsteinen sprach er. Ich erinnere mich, daß er mir da einmal den Bericht eines Dorfschulzen aus dem Oberamte Maulbronn aus früheren Zeiten vorlas, den er in seiner Registratur gefunden, welcher von einem feurigen Drachen berichtete, der im Angesicht der ganzen Gemeinde, abends hoch durch den Himmel gefahren, und aus seinem[188] Rachen mit furchtbarem Knall feurige Steine gespieen habe. Offenbar war dies eine Explosion von Meteorsteinen; mein Vater erklärte mir den Bericht auch auf diese Weise.

Mein weiterer Unterricht in Maulbronn wurde nun auch wieder wie früher durch den Professor Maier und durch die älteren Studierenden fortgesetzt, auch erteilte mir Professor Hiller Unterricht in der Geschichte, Geometrie usw.; aber es wurde nicht mehr der Ernst und die Strenge wie in Brackenheim eingehalten, auch hatte ich nicht mehr die Kameraden, denen ich nacheiferte, die ich dort hatte, und insofern wäre es besser gewesen, man hätte mich dort gelassen. Mir aber, der ich das nicht so ermaß, war natürlich der Aufenthalt im elterlichen Hause wieder sehr erwünscht; denn fern von meinen Eltern, Blumen und Tieren blieb mir, war ich auch noch so zerstreut, doch immer ein Heimweh im Herzen.

Quelle:
Justinus Kerner: Bilderbuch aus meiner Knabenzeit. Frankfurt a. M. 1978, S. 187-189.
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