Sechste Vorstellung.

[17] Kaum mag ich ein paar Minuten gegangen sein, als plötzlich aus dem Wagen eine Stimme aus vollem Halse »Feuerjoh! es brennt alles zusammen!« brüllte. Der Postwagen hielt stille, und ich eilte, ihn zu erreichen. Da ergab sich nun, daß der Antiquarius Haselhuhn in lichten Flammen stund. Es war recht lamentabel, diesen armen Mann brennen zu sehen, so verlassen von allem Wasser; denn der Schreiner und der Pfarrer waren feldeinwärts gesprungen, der Chemikus aber stieg auf einen Baum, von wo aus er in einer langen Rede den Postknechten die Möglichkeit einer Selbstentzündung begreiflich zu machen suchte.

Der Kondukteur und ich rissen den armen Haselhuhn eilends aus dem Wagen und zogen ihm die Röcke, Westen und Hemden[17] vom Leibe; als wir ihm die siebente Weste und das achte Hemde abgezogen hatten, fanden sich doch noch auf dem neunten Hemde schwarze Brandflecken.

Haselhuhn sank alsbald in eine Ohnmacht, als der Pfarrer und der Schreiner mit Hüten voll Wasser herbeieilten und ihn begossen.

Als seine Besinnungskraft nach und nach wieder zurückkehrte, erklärte er mit gebrochenen Worten, wie durch ein Stück Zunder, das er, um zu rauchen, angeschlagen und vermutlich brennend in die Tasche gesteckt habe, das Feuer ausgebrochen seie.

Der Chemikus auf dem Baume widersprach dieser Mutmaßung aus voller Kehle. Der Schreiner gab ihm völlig Beifall und erbat sich von ihm dringend, als wir wieder in dem Postwagen saßen, einen Aufsatz über diese interessante Erscheinung von Selbstentzündung eines Antiquarii für seinen schmeckenden Wurm.


Quelle:
Justinus Kerner: Werke. 6 Teile in 2 Bänden, Band 1, Berlin 1914, S. 17-18.
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