[29] Engel / Maria / Chor Maria.
Es war nun mehr an dem / daß der Herr offenbar wolte seinen heiligen Arm für den Augen aller Heiden / und selber reden. Er wolte erscheinen auff Erden / und bey denen Leuten wohnen / das Wort im Fleisch / die Sonne in den Wolken / das Honig im Wachs / das Liecht in der Latern. Die von Ewigkeit benennte Stunde war da / daß der / der den Raht deß Heils ertheilet / nun auch selben wircklich in der That erweisen solte. Der Raht der heilighochgelobten DreyEinig hatte die Himlischen Reichsstände beschrieben. Gott der Vatter that den Vortrag folgender massen..
– – – Wie meint jhr meine Bürger /
Soll denn der Höllen Mohr / der Menschenfraß / der Würger /
So meister spielen? Nein; Soll denn der Apfelbiß
Vns in der Sternenburg thun einen solchen Riß.
Ich will denn! Gabriel auf / setze dich zu Wagen /
laß dich den WolckenSturm durch dampf und dünste tragen /
in pfeilgeschwinder Eil / hin in Idumens Stadt /
die von den grünen Zweig den Grünzweig Namen hat.
Da wohnt die / gegen der die Gottheit ist entflammet /
die von Uhrahnen her und Königsblut gestammet /
Sag / daß Sie tragen soll / den der sie selber trägt
das Menschenhauß / und alls / was sich darinnen regt.
Genug / der Herold fleugt in Götter hoher Größe /
Es lebt durch seidnen Flor die wolerziemte Blösse /
das Stirngestirnte Liecht die Wangenzier bestralt /
den Rosengleichen Mund mit Lilien untermahlt.
das Wollenweiche Haar sich von der Scheitel strecket /
den Alabaster Halß wie klares Fließgold lecket /
So blinckt der Tag der Nacht / das Liechtentlehnte Liecht /
neigt nächtlich Wolckenab sein Sichel-Angesicht /
beleuchtet sich im Meer / bespiegelt sich in Wellen /
die jhrer Fürstin gleich / bald ab / bald zuwerts prellen /
in seiner rechten gläntz die Blumen Königin /
die Cron und Zeptern gleicht; die / die in jhrem Sinn /[29]
dem Trauring abgesagt / durchlaß damal die Blätter /
die Ihr und jhres Sohns hertzallerliebster Vetter
vorlangsten auffgesetzt: Der Abgesandte schwingt
Sich in ihr Zimmer hin / vnd seinen Gruß anbringt.
GABRIEL.
O holdselige Jungfer sey gegrüsset /
O begnadete Mutter sey geküsset /
Du Sonnengüldne Zier /
du hochgebenedeite Magd /
Was allen Mägden ist versagt /
hat GOtt gethan an dir.
Du / du bist allein
die Krone keuscher Jugend
deß Frauenzimmers liechter Schein /
der Außzug aller Tugend.
Der / der Berge Last
mit einem Dreyling fast /
der Sonn und Monden leitet /
der auf den Sternen reitet /
hat dich zur Braut erwehlet /
und sich mit dir vermehlet /
Er suchet seine Lust
und will neun Monden lang bewohnen deine Brust.
Die der die Zeitung kömt / und auch der Bott schweigt still.
Wie wenn die müde Sonn / nun schlafen gehen wil
sich über den Gebrauch heraus zustreichen pfleget
im Scharlachroten Rock zu jhrem Bräutgam leget /
So schlaget unter sich das unbefleckte Bild
die hellen Augelein mit Gottheit angefüllt /
gefärbt und nicht gefärbt: Blut streitet mit erblassen /
die keinen Mann erkannt / kan solche Post nicht fassen.
Worauf der Engelprintz von dessen Lippen fleust
milchsüsse Redenheit / die Götterwein außgeust.[30]
Laß seyn / spricht Gabriel / die Furcht / du wirst empfangen
der Heiden heilges Heil / das lange Weltverlangen /
den MenschGott / Gott der Gott und Mensch von Ewigkeit
der Glantz / das Ebenbild / was er war vor der zeit
das bleibt er / was er nicht / das hat er angenommen /
Heut wird Gott warer Mensch! Ich bin von Gott herkommen /
Ich habe mich gewagt / durch dunckeldüstre Lufft /
gesegelt blitzgeschwind durch Nebelnasse Tufft.
Wann dann deß Himmels Schluß dich würdigst aller Würden
in unverruckter Zucht entbürden wird der Bürden /
(wie sonst ein Apfel fällt / wann jetz die Sonne führt
den Wagen in die Wag / den keine Hand berührt /)
dann solst du deinen Sohn den reinen JungferSamen /
du Jungfer Mutter selbst mit JEsus Namen namen /
denn er ist übergroß der grosse VaterSohn /
von Gott und selber Gott in einer Gottheit Thron.
Er Davids Reichsgenoß wird hochgeachtet werden /
der Herscher der beherrscht den weiten Creiß der Erden
von Kindes Kindes Kind; Es wird von Land zu Land /
Es wird von Meer zu Meer sein Name seyn bekannt.
Der Geist der mir den Geist und dir den Geist gegeben /
wird wircken inner dir / daß Gottes Sohn wird leben /
und werden was du bist; auch die mit dir gesipt
die Kinderloß gelebt / jetz eine Mutter gibt.
Schon sechsmal hat bereit das Hörnerangesichte /
versilbert seinen Glantz mit neugeborgtem Liechte /
seid daß Elisabeth hochschweres Leibes geht /
Was Gott einmal beschleust / das immer veste steht /
und bleibet ewig waar; bey Gott sind alle Sachen
zur mögligkeit gebracht; das Wort kan alles machen
das selber nicht gemacht: doch alls in allem ist /
Es stund flugs alles da / da diß Wort sprach ein St!
deß Himmels ist verweist geschmecktes Wörterliegen
drüm glaubt die Mutter Braut / dem / der da nit kan triegen /
und gibt ihr Jawort drein.[31]
MARIA.
Ich gebe mich / spricht sie / und will was Gott gewillet.
Vernunfft erliegt
der Glaube siegt /
der Glaub allein den schwancken Zweifel stillet.
Ich kenne schon das blanke Feyerkleid /
das krause Haar deß Blauen Herrligkeit /
der Gottheit volle Saal
ist üm und üm ümringt mit Engeln überal.
Die Krafft / deß höchsten Krafft / wirckt inner jhren Leibe
verwacht die Jungfrauschafft und macht gleichwol zum Weibe
Frau Mutter / Jungfer Braut; Euch nennt das kleine Kind
Frau Mutter / da jhr Euch doch Jungfer Braut befind.
Ihr habt die Mutterlust / den JungferEhrennamen /
die Blume blühet schön / und trägt im blühen Samen
diß Rund erschüttert sich mit vnerhörten Krachen /
das wolckenblaue Dach hat ob den Wundersachen /
zur lincken Hand geblitzt / das Schiff-gepflügte Meer
empfand den Donnerstral; es winselt über sehr
der Stimme Gegenbild. So ist bekändlich worden
deß HERREN Gegenwart / von Westen biß in Norden /
weit über Thule naus: ja / wo die Sonne glimt /
wann sie die Reisefahrt von Ost nach Westen nimt.
Nach anhörung dieses machet sich Maria auff /nicht unglaubig wegen deß Anbringens / nicht ungewiß wegen deß Mundbotens / nicht zweifelnd an dem Exempel / sonder fröhlich vor Freuden / und der gebür nach andächtig.
In dem der Krebs / den Tag und Tageshitze länget
entmarcket Land und Sand /
wenn er den braunen Schnitt und braunen Schnitter senget
verfärbet Hand und Band.
Da gieng das Liecht der Welt mit endelichem Zügel /
weit über Berg und Thal
auf Libans / Hermons Höh / auf Thabors / Carmelshügel
nach Zacharias Saal.[32]
Es war ein kühler Ort von Fichten und von Linden
der Rehböck Auffenthalt /
da sonst der Hindin Schar Nachts hauset in den Gründen /
Tags hetzet durch den Wald /
da kam Marien vor die frügejagte Hinde
in selbstgesuchter Ruh /
in dem der Königin die besten Westenwinde
Lufft wehen ab und zu.
Die Frülingsbringerin wust meisterlich zu zwittern /
und gab den Kunstgesang
mit Kunstgeführter Stimm mit Leid und Freuden-kittern /
den Schlaferwecker Klang.
Sie sprach: Wolauf du Morgenstern deß Lentzen /
du laute Nachtigal /
der Wald / erschalt dein Laut macht laut die Grentzen /
mit halbverbrochnem Schall /
kein Nord noch Schnee
ermordt den Klee /
Wind / Winter / Sturm / Lust / Unlust sind gefallen /
Ach Vogelzier
laß dir und mir
Ein Ruhelied mit leiser Stimme schallen.
Das Wolckendach ist Silberklar geheitert /
diß gantze Rund ist laut /
Es hat sich Gut / Muht / Blut hellauf geläutert /
Auf laute Frülingsbraut /
Auf schwing dich auf /
Auf laß den Lauf
Feldsäugerin / der Honigsüssen Khelen /
schleif künstlich schleif
pfeiff artlich pfeiff
Ich will dich mir zur Bottschafft außerwehlen.
Fleug Wälderharpffenschlägerin
auß deinem Birckenhaar /[33]
Du wolbestimte Königin
der Federträger Schar /
Schau / nach Salems Töchtern schaue /
jhnen diese Post vertraue.
Maria wie der Etna hitzt
wann er sich angesteckt /
in dem er Feuerkugeln sprützt
das Feld mit Asche deckt /
Sprich: Ich hitze wie Jungfrauen /
die die Salems Burg beschauen.
Nur dieser Garten Apffelbaum
mit Fleischgefärbter Blüh /
der gibet meinem Rasten raum /
da lieg ich auf den Knie /
kräfftet mich mit Blumenkräfften /
säfftet mich mit Aepfelsäfften.
Im fall man dich nicht hören will
und mein vergessen hat /
so schweige nimmer nimmer still /
Sing stäts vor Salems Stadt /
Ruf und schlage / klag und lache /
biß ich von dem Schlaf erwache.
Nun schläft das Rosenbild / die heilgen Wächter schweben /
üm Ihr und jhren Sohn /
Welt / Feld / Wald / wildes Wild muß auff sie achtung geben /
selbselbst der Sternen Thron:
Ich schwer / ich schwer es euch / ich schwer es bey den Rehen /
hier auf dem freien Feld /
wekt meine Liebste nicht / jhr schönen Solimeen /
biß daß jhr selbst gefällt.
Die Schlafermunterte Maria setzt jhre meistgeendete Räißfahrt fort / über die Gebürge Gilboa / Grisim und Hebal und Ephraim / wandert nach Hebron
begrüsset jhre Wuderschwangere Mume. Als selbige den Mariengruß vernommen /[34] hupffet das Kind auß Göttlicher Bewegung in Mutterleibe. Elisabeth höret ehe die Grußstimme: Johannes vermercket eh Gottes Gnade. Sie Mariens / Er deß HERRN Gegenwart /das Weib / deß Weibes: das Pfand deß Pfandes: die Mütter unterreden sich von GOttes Gnade / die Kinder wircken solche innerlich: Die Weiber müssen das gottselige Geheimnuß anfangen zu lernen / und von der verschlossenen Kinder Geist / getrieben /weissagen. Das Kind hüpffet: die Mutter wird erfüllet / und doch nicht ehe als der Sohn / mit dem H. Geiste. Maria mercket daß nunmehr das vorhaben / worauff viel gewartet / aber nicht erwartet / derer Hertzinbrünstige Feuer Andacht auß dem Hertzen auff die Zunge steiget / und durch Zahn und Mund folgens heraus bricht.
Erster Chor: Maria.
Mit einer Vocal / 3 Violen vnd 1 Lauten.
Im Thon: Vom Himmel hoch / da komm ich.
MARIA.
Avf Stimmen auf / auf Seiten bebt /
Mein Seel den HErren hoch erhebt /
Mein Geist erfreut sich Gottes Zier
Vnd meines Heylands für und für.
2.
Er hat gesehen seine Magd /
Ihr Elend Ihm und Sie behagt /
Von nun an mich die gantze Welt
Vor seelig preist / vor seelig helt.
3.
Der mächtig ist und mächtig gibt /
Hat grosse Ding an mir verübt /
Sein Nam wird heilig hochgeacht /
So lang als Sonn und Monde wacht.
4.
Sein Hertz im Leib vor Liebe warmt /
Sich jetzt und immer jetzt erbarmt
Deß jenen / der in Ehr und Spot
Ihn fürchtet und auch sein Gebot.
5.
Es zeiget seines Armes Bracht
Die Himmelweite Wundermacht /
Er ist es / der die Hoffart scheut
Vnd stoltzen Sinn wie Spreu zerstreut.[35]
6.
Der mit Gewalt Gewalt verletzt /
Wird mit Gewalt vom Stul gesetzt /
Was nidrig ist / was unterthan /
Das hebt / das setzt er oben an.
7.
Dem / der sich plaget sonder Gut /
Füllt er den Magen / macht jhm Muht /
Der Reiche muß bey gelbem Koht
Nichts haben und noch leiden Noht.
8.
Was Er dem Abraham versprach
und seinem Samen nach und nach /
Ist waar und bleibet ewig waar /
verzög es sich vieltausend Jahr.
Buchempfehlung
»In der jetzigen Zeit, nicht der Völkerwanderung nach Außen, sondern der Völkerregungen nach Innen, wo Welttheile einander bewegen und ein Land um das andre zum Vaterlande reift, wird auch der Dichter mit fortgezogen und wenigstens das Herz will mit schlagen helfen. Wahrlich! man kann nicht anders, und ich achte keinen Mann, der sich jetzo blos der Kunst zuwendet, ohne die Kunst selbst gegen die Zeit zu kehren.« schreibt Jean Paul in dem der Ausgabe vorangestellten Motto. Eines der rund einhundert Lieder, die Hoffmann von Fallersleben 1843 anonym herausgibt, wird zur deutschen Nationalhymne werden.
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Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Für den dritten Band hat Michael Holzinger neun weitere Meistererzählungen aus dem Biedermeier zusammengefasst.
444 Seiten, 19.80 Euro