Neunter Auftritt

[274] Walter. Adam. Frau Marthe usw. ohne die Magd.


ADAM.

– Wenn ich freimütig reden darf, Ihr Gnaden,

Die Sache eignet gut sich zum Vergleich.

WALTER.

Sich zum Vergleich? Das ist nicht klar, Herr Richter.

Vernünft'ge Leute können sich vergleichen;

Doch wie Ihr den Vergleich schon wollt bewirken,

Da noch durchaus die Sache nicht entworren,

Das hätt ich wohl von Euch zu hören Lust.

Wie denkt Ihr's anzustellen, sagt mir an?

Habt Ihr ein Urteil schon gefaßt?

ADAM.

Mein Seel!

Wenn ich, da das Gesetz im Stich mich läßt,

Philosophie zu Hülfe nehmen soll,

So war's – der Leberecht –

WALTER.

Wer?

ADAM.

Oder Ruprecht –

WALTER.

Wer?

ADAM.

Oder Lebrecht, der den Krug zerschlug.

WALTER.

Wer also war's? Der Lebrecht oder Ruprecht?

Ihr greift, ich seh, mit Eurem Urteil ein,

Wie eine Hand in einen Sack voll Erbsen.[274]

ADAM.

Erlaubt!

WALTER.

Schweigt, schweigt, ich bitt Euch.

ADAM.

Wie Ihr wollt.

Auf meine Ehr, mir wär's vollkommen recht,

Wenn sie es alle beid gewesen wären.

WALTER.

Fragt dort, so werdet Ihr's erfahren.

ADAM.

Sehr gern.

Doch wenn Ihr's herausbekommt, bin ich ein Schuft.

– Habt Ihr das Protokoll da in Bereitschaft?

LICHT.

Vollkommen.

ADAM.

Gut.

LICHT.

Und brech ein eignes Blatt mir,

Begierig, was darauf zu stehen kommt.

ADAM.

Ein eignes Blatt? Auch gut.

WALTER.

Sprich dort, mein Kind.

ADAM.

Sprich, Evchen, hörst du, sprich jetzt, Jungfer Evchen!

Gib Gotte, hörst du, Herzchen, gib, mein Seel,

Ihm und der Welt, gib ihm was von der Wahrheit.

Denk, daß du hier vor Gottes Richtstuhl bist,

Und daß du deinen Richter nicht mit Leugnen,

Und Plappern, was zur Sache nicht gehört,

Betrüben mußt. Ach, was! Du bist vernünftig.

Ein Richter immer, weißt du, ist ein Richter,

Und einer braucht ihn heut, und einer morgen.

Sagst du, daß es der Lebrecht war: nun gut;

Und sagst du, daß es Ruprecht war: auch gut!

Sprich so, sprich so, ich bin kein ehrlicher Kerl,

Es wird sich alles, wie du's wünschest finden.

Willst du mir hier von einem andern trätschen,

Und dritten etwa, dumme Namen nennen:

Sieh, Kind, nimm dich in acht, ich sag nichts weiter.

In Huisum, hol's der Henker, glaubt dir's keiner,

Und keiner, Evchen, in den Niederlanden,

Du weißt, die weißen Wände zeugen nicht,

Der auch wird zu verteidigen sich wissen:

Und deinen Ruprecht holt die Schwerenot![275]

WALTER.

Wenn Ihr doch Eure Reden lassen wolltet.

Geschwätz, gehauen nicht und nicht gestochen.

ADAM.

Verstehen's Euer Gnaden nicht?

WALTER.

Macht fort!

Ihr habt zulängst hier auf dem Stuhl gesprochen.

ADAM.

Auf Ehr! Ich habe nicht studiert, Euer Gnaden.

Bin ich euch Herrn aus Utrecht nicht verständlich,

Mit diesem Volk vielleicht verhält sich's anders:

Die Jungfer weiß, ich wette, was ich will.

FRAU MARTHE.

Was soll das? Dreist heraus jetzt mit der Sprache!

EVE.

O liebste Mutter!

FRAU MARTHE.

Du –! Ich rate dir!

RUPRECHT.

Mein Seel, 's ist schwer, Frau Marthe, dreist zu sprechen,

Wenn das Gewissen an der Kehl uns sitzt.

ADAM.

Schweig Er jetzt, Nasweis, mucks Er nicht.

FRAU MARTHE.

Wer war's?

EVE.

O Jesus!

FRAU MARTHE.

Maulaffe, der! Der niederträchtige!

O Jesus! Als ob sie eine Hure wäre.

War's der Herr Jesus?

ADAM.

Frau Marthe! Unvernunft!

Was das für –! Laß Sie die Jungfer doch gewähren!

Das Kind einschrecken – Hure – Schafsgesicht!

So wird's uns nichts. Sie wird sich schon besinnen.

RUPRECHT.

O ja, besinnen.

ADAM.

Flaps dort, schweig Er jetzt.

RUPRECHT.

Der Flickschuster wird ihr schon einfallen.

ADAM.

Der Satan! Ruft den Büttel! He! Hanfriede!

RUPRECHT.

Nun, nun! Ich schweig, Herr Richter, laßt's nur sein.

Sie wird Euch schon auf meinen Namen kommen.

FRAU MARTHE.

Hör du, mach mir hier kein Spektakel, sag ich.

Hör, neunundvierzig bin ich alt geworden[276]

In Ehren: funfzig möcht ich gern erleben.

Den dritten Februar ist mein Geburtstag;

Heut ist der erste. Mach es kurz. Wer war's?

ADAM.

Gut, meinethalben! Gut, Frau Marthe Rull!

FRAU MARTHE.

Der Vater sprach, als er verschied: Hör, Marthe,

Dem Mädel schaff mir einen wackern Mann;

Und wird sie eine liederliche Metze,

So gib dem Totengräber einen Groschen,

Und laß mich wieder auf den Rücken legen:

Mein Seel, ich glaub, ich kehr im Grab mich um.

ADAM.

Nun, das ist auch nicht übel.

FRAU MARTHE.

Willst du Vater

Und Mutter jetzt, mein Evchen, nach dem vierten

Gebot hoch ehren, gut, so sprich: in meine Kammer

Ließ ich den Schuster, oder einen dritten,

Hörst du? Der Bräut'gam aber war es nicht.

RUPRECHT.

Sie jammert mich. Laßt doch den Krug, ich bitt Euch;

Ich will'n nach Utrecht tragen. Solch ein Krug –

Ich wollt ich hätt ihn nur entzweigeschlagen.

EVE.

Unedelmüt'ger, du! Pfui, schäme dich,

Daß du nicht sagst, gut, ich zerschlug den Krug!

Pfui, Ruprecht, pfui, o schäme dich, daß du

Mir nicht in meiner Tat vertrauen kannst.

Gab ich die Hand dir nicht, und sagte, ja,

Als du mich fragtest, Eve, willst du mich?

Meinst du, daß du den Flickschuster nicht wert bist?

Und hättest du durchs Schlüsselloch mich mit

Dem Lebrecht aus dem Kruge trinken sehen,

Du hättest denken sollen: Ev ist brav,

Es wird sich alles ihr zum Ruhme lösen,

Und ist's im Leben nicht, so ist es jenseits,

Und wenn wir auferstehn ist auch ein Tag.

RUPRECHT.

Mein Seel, das dauert mir zu lange, Evchen.

Was ich mit Händen greife, glaub ich gern.[277]

EVE.

Gesetzt, es wär der Leberecht gewesen,

Warum – des Todes will ich ewig sterben,

Hätt ich's dir Einzigem nicht gleich vertraut;

Jedoch warum vor Nachbarn, Knecht' und Mägden –

Gesetzt, ich hätte Grund, es zu verbergen,

Warum, o Ruprecht, sprich, warum nicht sollt ich,

Auf dein Vertraun hin sagen, daß du's warst?

Warum nicht sollt ich's? Warum sollt ich's nicht?

RUPRECHT.

Ei, so zum Henker, sag's, es ist mir recht,

Wenn du die Fiedel dir ersparen kannst.

EVE.

O du Abscheulicher! Du Undankbarer!

Wert, daß ich mir die Fiedel spare! Wert,

Daß ich mit einem Wort zu Ehren mich,

Und dich in ewiges Verderben bringe.

WALTER.

Nun –? Und dies einz'ge Wort –? Halt uns nicht auf.

Der Ruprecht also war es nicht?

EVE.

Nein, gnäd'ger Herr, weil er's denn selbst so will,

Um seinetwillen nur verschwieg ich es:

Den irdnen Krug zerschlug der Ruprecht nicht,

Wenn er's Euch selber leugnet, könnt Ihr's glauben.

FRAU MARTHE.

Eve! Der Ruprecht nicht?

EVE.

Nein, Mutter, nein!

Und wenn ich's gestern sagte, war's gelogen.

FRAU MARTHE.

Hör, dir zerschlag ich alle Knochen!


Sie setzt den Krug nieder.


EVE.

Tut, was Ihr wollt.

WALTER drohend.

Frau Marthe!

ADAM.

He! Der Büttel! –

Schmeißt sie heraus dort, die verwünschte Vettel!

Warum soll's Ruprecht just gewesen sein.

Hat Sie das Licht dabei gehalten, was?

Die Jungfer, denk ich, wird es wissen müssen:

Ich bin ein Schelm, wenn's, nicht der Lebrecht war.

FRAU MARTHE.

War es der Lebrecht etwa? War's der Lebrecht?

ADAM.

Sprich, Evchen, war's der Lebrecht nicht, mein Herzchen?[278]

EVE.

Er Unverschämter, Er! Er Niederträcht'ger!

Wie kann Er sagen, daß es Lebrecht –

WALTER.

Jungfer!

Was untersteht Sie sich? Ist das mir der

Respekt, den Sie dem Richter schuldig ist?

EVE.

Ei, was! Der Richter dort! Wert, selbst vor dem

Gericht, ein armer Sünder, dazustehn –

– Er, der wohl besser weiß, wer es gewesen!


Sich zum Dorfrichter wendend.


Hat Er den Lebrecht in die Stadt nicht gestern

Geschickt nach Utrecht, vor die Kommission,

Mit dem Attest, die die Rekruten aushebt?

Wie kann Er sagen, daß es Lebrecht war,

Wenn Er wohl weiß, daß der in Utrecht ist?

ADAM.

Nun wer denn sonst? Wenn's Lebrecht nicht, zum Henker –

Nicht Ruprecht ist, nicht Lebrecht ist – – Was machst du?

RUPRECHT.

Mein Seel, Herr Richter Adam, laßt Euch sagen,

Hierin mag doch die Jungfer just nicht lügen,

Dem Lebrecht bin ich selbst begegnet gestern,

Als er nach Utrecht ging, früh war's Glock acht,

Und wenn er auf ein Fuhrwerk sich nicht lud,

Hat sich der Kerl, krummbeinig wie er ist,

Glock zehn Uhr nachts noch nicht zurück gehaspelt.

Es kann ein dritter wohl gewesen sein.

ADAM.

Ach, was! Krummbeinig! Schafsgesicht! Der Kerl

Geht seinen Stiefel, der, trotz einem.

Ich will von ungespaltnem Leibe sein,

Wenn nicht ein Schäferhund von mäß'ger Größe

Muß seinen Trab gehn, mit ihm fortzukommen.

WALTER.

Erzähl den Hergang uns.

ADAM.

Verzeihn Euer Gnaden!

Hierauf wird Euch die Jungfer schwerlich dienen.

WALTER.

Nicht dienen? Mir nicht dienen? Und warum nicht?

ADAM.

Ein twatsches Kind. Ihr seht's. Gut, aber twatsch.

Blutjung, gefirmelt kaum; das schämt sich noch,[279]

Wenn's einen Bart von weitem sieht. So'n Volk,

Im Finstern leiden sie's, und wenn es Tag wird,

So leugnen sie's vor ihrem Richter ab.

WALTER.

Ihr seid sehr nachsichtsvoll, Herr Richter Adam,

Sehr mild, in allem, was die Jungfer angeht.

ADAM.

Die Wahrheit Euch zu sagen, Herr Gerichtsrat,

Ihr Vater war ein guter Freund von mir.

Wollen Euer Gnaden heute huldreich sein,

So tun wir hier nicht mehr, als unsre Pflicht,

Und lassen seine Tochter gehn.

WALTER.

Ich spüre große Lust in mir, Herr Richter,

Der Sache völlig auf den Grund zu kommen. –

Sei dreist, mein Kind; sag, wer den Krug zerschlagen.

Vor niemand stehst du, in dem Augenblick,

Der einen Fehltritt nicht verzeihen könnte.

EVE.

Mein lieber, würdiger und gnäd'ger Herr,

Erlaßt mir, Euch den Hergang zu erzählen.

Von dieser Weigrung denkt uneben nicht.

Es ist des Himmels wunderbare Fügung,

Die mir den Mund in dieser Sache schließt.

Daß Ruprecht jenen Krug nicht traf, will ich

Mit einem Eid, wenn Ihr's verlangt,

Auf heiligem Altar bekräftigen.

Jedoch die gestrige Begebenheit,

Mit jedem andern Zuge, ist mein eigen,

Und nicht das ganze Garnstück kann die Mutter,

Um eines einz'gen Fadens willen, fordern,

Der, ihr gehörig, durchs Gewebe läuft.

Ich kann hier, wer den Krug zerschlug, nicht melden,

Geheimnisse, die nicht mein Eigentum,

Müßt ich, dem Kruge völlig fremd, berühren.

Früh oder spät will ich's ihr anvertrauen,

Doch hier das Tribunal ist nicht der Ort,

Wo sie das Recht hat, mich darnach zu fragen.

ADAM.

Nein, rechtens nicht. Auf meine Ehre nicht.

Die Jungfer weiß, wo unsre Zäume hängen.[280]

Wenn sie den Eid hier vor Gericht will schwören,

So fällt der Mutter Klage weg:

Dagegen ist nichts weiter einzuwenden.

WALTER.

Was sagt zu der Erklärung Sie, Frau Marthe?

FRAU MARTHE.

Wenn ich gleich was Erkleckliches nicht aufbring,

Gestrenger Herr, so glaubt, ich bitt Euch sehr,

Daß mir der Schlag bloß jetzt die Zunge lähmte.

Beispiele gibt's, daß ein verlorner Mensch,

Um vor der Welt zu Ehren sich zu bringen,

Den Meineid vor dem Richterstuhle wagt; doch daß

Ein falscher Eid sich schwören kann, auf heil'gem

Altar, um an den Pranger hinzukommen,

Das heut erfährt die Welt zum erstenmal.

Wär, daß ein andrer, als der Ruprecht, sich

In ihre Kammer gestern schlich, gegründet,

Wär's überall nur möglich, gnäd'ger Herr,

Versteht mich wohl, – so säumt ich hier nicht länger.

Den Stuhl setzt ich, zur ersten Einrichtung,

Ihr vor die Tür, und sagte, geh, mein Kind,

Die Welt ist weit, da zahlst du keine Miete,

Und lange Haare hast du auch geerbt,

Woran du dich, kommt Zeit, kommt Rat, kannst hängen.

WALTER.

Ruhig, ruhig, Frau Marthe.

FRAU MARTHE.

Da ich jedoch

Hier den Beweis noch anders führen kann,

Als bloß durch sie, die diesen Dienst mir weigert,

Und überzeugt bin völlig, daß nur er

Mir, und kein anderer den Krug zerschlug,

So bringt die Lust, es kurzhin abzuschwören,

Mich noch auf einen schändlichen Verdacht.

Die Nacht von gestern birgt ein anderes

Verbrechen noch, als bloß die Krugverwüstung.

Ich muß Euch sagen, gnäd'ger Herr, daß Ruprecht

Zur Konskription gehört, in wenig Tagen

Soll er den Eid zur Fahn in Utrecht schwören.[281]

Die jungen Landessöhne reißen aus.

Gesetzt, er hätte gestern nacht gesagt:

Was meinst du, Evchen? Komm. Die Welt ist groß.

Zu Kist' und Kasten hast du ja die Schlüssel –

Und sie, sie hätt ein wenig sich gesperrt:

So hätte ohngefähr, da ich sie störte,

– Bei ihm aus Rach, aus Liebe noch bei ihr –

Der Rest, so wie geschehn, erfolgen können.

RUPRECHT.

Das Rabenaas! Was das für Reden sind!

Zu Kist' und Kasten –

WALTER.

Still!

EVE.

Er, austreten!

WALTER.

Zur Sache hier. Vom Krug ist hier die Rede. –

Beweis, Beweis, daß Ruprecht ihn zerbrach!

FRAU MARTHE.

Gut, gnäd'ger Herr. Erst will ich hier beweisen,

Daß Ruprecht mir den Krug zerschlug,

Und dann will ich im Hause untersuchen. –

Seht, eine Zunge, die mir Zeugnis redet,

Bring ich für jedes Wort auf, das er sagte,

Und hätt in Reihen gleich sie aufgeführt,

Wenn ich von fern geahndet nur, daß diese

Die ihrige für mich nicht brauchen würde.

Doch wenn ihr Frau Brigitte jetzo ruft,

Die ihm die Muhm ist, so genügt mir die,

Weil die den Hauptpunkt just bestreiten wird.

Denn die, die hat Glock halb auf eilf im Garten,

Merkt wohl, bevor der Krug zertrümmert worden,

Wortwechselnd mit der Ev ihn schon getroffen;

Und wie die Fabel, die er aufgestellt,

Vom Kopf zu Fuß dadurch gespalten wird,

Durch diese einz'ge Zung, ihr hohen Richter,

Das überlaß ich selbst euch einzusehn.

RUPRECHT.

Wer hat mich –?

VEIT.

Schwester Briggi?

RUPRECHT.

Mich mit Ev? Im Garten?[282]

FRAU MARTHE.

Ihn mit der Ev, im Garten, Glock halb eilf,

Bevor er noch, wie er geschwätzt, um eilf

Das Zimmer überrumpelnd eingesprengt:

Im Wortgewechsel, kosend bald, bald zerrend,

Als wollt er sie zu etwas überreden.

ADAM für sich.

Verflucht! Der Teufel ist mir gut.

WALTER.

Schafft diese Frau herbei.

RUPRECHT.

Ihr Herrn, ich bitt euch:

Das ist kein wahres Wort, das ist nicht möglich.

ADAM.

O wart, Halunke! – He! Der Büttel! Hanfried! –

Denn auf der Flucht zerschlagen sich die Krüge –

– Herr Schreiber, geht, schafft Frau Brigitt herbei!

VEIT.

Hör, du verfluchter Schlingel, du, was machst du?

Dir brech ich alle Knochen noch.

RUPRECHT.

Weshalb auch?

VEIT.

Warum verschwiegst du, daß du mit der Dirne

Glock halb auf eilf im Garten schon scharwenzt?

Warum verschwiegst du's?

RUPRECHT.

Warum ich's verschwieg?

Gotts Schlag und Donner, weil's nicht wahr ist, Vater!

Wenn das die Muhme Briggi zeugt, so hängt mich.

Und bei den Beinen sie meinthalb dazu.

VEIT.

Wenn aber sie's bezeugt – nimm dich in acht!

Du und die saubre Jungfer Eve dort,

Wie ihr auch vor Gericht euch stellt, ihr steckt

Doch unter einer Decke noch. 's ist irgend

Ein schändliches Geheimnis noch, von dem

Sie weiß, und nur aus Schonung hier nichts sagt.

RUPRECHT.

Geheimnis! Welches?

VEIT.

Warum hast du eingepackt?

He? Warum hast du gestern abend eingepackt?

RUPRECHT.

Die Sachen?

VEIT.

Röcke, Hosen, ja, und Wäsche;

Ein Bündel, wie's ein Reisender just auf

Die Schultern wirft?

RUPRECHT.

Weil ich nach Utrecht soll![283]

Weil ich zum Regiment soll! Himmel – Donner –!

Glaubt Er, daß ich –?

VEIT.

Nach Utrecht? Ja, nach Utrecht!

Du hast geeilt, nach Utrecht hinzukommen!

Vorgestern wußtest du noch nicht, ob du

Den fünften oder sechsten Tag wirst reisen.

WALTER.

Weiß Er zur Sache was zu melden, Vater?

VEIT.

– Gestrenger Herr, ich will noch nichts behaupten.

Ich war daheim, als sich der Krug zerschlug,

Und auch von einer andern Unternehmung

Hab ich, die Wahrheit zu gestehn, noch nichts,

Wenn ich jedweden Umstand wohl erwäge,

Das meinen Sohn verdächtig macht, bemerkt.

Von seiner Unschuld völlig überzeugt,

Kam ich hieher, nach abgemachtem Streit

Sein ehelich Verlöbnis aufzulösen,

Und ihm das Silberkettlein einzufordern,

Zusamt dem Schaupfennig, den er der Jungfer

Bei dem Verlöbnis vor'gen Herbst verehrt.

Wenn jetzt von Flucht was, und Verräterei

An meinem grauen Haar zutage kommt,

So ist mir das so neu, ihr Herrn, als euch:

Doch dann der Teufel soll den Hals ihm brechen.

WALTER.

Schafft Frau Brigitt herbei, Herr Richter Adam.

ADAM.

– Wird Euer Gnaden diese Sache nicht

Ermüden? Sie zieht sich in die Länge.

Euer Gnaden haben meine Kassen noch,

Und die Registratur – Was ist die Glocke?

LICHT.

Es schlug soeben halb.

ADAM.

Auf eilf!

LICHT.

Verzeiht, auf zwölfe.

WALTER.

Gleichviel.

ADAM.

Ich glaub, die Zeit ist, oder Ihr verrückt.


Er sieht nach der Uhr.


Ich bin kein ehrlicher Mann. – Ja, was befehlt Ihr?

WALTER.

Ich bin der Meinung –[284]

ADAM.

Abzuschließen? Gut –!

WALTER.

Erlaubt! Ich bin der Meinung, fortzufahren.

ADAM.

Ihr seid der Meinung – Auch gut. Sonst würd ich

Auf Ehre, morgen früh, Glock neun, die Sache,

Zu Euerer Zufriedenheit beend'gen.

WALTER.

Ihr wißt um meinen Willen.

ADAM.

Wie Ihr befehlt.

Herr Schreiber, schickt die Büttel ab; sie sollen

Sogleich ins Amt die Frau Brigitte laden.

WALTER.

Und nehmt Euch – Zeit, die mir viel wert, zu sparen –

Gefälligst selbst der Sach ein wenig an.


Licht ab.


Quelle:
Heinrich von Kleist: Werke und Briefe in vier Bänden. Band 1, Berlin und Weimar 1978, S. 274-285.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Der zerbrochene Krug
Der zerbrochene Krug: Ein Lustspiel. Textausgabe mit Materialien
Der zerbrochene Krug. Ein Lustspiel.
Klassische Schullektüre, Der zerbrochene Krug
Der zerbrochene Krug
Der zerbrochene Krug

Buchempfehlung

Stifter, Adalbert

Der Waldbrunnen / Der Kuß von Sentze

Der Waldbrunnen / Der Kuß von Sentze

Der Waldbrunnen »Ich habe zu zwei verschiedenen Malen ein Menschenbild gesehen, von dem ich jedes Mal glaubte, es sei das schönste, was es auf Erden gibt«, beginnt der Erzähler. Das erste Male war es seine Frau, beim zweiten Mal ein hübsches 17-jähriges Romamädchen auf einer Reise. Dann kommt aber alles ganz anders. Der Kuß von Sentze Rupert empfindet die ihm von seinem Vater als Frau vorgeschlagene Hiltiburg als kalt und hochmütig und verweigert die Eheschließung. Am Vorabend seines darauffolgenden Abschieds in den Krieg küsst ihn in der Dunkelheit eine Unbekannte, die er nicht vergessen kann. Wer ist die Schöne? Wird er sie wiedersehen?

58 Seiten, 4.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Geschichten aus dem Biedermeier III. Neun weitere Erzählungen

Geschichten aus dem Biedermeier III. Neun weitere Erzählungen

Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Für den dritten Band hat Michael Holzinger neun weitere Meistererzählungen aus dem Biedermeier zusammengefasst.

444 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon