[45] Hirten / Engel / Chor Hirten.
Du Thurn Eder / eine Feste der Tochter Zion / es wird deine güldene Rose kommen / und die vorige Herrschaft / das Königreich der Tochter Israel.
Um dieses Thurnes Haubt gieng damal auf der Weide
das fromme Wollenvieh; es lagen auf der Heide
Hirt Dischon / Ithamar / Hirt Keleb und sein Knecht /
Achrachel / Ephraim von Isai Geschlecht /
und wie sie hiessen mehr: die hatten hören sagen
von stoltzer Friedenszeit / und lauter güldnen Tagen /
und jhrer Meinung nach war diß das Friedenjahr /
weil nu das Kriegesvolck fast abgedancket war.
Man durffte nimmer nicht die lieben Schäflein flehen /
viel minder / wie zuvor / mit eignen Augen sehen[45]
daß man das arme Vieh gar Herdenweise trieb
dem Läger zu / daß / Ach! nicht eine Klaue blieb.
Die Hirten hochbeliebt und trefflich gut im Singen /
die liessen wechselweiß viel reine Reimen klingen
zu kürtzen den verdruß. Es sang Hirt Ithamar
der auf dem Haberrohr ein guter Meister war:
Vnd wer wird es noch erleben /
in der Grundsupp dieser Welt /
daß der Himmel einst wird geben /
was er von dem Jungfer Held /
hat versprochen in dem Garten /
darauff wir so lange warten.
Ach zerreisse doch die Himmel /
Weibes Same / Jungferkind /
Ach verflösse mit Gerümmel /
Berge die erhaben sind /
Schlangentretter / Halßzerbrecher
Kopfzerknirscher / Sündenrächer.
Traun es wird uns allen bange
wie kan jemand frölich seyn?
Zions Hülffe bleibet lange /
kein Messias stellt sich ein /
Jacobs Heil / Israels Führer /
Davids Frucht und Stulregierer.
Thauet doch jhr Himmel thauet /
und befruchtet Jesse Strauch /
Ihr gesunden Regen bauet /
schwängeret den Erdenbauch /
daß wir können in der Reige /
brechen zarte Cederzweige.
Wie? wenn kommen denn die Zeiten
da man wird von Perser Strand /
mit Windschnellen Läufern reiten
auß dem schwartzen Mohrenland /
opffern Goldgewachsne Hörner /
Myrrhen Tropffen / Weyrauch Körner.
In dessen sehen Sie gemach nach Osten reisen
den Bär / den liechten Bär: die Himmelfackeln weisen
Es sey der Nacht Mittag / die dunckelbraune Nacht
verschwind; deß HERREN klar entdeckt der Wolckenpracht
Das heitre Götterhauß die Golbgestirnten Bogen
die thun sich sperrweit auf: bald kömmt herab geflogen
Ein Cherubinen Printz; der blasse Monde weicht /
die Sternen schämen sich / der Taganbringer bleicht.
Der Jüngling schwinget sich in vieler Stralen flammen /
die Lämmer stehn bestürtzt / die Hirten gehn zusammen /[46]
die Hunde werden wach / der wachsam Fylax bellt
den neuen Monden an / die gantze Herde schellt /
der Herdeführer Bock / die geilen Kletterziegen
die können nimmer nicht an jhrer Ruhe liegen /
es schallet vom Geblöck der angelegne Plan /
jeh fänget überlaute ein OberEngel an:
WEYNACHTENGEL.
Fürchtet euch nimmer für keinerlei Leide /
Höret: Ich bring euch begliche Freude;
Allem und jedem Volck wird sie gewäret /
welches nur diese FriedFreude begehret.
Diese Nacht ist der Messias gebohren /
in der Stadt Davids jhm selbsten erkohren /
Nemet zum Zeichen jhr werdet jhn finden
wunden / ümwunden gewickelt in Binden
Ligend in einer bestroheten Krippen /
weinend mit jämmerlich-klagenden Lippen.
Die Engel in der Lufft wie Regimenter ziehen /
zum schlagen angefrischt; jetz scheinen sie zu fließen /
jetz wenden sie sich keck / sie setzen muhtig an /
ein jeder hitzig trifft auf seinen Gegenmann.
Man höret in der Lufft die Kürissirer rasseln /
der Flügelschlagen rauscht / die Stückenräder prasseln.
Ein keusches Jungfer Hertz ist EngelFürst dein Thron
darauf du MenschGott sitzst / Immanuel O Sohn!
Drey gehn mit dreyen ein ein Freundgesinntes fechten
sie fügen Hand an Hand / zur lincken und zur rechten /
Dir Gott Immanuel / Immanuel dir Kind /
Immanuel dir Gott / dir Kind / wir freudig sind /
Dir / dir / dir singen Wir:[47]
Dritter Chor.
Die Menge der Himmlischen Heerschaaren.
Mit 8. Stimmen.
Ehre sey Gott in der mächtigen Höhe.
Wiederhall: Prächtigen Höhe /
Alles auff Erden recht friedlichen stehe /
Wiederhall: schädlichen gehe.
Alle Welt laß jhr von Hertzen gefallen /
Göttliches Wollen und Englisches Schallen /
Göttliches Wollen und Englisches Schallen
Lasset euch Christen von Hertzen gefallen.
Als nun der Engelvolck bey tausend paaren
mit hellem Jubelthon gen Himmel war gefahren /
besprachen sie sich bald / ihr aller ist ein Rhat.
Nach Bethlehem zu gehn und sehen diese That.
Sie brechen Majoran auf gut Geheiß der Götter
Pol / Jäßmin / Roßmarin / Zypreß und Lorberblätter
vermengt mit Wintergrün / ein jeder kräntz sein Haar /
das von der Sonnen braun und weiß vom Reiffen war.
Sie zünden Schlössen an / und gehen durch die Wälder /
der helle Glantz dringt durch vergüldet Thal und Felder;
Wie wann die Sonne hitzt / und durch den Löwen rennt /
Sich offt der Hartz entflammt / daß Pusch und Heide brennt.
Bald werden sie gewar / daß unfern in den Hecken
ein kleines Feuer raucht; da wo die Klippen decken
den außgehölten Felß: Sie lauffen darauf zu /
und sehen wie das Vieh schnaufft an der süssen Ruh.
Der Alte nährt die Glut / Sie / stehet vor der Krippen
deß Himmels Aufenthalt / und reicht dem kleinen Lippen
die wie Corallenbaum / die runderhabne Brust /
auß welcher Perlmilch thaut / und süsse Götterkost.
Bald tragen sie daher mit jauchtzen und mit loben
Ein hohes Lorbeerlaub / das neulich war gehoben
Von seiner Wurtzel auß: Achrachel singet vor /[48]
und Dischon dudelt drein: dann rufft der volle Chor.
Drauff setzen sie es ein / hin vor die Thür der Schönen
Hirt Keleb schön schalmeit / die Haberpfeiffen thönen /
Sie schließen einen Ring / Sie tantzen einen Tantz /
rings üm den Lorbeerbaum / verwechseln Krantz üm Krantz.
Theils bauen einen Wald von finstern Terebinthen /
bezieren jhn mit Klee / Tulipen / Hiazinthen.
Die junge Bursche führt ein Grasegrünes Dach
Von Myrtenästen auff / Sie singet nach und nach /
und wünschet daß diß Hauß biß an den Monden reiche /
daß nun noch nimmermehr sein krauses Haar verbleiche.
Achrachel weit und breit auf Trifften hochgepreist /
der hundert Heerden Vieh auf hundert Brachen speist /
Tritt vor die Krippen hin dem Kindelein zum Füssen /
Die Hirten nebenst jhn / den Hirten so begrüssen:
Hirt Arachel / nebest seinen Weidgenossen / auß dem Propheten Esaia 9.
1. Tenor / 2. Flöten.
1.
Wir / die wir finsterlich gegangen /
Mit dunckel üm und üm ümfangen /
Erblicken jetzt ein grosses Liecht /
Das gleich / da wir in braunen Schatten
Der Hürden hüten auff den Matten /
Durch Kohlpechschwartze Nachte bricht.
2.
Der Heyden Zahl wird starck gemehret /
Theils Freuden auch in Leid verkehret /
Doch sind der Heyden Freuden mehr /
Deß freuet sich der Kirchenhimmel /
Es steigt sein Lob und Lustgetümmel
Biß an das blancke Sternenheer.
3.
Wie wann der Saaten Wachs bereiffet /
Der Schnitter zu der Sichel greiffet /[49]
Schneidt / bindet Garben / führet ein /
Die Dörffer springen nach Schalmeyen
Vnd halten einen Schnitterreyen /
Biß jhnen leucht der Mondenschein.
4.
Wie wann der Feind das Feld geräumet /
Die Siegerhand im minsten säumet /
Raubt / plündert / beutet was sie kan /
Die Trompter trompten / daß es schallet /
Die Paucker paucken / daß es hallet /
Im Läger jauchtzen Roß und Mann.
5.
Du HErr entlastest sie von Jochen /
Du hast deß Treibers Stab zerbrochen /
Wie zu den Zeiten Midian /
Posaunenblasen / Fackeln / Töpffe /
Enthertzten Hertzen / köpfften Köpffe /
Daß keiner von dem Feind entran.
6.
Deß Krieges kriegen wird auf Erden
Gantz stürmisch eingeäschert werden /
Vertufften wie die leere Tufft /
Auch aller Kleid mit Blut benetzet /
In Schwefelgelbe Glut gesetzet
Verfärben Sonn / Mond / Stern und Lufft.
7.
Ein Kind ist kommen in das Leben /
Ein Sohn uns Hirten ist gegeben /
Deß Schulter seinen Zepter trägt /
Sein Nam heist: Wunderbar / in Rhaten
Krafft / ewig Vatter / Held in Thaten /
Ein Fürst / der Friede liebt und hegt.
8.
Deß Herrschaft wird gewaltig werden
Vnd friedlich grünen auff der Erden /
Er wird deß Davids Stul und Land
Recht mit Gerechtigkeit verstärcken /
daß man in Ewigkeit wird mercken
Zebaoths Thun und Eiverhand.[50]
Der Schäfer Ephraim will auch nicht Letzmann seyn
der rühret sein Pandor / und singet dieses drein:
Wie süsse schmeckt der Saat ein angenehmer Regen /
Wie süsse schmeckt der Schlaf den müden unter Wegen /
Wie süsse schmeckt der Thau den Honigvögelein /
Wie süsse schmeckt der Quell in heissem Sonnenschein.
Du / du / du süsses Kind / du süsser Himmelsegen
schmeckst süsser als der Quell und Thau / und Schlaf und Regen;
Wie schön ümschattet doch den wasserreichen Fluß /
ein dickbelaubter Baum der immergrünen muß:
Wie schön erröthen doch die Aepffel auf den ästen:
Du / du / du schönes Kind bist schöner als die besten /
bist schöner als das Blut das meinen Mohn bemahlt /
bist schöner als der Glantz der Feuerlilien stralt.
Ephraim und Ithamar beyde benahmte Hirten /fordern einander heraus / einer belobet die Mutter /der andere den Sohn / und verschweren sich beyde /wegen beyder Hertzensliebe; Höret jhre verwechselte Reimendungen.
EPHRAIM.
Wer dich grosses Söhnlein liebet /
wird von Wölffen nie betrübet /
wenn er sich ins Graß hinstreckt /
keine Schlang im Schlaf jhn schreckt.
ITHAMAR.
Wer dich Jungfer Mutter kennet /
keine Sonnenglut verbrennet /
wann er ackert / wann er pflügt /
seine Stärcke nicht erliegt.
EPHRAIM.
Du solst mir für andern allen /
Liebstes Brüderlein gefallen /
Ach hett ich dich für und für /
zu beküssen für die Thür.
ITHAMAR.
Du solst mir vor andern allen /
Liebste Mutter wolgefallen /
Hirtin / gut von Hirten Blut /
Kömst zu Hirten auf die Hut.[51]
EPHRAIM.
Ich wolt wann ich Ihn nicht liebte /
daß der Donner mich betrübte /
daß er schlüg ins Garbenstroh /
Hauß und Hof brenn liechterloh.
ITHAMAR.
Daß der Hagel mich verderbte /
Daß mein Vieh die Peste sterbte /
daß nichts wüchß als Disteln / Dorn.
Tauber Haber / fliegend Korn.
EPHRAIM.
Ich wolt wann ich Ihn nicht liebte /
daß der Mehltau mich betrübte /
daß verbrenn das milchend Korn /
daß nichts wüchß als Dresp und Dorn.
ITHAMAR.
Ich wolt wann ich Sie nicht liebte /
daß die Peste mich betrübte /
daß sie würgte Weib und Kind /
daß sie sterbte Schaf und Rind.
EPHRAIM.
Ihr Knaben haltet inn / verstopft die Wasserrohren
die Wiesen dürsten nich Ihr müsset rückwarts kehren
nach Eders Wächtethurn. Sagt eh: in welcher Welt
der Himmel (nicht im Born) nur ein paar Ellen hält.
ITHAMAR.
Sag / bistu kühn / wo ist der gröste Berg ohn knallen
im Schoß deß ängsten Thals / ohn hindernuß gefallen?
Wir lassen sie nun wider ümkehren / preisen und Gott loben üm alles das / was sie gehört und gesehen / aber höret sie nochmaln unterwegen im Singkämpffen.
Somer und Joäs / zwey Hirten / singen in die Wette /einer belobet die Mutter / der ander den Sohn.
Somer die Mutter. Joäs das Söhnlein.
2. Tenor in Dialogo, und 2 Krumhörner.
Im Thon: Der Tag der ist so freudenreich.
1.
Ihrer hellen Aeugelein
Gläsernes Gewässer /
Ist wie reiche Teiche rein /
Rein wie Heßbons Flösser /
2.
Seiner klaren Aeugelein
Silbernes Gewässer
Ist wie Taubenaugen rein /
Uem die Badeflösser /[52]
Ihrer Haare liechter Schnee /
Ziegenherden auff der Höh
Gileads sich gleichet:
Gut gewürtzter Blumensafft /
Ihrer Lippen Zuckerkrafft
An der Süsse weichet.
3.
Ihre runderhabne Brust
Hebt sich wie die Rehen/
Die gepart nach aller Lust
In den Lilien gehen /
Wie sich die Granatfrucht ritzt
Wenn sie Purpurkörne spritzt /
Ihre Backen prangen /
Sie das schönste Fürstenkind /
Derer Schue silbern sind /
Prächtig kommt gegangen.
Seines Haubtes güldner Klee
Vnd der krausen Locken höh
Rabenfedern gleichet.
Wolvermyrhter Rosensafft
Seiner Lippen Honigkrafft
An der Stärcke weichet.
4.
Seine rund gewölbte Brust
Steht / wie Trauben stehen /
Da die Wintzerleut mit Lust
In den Bergen gehen /
Wie die Tulpen wundgeritzt /
Die mit Blute bund bespritzt /
Seine Backen prangen
Er das schönste Fürstenkind /
Dessen Füsse gülden sind /
Mächtig kommt gegangen.
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