Dritte Handlung.


[45] Hirten / Engel / Chor Hirten.

Du Thurn Eder / eine Feste der Tochter Zion / es wird deine güldene Rose kommen / und die vorige Herrschaft / das Königreich der Tochter Israel.


Um dieses Thurnes Haubt gieng damal auf der Weide

das fromme Wollenvieh; es lagen auf der Heide

Hirt Dischon / Ithamar / Hirt Keleb und sein Knecht /

Achrachel / Ephraim von Isai Geschlecht /

und wie sie hiessen mehr: die hatten hören sagen

von stoltzer Friedenszeit / und lauter güldnen Tagen /

und jhrer Meinung nach war diß das Friedenjahr /

weil nu das Kriegesvolck fast abgedancket war.

Man durffte nimmer nicht die lieben Schäflein flehen /

viel minder / wie zuvor / mit eignen Augen sehen[45]

daß man das arme Vieh gar Herdenweise trieb

dem Läger zu / daß / Ach! nicht eine Klaue blieb.

Die Hirten hochbeliebt und trefflich gut im Singen /

die liessen wechselweiß viel reine Reimen klingen

zu kürtzen den verdruß. Es sang Hirt Ithamar

der auf dem Haberrohr ein guter Meister war:


Vnd wer wird es noch erleben /

in der Grundsupp dieser Welt /

daß der Himmel einst wird geben /

was er von dem Jungfer Held /

hat versprochen in dem Garten /

darauff wir so lange warten.


Ach zerreisse doch die Himmel /

Weibes Same / Jungferkind /

Ach verflösse mit Gerümmel /

Berge die erhaben sind /

Schlangentretter / Halßzerbrecher

Kopfzerknirscher / Sündenrächer.


Traun es wird uns allen bange

wie kan jemand frölich seyn?

Zions Hülffe bleibet lange /

kein Messias stellt sich ein /

Jacobs Heil / Israels Führer /

Davids Frucht und Stulregierer.


Thauet doch jhr Himmel thauet /

und befruchtet Jesse Strauch /

Ihr gesunden Regen bauet /

schwängeret den Erdenbauch /

daß wir können in der Reige /

brechen zarte Cederzweige.


Wie? wenn kommen denn die Zeiten

da man wird von Perser Strand /

mit Windschnellen Läufern reiten

auß dem schwartzen Mohrenland /

opffern Goldgewachsne Hörner /

Myrrhen Tropffen / Weyrauch Körner.


In dessen sehen Sie gemach nach Osten reisen

den Bär / den liechten Bär: die Himmelfackeln weisen

Es sey der Nacht Mittag / die dunckelbraune Nacht

verschwind; deß HERREN klar entdeckt der Wolckenpracht

Das heitre Götterhauß die Golbgestirnten Bogen

die thun sich sperrweit auf: bald kömmt herab geflogen

Ein Cherubinen Printz; der blasse Monde weicht /

die Sternen schämen sich / der Taganbringer bleicht.

Der Jüngling schwinget sich in vieler Stralen flammen /

die Lämmer stehn bestürtzt / die Hirten gehn zusammen /[46]

die Hunde werden wach / der wachsam Fylax bellt

den neuen Monden an / die gantze Herde schellt /

der Herdeführer Bock / die geilen Kletterziegen

die können nimmer nicht an jhrer Ruhe liegen /

es schallet vom Geblöck der angelegne Plan /

jeh fänget überlaute ein OberEngel an:

WEYNACHTENGEL.

Fürchtet euch nimmer für keinerlei Leide /

Höret: Ich bring euch begliche Freude;

Allem und jedem Volck wird sie gewäret /

welches nur diese FriedFreude begehret.

Diese Nacht ist der Messias gebohren /

in der Stadt Davids jhm selbsten erkohren /

Nemet zum Zeichen jhr werdet jhn finden

wunden / ümwunden gewickelt in Binden

Ligend in einer bestroheten Krippen /

weinend mit jämmerlich-klagenden Lippen.


Die Engel in der Lufft wie Regimenter ziehen /

zum schlagen angefrischt; jetz scheinen sie zu fließen /

jetz wenden sie sich keck / sie setzen muhtig an /

ein jeder hitzig trifft auf seinen Gegenmann.

Man höret in der Lufft die Kürissirer rasseln /

der Flügelschlagen rauscht / die Stückenräder prasseln.

Ein keusches Jungfer Hertz ist EngelFürst dein Thron

darauf du MenschGott sitzst / Immanuel O Sohn!

Drey gehn mit dreyen ein ein Freundgesinntes fechten

sie fügen Hand an Hand / zur lincken und zur rechten /

Dir Gott Immanuel / Immanuel dir Kind /

Immanuel dir Gott / dir Kind / wir freudig sind /

Dir / dir / dir singen Wir:[47]


Dritter Chor.


Die Menge der Himmlischen Heerschaaren.

Mit 8. Stimmen.


Ehre sey Gott in der mächtigen Höhe.

Wiederhall: Prächtigen Höhe /

Alles auff Erden recht friedlichen stehe /

Wiederhall: schädlichen gehe.

Alle Welt laß jhr von Hertzen gefallen /

Göttliches Wollen und Englisches Schallen /

Göttliches Wollen und Englisches Schallen

Lasset euch Christen von Hertzen gefallen.


Als nun der Engelvolck bey tausend paaren

mit hellem Jubelthon gen Himmel war gefahren /

besprachen sie sich bald / ihr aller ist ein Rhat.

Nach Bethlehem zu gehn und sehen diese That.

Sie brechen Majoran auf gut Geheiß der Götter

Pol / Jäßmin / Roßmarin / Zypreß und Lorberblätter

vermengt mit Wintergrün / ein jeder kräntz sein Haar /

das von der Sonnen braun und weiß vom Reiffen war.

Sie zünden Schlössen an / und gehen durch die Wälder /

der helle Glantz dringt durch vergüldet Thal und Felder;

Wie wann die Sonne hitzt / und durch den Löwen rennt /

Sich offt der Hartz entflammt / daß Pusch und Heide brennt.

Bald werden sie gewar / daß unfern in den Hecken

ein kleines Feuer raucht; da wo die Klippen decken

den außgehölten Felß: Sie lauffen darauf zu /

und sehen wie das Vieh schnaufft an der süssen Ruh.

Der Alte nährt die Glut / Sie / stehet vor der Krippen

deß Himmels Aufenthalt / und reicht dem kleinen Lippen

die wie Corallenbaum / die runderhabne Brust /

auß welcher Perlmilch thaut / und süsse Götterkost.

Bald tragen sie daher mit jauchtzen und mit loben

Ein hohes Lorbeerlaub / das neulich war gehoben

Von seiner Wurtzel auß: Achrachel singet vor /[48]

und Dischon dudelt drein: dann rufft der volle Chor.

Drauff setzen sie es ein / hin vor die Thür der Schönen

Hirt Keleb schön schalmeit / die Haberpfeiffen thönen /

Sie schließen einen Ring / Sie tantzen einen Tantz /

rings üm den Lorbeerbaum / verwechseln Krantz üm Krantz.

Theils bauen einen Wald von finstern Terebinthen /

bezieren jhn mit Klee / Tulipen / Hiazinthen.

Die junge Bursche führt ein Grasegrünes Dach

Von Myrtenästen auff / Sie singet nach und nach /

und wünschet daß diß Hauß biß an den Monden reiche /

daß nun noch nimmermehr sein krauses Haar verbleiche.

Achrachel weit und breit auf Trifften hochgepreist /

der hundert Heerden Vieh auf hundert Brachen speist /

Tritt vor die Krippen hin dem Kindelein zum Füssen /

Die Hirten nebenst jhn / den Hirten so begrüssen:


Hirt Arachel / nebest seinen Weidgenossen / auß dem Propheten Esaia 9.

1. Tenor / 2. Flöten.


1.

Wir / die wir finsterlich gegangen /

Mit dunckel üm und üm ümfangen /

Erblicken jetzt ein grosses Liecht /

Das gleich / da wir in braunen Schatten

Der Hürden hüten auff den Matten /

Durch Kohlpechschwartze Nachte bricht.


2.

Der Heyden Zahl wird starck gemehret /

Theils Freuden auch in Leid verkehret /

Doch sind der Heyden Freuden mehr /

Deß freuet sich der Kirchenhimmel /

Es steigt sein Lob und Lustgetümmel

Biß an das blancke Sternenheer.


3.

Wie wann der Saaten Wachs bereiffet /

Der Schnitter zu der Sichel greiffet /[49]

Schneidt / bindet Garben / führet ein /

Die Dörffer springen nach Schalmeyen

Vnd halten einen Schnitterreyen /

Biß jhnen leucht der Mondenschein.


4.

Wie wann der Feind das Feld geräumet /

Die Siegerhand im minsten säumet /

Raubt / plündert / beutet was sie kan /

Die Trompter trompten / daß es schallet /

Die Paucker paucken / daß es hallet /

Im Läger jauchtzen Roß und Mann.


5.

Du HErr entlastest sie von Jochen /

Du hast deß Treibers Stab zerbrochen /

Wie zu den Zeiten Midian /

Posaunenblasen / Fackeln / Töpffe /

Enthertzten Hertzen / köpfften Köpffe /

Daß keiner von dem Feind entran.


6.

Deß Krieges kriegen wird auf Erden

Gantz stürmisch eingeäschert werden /

Vertufften wie die leere Tufft /

Auch aller Kleid mit Blut benetzet /

In Schwefelgelbe Glut gesetzet

Verfärben Sonn / Mond / Stern und Lufft.


7.

Ein Kind ist kommen in das Leben /

Ein Sohn uns Hirten ist gegeben /

Deß Schulter seinen Zepter trägt /

Sein Nam heist: Wunderbar / in Rhaten

Krafft / ewig Vatter / Held in Thaten /

Ein Fürst / der Friede liebt und hegt.


8.

Deß Herrschaft wird gewaltig werden

Vnd friedlich grünen auff der Erden /

Er wird deß Davids Stul und Land

Recht mit Gerechtigkeit verstärcken /

daß man in Ewigkeit wird mercken

Zebaoths Thun und Eiverhand.[50]


Der Schäfer Ephraim will auch nicht Letzmann seyn

der rühret sein Pandor / und singet dieses drein:


Wie süsse schmeckt der Saat ein angenehmer Regen /

Wie süsse schmeckt der Schlaf den müden unter Wegen /

Wie süsse schmeckt der Thau den Honigvögelein /

Wie süsse schmeckt der Quell in heissem Sonnenschein.


Du / du / du süsses Kind / du süsser Himmelsegen

schmeckst süsser als der Quell und Thau / und Schlaf und Regen;

Wie schön ümschattet doch den wasserreichen Fluß /

ein dickbelaubter Baum der immergrünen muß:

Wie schön erröthen doch die Aepffel auf den ästen:

Du / du / du schönes Kind bist schöner als die besten /

bist schöner als das Blut das meinen Mohn bemahlt /

bist schöner als der Glantz der Feuerlilien stralt.


Ephraim und Ithamar beyde benahmte Hirten /fordern einander heraus / einer belobet die Mutter /der andere den Sohn / und verschweren sich beyde /wegen beyder Hertzensliebe; Höret jhre verwechselte Reimendungen.


EPHRAIM.

Wer dich grosses Söhnlein liebet /

wird von Wölffen nie betrübet /

wenn er sich ins Graß hinstreckt /

keine Schlang im Schlaf jhn schreckt.

ITHAMAR.

Wer dich Jungfer Mutter kennet /

keine Sonnenglut verbrennet /

wann er ackert / wann er pflügt /

seine Stärcke nicht erliegt.

EPHRAIM.

Du solst mir für andern allen /

Liebstes Brüderlein gefallen /

Ach hett ich dich für und für /

zu beküssen für die Thür.

ITHAMAR.

Du solst mir vor andern allen /

Liebste Mutter wolgefallen /

Hirtin / gut von Hirten Blut /

Kömst zu Hirten auf die Hut.[51]

EPHRAIM.

Ich wolt wann ich Ihn nicht liebte /

daß der Donner mich betrübte /

daß er schlüg ins Garbenstroh /

Hauß und Hof brenn liechterloh.

ITHAMAR.

Daß der Hagel mich verderbte /

Daß mein Vieh die Peste sterbte /

daß nichts wüchß als Disteln / Dorn.

Tauber Haber / fliegend Korn.

EPHRAIM.

Ich wolt wann ich Ihn nicht liebte /

daß der Mehltau mich betrübte /

daß verbrenn das milchend Korn /

daß nichts wüchß als Dresp und Dorn.

ITHAMAR.

Ich wolt wann ich Sie nicht liebte /

daß die Peste mich betrübte /

daß sie würgte Weib und Kind /

daß sie sterbte Schaf und Rind.

EPHRAIM.

Ihr Knaben haltet inn / verstopft die Wasserrohren

die Wiesen dürsten nich Ihr müsset rückwarts kehren

nach Eders Wächtethurn. Sagt eh: in welcher Welt

der Himmel (nicht im Born) nur ein paar Ellen hält.

ITHAMAR.

Sag / bistu kühn / wo ist der gröste Berg ohn knallen

im Schoß deß ängsten Thals / ohn hindernuß gefallen?


Wir lassen sie nun wider ümkehren / preisen und Gott loben üm alles das / was sie gehört und gesehen / aber höret sie nochmaln unterwegen im Singkämpffen.

Somer und Joäs / zwey Hirten / singen in die Wette /einer belobet die Mutter / der ander den Sohn.

Somer die Mutter. Joäs das Söhnlein.

2. Tenor in Dialogo, und 2 Krumhörner.

Im Thon: Der Tag der ist so freudenreich.


1.

Ihrer hellen Aeugelein

Gläsernes Gewässer /

Ist wie reiche Teiche rein /

Rein wie Heßbons Flösser /


2.

Seiner klaren Aeugelein

Silbernes Gewässer

Ist wie Taubenaugen rein /

Uem die Badeflösser /[52]

Ihrer Haare liechter Schnee /

Ziegenherden auff der Höh

Gileads sich gleichet:

Gut gewürtzter Blumensafft /

Ihrer Lippen Zuckerkrafft

An der Süsse weichet.


3.

Ihre runderhabne Brust

Hebt sich wie die Rehen/

Die gepart nach aller Lust

In den Lilien gehen /

Wie sich die Granatfrucht ritzt

Wenn sie Purpurkörne spritzt /

Ihre Backen prangen /

Sie das schönste Fürstenkind /

Derer Schue silbern sind /

Prächtig kommt gegangen.

Seines Haubtes güldner Klee

Vnd der krausen Locken höh

Rabenfedern gleichet.

Wolvermyrhter Rosensafft

Seiner Lippen Honigkrafft

An der Stärcke weichet.


4.

Seine rund gewölbte Brust

Steht / wie Trauben stehen /

Da die Wintzerleut mit Lust

In den Bergen gehen /

Wie die Tulpen wundgeritzt /

Die mit Blute bund bespritzt /

Seine Backen prangen

Er das schönste Fürstenkind /

Dessen Füsse gülden sind /

Mächtig kommt gegangen.

Quelle:
Oratorium, Festspiel. Herausgegeben von Prof. Willi Flemming, Leipzig 1933, S. 45-53.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Raabe, Wilhelm

Der Hungerpastor

Der Hungerpastor

In der Nachfolge Jean Pauls schreibt Wilhelm Raabe 1862 seinen bildungskritisch moralisierenden Roman »Der Hungerpastor«. »Vom Hunger will ich in diesem schönen Buche handeln, von dem, was er bedeutet, was er will und was er vermag.«

340 Seiten, 14.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Große Erzählungen der Frühromantik

Große Erzählungen der Frühromantik

1799 schreibt Novalis seinen Heinrich von Ofterdingen und schafft mit der blauen Blume, nach der der Jüngling sich sehnt, das Symbol einer der wirkungsmächtigsten Epochen unseres Kulturkreises. Ricarda Huch wird dazu viel später bemerken: »Die blaue Blume ist aber das, was jeder sucht, ohne es selbst zu wissen, nenne man es nun Gott, Ewigkeit oder Liebe.« Diese und fünf weitere große Erzählungen der Frühromantik hat Michael Holzinger für diese Leseausgabe ausgewählt.

396 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon