Dritter Auftritt

[69] Agathe. Ännchen, geschmückt, doch nicht mit Blumen oder Zweigen.


ÄNNCHEN. Ei, du hast dich dazugehalten! – Aber du bist ja so wehmütig; ich glaube gar, du hast geweint? Brauttränen und Frühregen, sagt das Sprichwort, währen nicht lange. Nun, das weiß der Himmel, Regen genug hat's gegeben! Oft dacht' ich, der Sturm würde das alte Jagdschlößchen ganz über den Haufen blasen!

AGATHE. Und Max war in diesem schrecklichen Wetter im Walde! Zudem habe ich so quälende Träume gehabt.

ÄNNCHEN. Träume? Ich habe immer gehört, was einen vor dem Hochzeitstage träumt, muß man sich merken. Solche Träume sollen, wie Laubfrösche, das ganze liebe Ehestandswetter verkündigen. Was träumtest du denn? Agathe. Es klingt wunderbar. Mir träumte, ich sei in eine weiße Taube verwandelt und fliege von Ast zu Ast, Max zielte nach mir, ich stürzte; aber nun war die weiße Taube verschwunden, ich war wieder Agathe, und ein großer schwarzer Raubvogel wälzte sich im Blute.

ÄNNCHEN klatscht in die Hände. Allerliebst! allerliebst!

AGATHE. Wie kannst du dich nur über so etwas freuen?

ÄNNCHEN. Nun, der schwarze Raubvogel – da hast du ja die ganze Bescherung: du arbeitest noch spät an dem weißen Brautkleide und dachtest gewiß vor dem Einschlafen an deinen heutigen Staat; da hast du die weiße Taube! Du erschrakst vor den Adlerfedern auf Maxens Hut, es schauert dir überhaupt vor Raubvögeln; da hast du den schwarzen Vogel! Bin ich nicht eine geschickte Traumdeuterin?

AGATHE. Deine Liebe zu mir macht dich dazu, liebes, fröhliches Kind! Gleichwohl – hast du nie gehört, daß Träume in Erfüllung gingen?

ÄNNCHEN für sich. Fällt mir denn nichts ein, sie zu zerstreuen? Laut mit scheinbarer Ernsthaftigkeit und Furcht. Freilich, alles kann man nicht verwerfen! Ich selbst weiß da ein grausenerregendes Beispiel.


Nr. 13. Romanze und Arie


ÄNNCHEN.

Einst träumte meiner sel'gen Base,

Die Kammertür eröffnete sich,[70]

Und kreideweiß ward ihre Nase,

Denn näher, furchtbar näher schlich

Ein Ungeheuer

Mit Augen wie Feuer,

Mit klirrender Kette –

Es nahte dem Bette,

In welchem sie schlief –

Ich meine die Base

Mit kreidiger Nase –

Und stöhnte, ach! so hohl! und ächzte, ach! so tief!

Sie kreuzte sich, rief,

Nach manchem Angst- und Stoßgebet:

Susanne! Margaret! Susanne! Margaret!

Und sie kamen mit Licht –

Und – denke nur! – und –

Erschrick mir nur nicht! –

Und – graust mir doch! – und –

Der Geist war: – Nero – der Kettenhund!


Agathe wendet sich unwillig ab.


ÄNNCHEN zärtlich.

Du zürnest mir?

Doch kannst du wähnen,

Ich fühle nicht mit dir?

Nur ziemen einer Braut nicht Tränen!

Trübe Augen,

Liebchen, taugen

Einem holden Bräutchen nicht.

Daß durch Blicke

Sie erquicke

Und beglücke,

Und bestricke,

Alles um sich her entzücke,

Das ist ihre schönste Pflicht.

Laß in öden Mauern

Büßerinnen trauern,

Dir winkt ros'ger Hoffnung Licht!

Schon entzündet sind die Kerzen

Zum Verein getreuer Herzen!

Holde Freundin zage nicht!

Nun muß ich aber auch geschwind den Kranz holen. Die alte Elsbeth hat ihn eben aus der Stadt mitgebracht, und[71] ich vergeßliches Ding ließ ihn unten. Horch, da kommen die Brautjungfern schon! Im Abgehen. Guten Tag, liebe Mädchen! Da, singt immer die Braut an. Ich komme gleich wieder. Sie geht ab.


Quelle:
Carl Maria von Weber: Der Freischütz. Leipzig [o.J.], S. 69-72.
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