Erster Auftritt

[39] Kilian. Max. Landleute.


Max sitzt allein im Vordergrunde an einem Tisch, vor sich den Krug. In dem Augenblicke, da der Vorhang aufgeht im 11. Takte, fällt ein Schuß, und das letzte Stück einer Sternscheibe fliegt herunter.


DAS VOLK ruft.Ah, ah, brav, herrlich getroffen!


Jubelt und klatscht.


MAX bis jetzt die geballte Faust vor der Stirn, schlägt damit heftig auf den Tisch, ausrufend.Glück zu, Bauer!

CHOR DER LANDLEUTE.

Viktoria! Viktoria! der Meister soll leben,

Der wacker dem Sternlein den Rest hat gegeben!

Ihm gleichet kein Schütz von fern und von nah!

Viktoria! Viktoria! Viktoria!


Allgemeiner Jubel. Die Stange wird herabgelassen.


MAX. Immer frisch! Schreit! schreit! Er stampft mit der Büchse auf den Boden und lehnt sie an einen Baum. War ich denn blind? Sind denn die Sehnen dieser Faust erschlafft?


Es ordnet sich ein Zug. Voran die Musikanten, den folgenden Marsch spielend; dann Bauernknaben, die[39] das letzte Stück der Scheibe auf einem, alten Degen und mancherlei neues Zinngerät als Gewinn tragen. Hierauf Kilian, als Schützenkönig, mit gewaltigem Strauß und Ordensband, worauf die von ihm getroffenen Sterne befestigt sind. Schützen mit Büchsen, mehrere mit Sternen auf Mützen und Hüten; Weiber und Mädchen folgen. Der Zug geht im Kreise herum, und alle, die bei Max vorbeikommen, deuten höhnisch auf ihn, verneigen sich, flüstern und lachen. Zuletzt bleibt Kilian vor Max stehen, wirft sich in die Brust und singt.


KILIAN.

Schau' der Herr mich an als König!

Dünkt Ihm meine Macht zu wenig?

Gleich zieh Er den Hut, Mosjeh!

Wird Er, frag' ich, he, he, he?

MÄDCHEN aushöhnend, Rübchen schabend, mit den Fingern auf Max deutend.

Hehehehehehehehehehe!

MÄNNER.

Wird Er – frag' ich? Wird Er – frag ich?

Gleich zieh Er den Hut, Mosjeh!

Wird Er, frag' ich, wird Er, hehehe?

KILIAN.

Stern und Strauß trag' ich vorm Leibe!

Kantors Sepherl trägt die Scheibe!

Hat Er Augen nun, Mosjeh?

Was traf Er denn, he, he, he?


Chor wiederholt die letzten Zeilen.


KILIAN.

Darf ich etwa Eure Gnaden

's nächste Mal zum Schießen laden?

Er gönnt andern was, Mosjeh!

Nun, Er kommt doch, he, he, he?


Chor wie oben.


MAX springt auf, zieht den Hirschfänger und faßt Kilian bei der Brust.

Laßt mich zufrieden, oder –!


Getümmel, auf Max eindringend.


Quelle:
Carl Maria von Weber: Der Freischütz. Leipzig [o.J.], S. 39-40.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Hoffmann, E. T. A.

Klein Zaches

Klein Zaches

Nachdem im Reich die Aufklärung eingeführt wurde ist die Poesie verboten und die Feen sind des Landes verwiesen. Darum versteckt sich die Fee Rosabelverde in einem Damenstift. Als sie dem häßlichen, mißgestalteten Bauernkind Zaches über das Haar streicht verleiht sie ihm damit die Eigenschaft, stets für einen hübschen und klugen Menschen gehalten zu werden, dem die Taten, die seine Zeitgenossen in seiner Gegenwart vollbringen, als seine eigenen angerechnet werden.

88 Seiten, 4.20 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon