[112] Jener Dichter, der in den Vorlesungen des Professors sich an den murmelnden Bach legte, hatte auch seine Wohnung in diesem Gebäude.
Mein Vetter nannte ihn den Balladendichter Kullikeia und lebte mit ihm in beständigem Zwist: denn mein Vetter war ein gar gestrenger Verteidiger des Verstandes; der Dichter aber behauptete, daß Verstand bloß zufälliges Produkt der Blutzirkulation sei.
Jetzt trat er in meines Vetters Zimmer; eine tönerne Schüssel hatte er wie einen Hut auf den Kopf gestürzt und eine Art Mantel von schwarzem Zwillich an, in der Hand hielt er eine Zither.
Er drehte sich singend im Zimmer umher.
»Seid Ihr denn ganz vom Verstande gekommen« – wollte mein Vetter anfangen, da trat der Hausmeister des Baues hintennach, eine steife Figur mit gepudertem Haare und einer Gichtrose hinter dem Ohre.
»Herr Kullikeia,« sprach er, »da draußen steht der Pedell, Sie ins Karzer abzuholen; auch ist eine Kommission schon längst auf Ihrem Zimmer versammelt, die Ihre Bücher und Schriften in Beschlag nimmt.
Ihnen im Vertrauen und als Freund gesagt, sind Sie wegen Ihres sonderbaren Betragens den Herren Professoren schon längst verdächtig; auch sollen Sie, wie man sagt, Gedichte machen.«
»Eben das soll streng untersucht werden,« sprach der herbeigekommene Pedell; »übergeben Sie mir nur in Güte die Schlüssel[112] zu Ihren verschlossenen Kisten und Kästen; die Kommission ist schon längst auf Ihrem Zimmer.«
»Ich habe nichts als ein Faß,« sprach der Dichter, »in dem ist alles, und das steht ohne Deckel da.«
»Die Sache wird nichts zu bedeuten haben,« sprach der Pedell: »ich hoffe, daß man Sie als ehrlichen Mann erfinden wird; die Gedichte werden wohl nur Stilübungen sein.«
»Nein! es ist nur zu gewiß, daß er ein Dichter ist!« flüsterte der Hausmeister dem Pedell ins Ohr.
Der Dichter nahm lächelnd Abschied von uns; er wurde ins Karzer abgeführt; mein Vetter aber warf ihm ein schadenfrohes Gelächter nach und zog mich mit sich nach dem Zimmer des Dichters.