Eilfte Szene

[400] Jupiter. Alkmene. Merkur. Charis.

Feldherren. Die Vorigen.


ALKMENE.

Entsetzlicher! Ein Sterblicher sagst du,

Und schmachvoll willst du seinem Blick mich zeigen?

VOLK.

Ihr ew'gen Götter! Was erblicken wir!

JUPITER.

Die ganze Welt, Geliebte, muß erfahren,

Daß niemand deiner Seele nahte,

Als nur dein Gatte, als Amphitryon.

AMPHITRYON.

Herr, meines Lebens! Die Unglückliche!

ALKMENE.

Niemand! Kannst ein gefallnes Los du ändern?

DIE OBERSTEN.

All ihr Olympischen! Amphitryon dort.

JUPITER.

Du bist dir's, Teuerste, du bist mir's schuldig,

Du mußt, du wirst, mein Leben, dich bezwingen;

Komm, sammle dich, dein wartet ein Triumph!

AMPHITRYON.

Blitz, Höll und Teufel! Solch ein Auftritt mir?

JUPITER.

Seid mir willkommen, Bürger dieser Stadt.

AMPHITRYON.

Mordhund! Sie kamen dir den Tod zu geben.

Auf jetzt!


Er zieht.


ZWEITER FELDHERR tritt ihm in den Weg.

Halt dort!

AMPHITRYON.

Auf, ruf ich, ihr Thebaner!

ERSTER FELDHERR auf Amphitryon deutend.

Thebaner, greift ihn, ruf ich, den Verräter!

AMPHITRYON.

Argatiphontidas!

ERSTER OBERSTER.

Bin ich behext?

DAS VOLK.

Kann sich ein menschlich Auge hier entscheiden?

AMPHITRYON.

Tod! Teufel! Wut und keine Rache!

Vernichtung!


Er fällt dem Sosias in die Arme.


JUPITER.

Tor, der du bist, laß dir zwei Worte sagen.

SOSIAS.

Mein Seel! Er wird schlecht hören. Er ist tot.

ERSTER OBERSTER.

Was hilft der eingeknickte Federbusch?

– »Reißt eure Augen auf, wie Maulwürfe!«

Der ist's, den seine eigne Frau erkennt.[400]

ERSTER FELDHERR.

Hier steht, ihr Obersten, Amphitryon.

AMPHITRYON erwachend.

Wen kennt die eigne Frau hier?

ERSTER OBERSTER.

Ihn erkennt sie,

Ihn an, mit dem sie aus dem Hause trat.

Um welchen, wie das Weinlaub, würd sie ranken,

Wenn es ihr Stamm nicht ist, Amphitryon?

AMPHITRYON.

Daß mir so viele Kraft noch wär, die Zung

In Staub zu treten, die das sagt!

Sie anerkennt ihn nicht!


Er erhebt sich wieder.


ERSTER FELDHERR.

Das lügst du dort!

Meinst du des Volkes Urteil zu verwirren,

Wo es mit eignen Augen sieht?

AMPHITRYON.

Sie anerkennt ihn nicht, ich wiederhol's!

– Wenn sie als Gatten ihn erkennen kann,

So frag ich nichts danach mehr, wer ich bin:

So will ich ihn Amphitryon begrüßen.

ERSTER FELDHERR.

Es gilt. Sprecht jetzt.

ZWEITER FELDHERR.

Erklärt Euch jetzo, Fürstin.

AMPHITRYON.

Alkmene! Meine Braut! Erkläre dich:

Schenk mir noch einmal deiner Augen Licht!

Sag, daß du jenen anerkennst, als Gatten,

Und so urschnell, als der Gedanke zuckt,

Befreit dies Schwert von meinem Anblick dich.

ERSTER FELDHERR.

Wohlan! Das Urteil wird sogleich gefällt sein.

ZWEITER FELDHERR.

Kennt Ihr ihn dort?

ERSTER FELDHERR.

Kennt Ihr den Fremdling dort?

AMPHITRYON.

Dir wäre dieser Busen unbekannt,

Von dem so oft dein Ohr dir lauschend sagte,

Wie viele Schläge liebend er dir klopft?

Du solltest diese Töne nicht erkennen,

Die du so oft, noch eh sie laut geworden,

Mit Blicken schon mir von der Lippe stahlst?[401]

ALKMENE.

Daß ich zu ew'ger Nacht versinken könnte!

AMPHITRYON.

Ich wußt es wohl. Ihr seht's, ihr Bürger Thebens,

Eh wird der rasche Peneus rückwärts fließen,

Eh sich der Bosporus auf Ida betten,

Eh wird das Dromedar den Ozean durchwandeln,

Als sie dort jenen Fremdling anerkennen.

VOLK.

Wär's möglich? Er, Amphitryon? Sie zaudert.

ERSTER FELDHERR.

Sprecht!

ZWEITER FELDHERR.

Redet!

DRITTER FELDHERR.

Sagt uns! –

ZWEITER FELDHERR.

Fürstin, sprecht ein Wort! –

ERSTER FELDHERR.

Wir sind verloren, wenn sie länger schweigt.

JUPITER.

Gib, gib der Wahrheit deine Stimme, Kind.

ALKMENE.

Hier dieser ist Amphitryon, ihr Freunde.

AMPHITRYON.

Er dort Amphitryon! Allmächt'ge Götter!

ERSTER FELDHERR.

Wohlan. Es fiel dein Los. Entferne dich.

AMPHITRYON.

Alkmene!

ZWEITER FELDHERR.

Fort Verräter: willst du nicht,

Daß wir das Urteil dir vollstrecken sollen.

AMPHITRYON.

Geliebte!

ALKMENE.

Nichtswürd'ger! Schändlicher!

Mit diesem Namen wagst du mich zu nennen?

Nicht vor des Gatten scheugebietendem

Antlitz bin ich vor deiner Wut gesichert?

Du Ungeheuer! Mir scheußlicher,

Als es geschwollen in Morästen nistet!

Was tat ich dir, daß du mir nahen mußtest,

Von einer Höllennacht bedeckt,

Dein Gift mir auf den Fittich hinzugeifern?

Was mehr, als daß ich, o du Böser, dir

Still, wie ein Maienwurm, ins Auge glänzte?

Jetzt erst, was für ein Wahn mich täuscht', erblick ich.

Der Sonne heller Lichtglanz war mir nötig,

Solch einen feilen Bau gemeiner Knechte,

Vom Prachtwuchs dieser königlichen Glieder,[402]

Den Farren von dem Hirsch zu unterscheiden?

Verflucht die Sinne, die so gröblichem

Betrug erliegen. O verflucht der Busen,

Der solche falschen Töne gibt!

Verflucht die Seele, die nicht so viel taugt,

Um ihren eigenen Geliebten sich zu merken!

Auf der Gebirge Gipfel will ich fliehen,

In tote Wildnis hin, wo auch die Eule

Mich nicht besucht, wenn mir kein Wächter ist,

Der in Unsträflichkeit den Busen mir bewahrt. –

Geh! deine schnöde List ist dir geglückt,

Und meiner Seele Frieden eingeknickt.

AMPHITRYON.

Du Unglückselige! Bin ich es denn,

Der dir in der verfloßnen Nacht erschienen?

ALKMENE.

Genug fortan! Entlaß mich, mein Gemahl.

Du wirst die bitterste der Lebensstunden

Jetzt gütig mir ein wenig kürzen.

Laß diesen tausend Blicken mich entfliehn,

Die mich wie Keulen, kreuzend niederschlagen.

JUPITER.

Du Göttliche! Glanzvoller als die Sonne!

Dein wartet ein Triumph, wie er in Theben

Noch keiner Fürstentochter ist geworden.

Und einen Augenblick verweilst du noch.


Zu Amphitryon.


Glaubst du nunmehr, daß ich Amphitryon?

AMPHITRYON.

Ob ich nunmehr Amphitryon dich glaube?

Du Mensch, – entsetzlicher,

Als mir der Atem reicht, es auszusprechen! –

ERSTER FELDHERR.

Verräter! Was? du weigerst dich?

ZWEITER FELDHERR.

Du leugnest?

ERSTER FELDHERR.

Wirst du jetzt etwa zu beweisen suchen,

Daß uns die Fürstin hinterging?

AMPHITRYON.

O ihrer Worte jedes ist wahrhaftig,

Zehnfach geläutert Gold ist nicht so wahr.

Läs ich, mit Blitzen in die Nacht, Geschriebnes,[403]

Und riefe Stimme mir des Donners zu,

Nicht dem Orakel würd ich so vertraun,

Als was ihr unverfälschter Mund gesagt.

Jetzt einen Eid selbst auf den Altar schwör ich,

Und sterbe siebenfachen Todes gleich,

Des unerschütterlich erfaßten Glaubens,

Daß er Amphitryon ihr ist.

JUPITER.

Wohlan! Du bist Amphitryon.

AMPHITRYON.

Ich bin's! –

Und wer bist du, furchtbarer Geist?

JUPITER.

Amphitryon. Ich glaubte, daß du's wüßtest.

AMPHITRYON.

Amphitryon! Das faßt kein Sterblicher.

Sei uns verständlich.

ALKMENE.

Welche Reden das?

JUPITER.

Amphitryon! Du Tor! Du zweifelst noch?

Argatiphontidas und Photidas,

Die Kadmusburg und Griechenland,

Das Licht, der Äther, und das Flüssige,

Das was da war, was ist, und was sein wird.

AMPHITRYON.

Hier, meine Freunde, sammelt euch um mich,

Und laßt uns sehn, wie sich dies Rätsel löst.

ALKMENE.

Entsetzlich!

DIE FELDHERREN.

Was von diesem Auftritt denkt man?

JUPITER zu Alkmenen.

Meinst du, dir sei Amphitryon erschienen?

ALKMENE.

Laß ewig in dem Irrtum mich, soll mir

Dein Licht die Seele ewig nicht umnachten.

JUPITER.

O Fluch der Seligkeit, die du mir schenktest,

Müßt ich dir ewig nicht vorhanden sein.

AMPHITRYON.

Heraus jetzt mit der Sprache dort: Wer bist du?


Blitz und Donnerschlag. Die Szene verhüllt sich mit Wolken. Es schwebt ein Adler mit dem Donnerkeil aus den Wolken nieder.


JUPITER.

Du willst es wissen?


Er ergreift den Donnerkeil; der Adler entflieht.
[404]

VOLK.

Götter!

JUPITER.

Wer bin ich?

DIE FELDHERREN UND OBERSTEN.

Der Schreckliche! Er selbst ist's! Jupiter!

ALKMENE.

Schützt mich ihr Himmlischen!


Sie fällt in Amphitryons Arme.


AMPHITRYON.

Anbetung dir

In Staub. Du bist der große Donnerer!

Und dein ist alles, was ich habe.

VOLK.

Er ist's! In Staub! In Staub das Antlitz hin!


Alles wirft sich zur Erde außer Amphitryon.


JUPITER.

Zeus hat in deinem Hause sich gefallen,

Amphitryon, und seiner göttlichen

Zufriedenheit soll dir ein Zeichen werden.

Laß deinen schwarzen Kummer jetzt entfliehen,

Und öffne dem Triumph dein Herz.

Was du, in mir, dir selbst getan, wird dir

Bei mir, dem, was ich ewig bin, nicht schaden.

Willst du in meiner Schuld den Lohn dir finden,

Wohlan, so grüß ich freundlich dich, und scheide.

Es wird dein Ruhm fortan, wie meine Welt,

In den Gestirnen seine Grenze haben.

Bist du mit deinem Dank zufrieden nicht,

Auch gut: Dein liebster Wunsch soll sich erfüllen,

Und eine Zunge geb ich ihm vor mir.

AMPHITRYON.

Nein, Vater Zeus, zufrieden bin ich nicht!

Und meines Herzens Wunsche wächst die Zunge.

Was du dem Tyndarus getan, tust du

Auch dem Amphitryon: Schenk einen Sohn

Groß, wie die Tyndariden, ihm.

JUPITER.

Es sei. Dir wird ein Sohn geboren werden,

Dess' Name Herkules: es wird an Ruhm

Kein Heros sich, der Vorwelt, mit ihm messen,

Auch meine ew'gen Dioskuren nicht.

Zwölf ungeheure Werke, wälzt er türmend[405]

Ein unvergänglich Denkmal sich zusammen.

Und wenn die Pyramide jetzt, vollendet,

Den Scheitel bis zum Wolkensaum erhebt,

Steigt er auf ihren Stufen himmelan

Und im Olymp empfang ich dann, den Gott.

AMPHITRYON.

Dank dir! – Und diese hier, nicht raubst du mir?

Sie atmet nicht. Sieh her.

JUPITER.

Sie wird dir bleiben;

Doch laß sie ruhn, wenn sie dir bleiben soll! –

Hermes!


Er verliert sich in den Wolken, welche sich mittlerweile in der Höhe geöffnet haben, und den Gipfel des Olymps zeigen, auf welchem die Olympischen gelagert sind.


ALKMENE.

Amphitryon!

MERKUR.

Gleich folg ich dir, du Göttlicher! –

Wenn ich erst jenem Kauze dort gesagt,

Daß ich sein häßliches Gesicht zu tragen,

Nun müde bin, daß ich's mir mit Ambrosia jetzt

Von den olymp'schen Wangen waschen werde;

Daß er besingenswürd'ge Schläg empfangen,

Und daß ich mehr und minder nicht, als Hermes,

Der Fußgeflügelte der Götter bin!


Ab.


SOSIAS.

Daß du für immer unbesungen mich

Gelassen hättst! Mein Lebtag sah ich noch

Solch einen Teufelskerl, mit Prügeln, nicht.

ERSTER FELDHERR.

Fürwahr! Solch ein Triumph –

ZWEITER FELDHERR.

So vieler Ruhm –

ERSTER OBERSTER.

Du siehst durchdrungen uns –

AMPHITRYON.

Alkmene!

ALKMENE.

Ach!

Quelle:
Heinrich von Kleist: Werke und Briefe in vier Bänden. Band 1, Berlin und Weimar 1978, S. 400-406.
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