Erster Auftritt

[257] Hermann auf dem Thron. Ihm zur Seite Eginhardt. Ventidius, der Legat von Rom, steht vor ihm.


HERMANN.

Ventidius! Deine Botschaft, in der Tat,

Erfreut zugleich mich und bestürzt mich.

– Augustus, sagst du, beut zum drittenmal,

Mir seine Hülfe gegen Marbod an.

VENTIDIUS.

Ja, mein erlauchter Herr. Die drei Legionen,

Die, in Sicambrien, am Strom der Lippe stehn,

Betrachte sie wie dein! Quintilius Varus harrt,

Ihr großer Feldherr, deines Winkes nur,

In die Cheruskerplätze einzurücken.

Drei Tage, mehr bedarf es nicht, so steht er

Dem Marbod schon, am Bord der Weser, gegenüber,

Und zahlt, vorn an der Pfeile Spitzen,

Ihm das Metall, das er gewagt,

Dir als Tribut, der Trotz'ge, abzufodern.

HERMANN.

Freund, dir ist selbst bekannt, wie manchem bittern Drangsal

Ein Land ist heillos preis gestellt,

Das einen Heereszug erdulden muß.

Da finden Raub und Mord und Brand sich,

Der höllentstiegene Geschwisterreigen, ein,[257]

Und selbst das Beil oft hält sie nicht zurück.

Meinst du nicht, alles wohl erwogen,

Daß ich imstande wär, allein

Cheruska vor dem Marbod zu beschützen?

VENTIDIUS.

Nein, nein, mein Fürst! Den Wahn, ich bitte dich, entferne!

Gewiß, die Scharen, die du führst, sie bilden

Ein würdig kleines Heer, jedoch bedenke,

Mit welchem Feind du es zu tun!

Marbod, das Kind des Glücks, der Fürst der Sueven ist's,

Der, von den Riesenbergen niederrollend,

Stets siegreich, wie ein Ball von Schnee, sich groß gewälzt.

Wo ist der Wall, um solchem Sturz zu wehren?

Die Römer werden Mühe haben,

Die weltbesiegenden, wie mehr, o Herr, denn du,

Dein Reich vor der Verschüttung zu beschirmen.

HERMANN.

Freilich! Freilich! Du hast zu sehr nur recht.

Das Schicksal, das im Reich der Sterne waltet,

Ihn hat es, in der Luft des Kriegs,

Zu einem Helden rüstig großgezogen,

Dagegen mir, du weißt, das sanftre Ziel sich steckte:

Dem Weib, das mir vermählt, der Gatte,

Ein Vater meinen süßen Kindern,

Und meinem Volk ein guter Fürst zu sein.

Seit jener Mordschlacht, die den Ariovist vernichtet,

Hab ich im Felde mich nicht mehr gezeigt;

Die Weisung werd ich nimmermehr vergessen:

Es war, im Augenblick der gräßlichen Verwirrung,

Als ob ein Geist erstünde und mir sagte,

Daß mir das Schicksal hier nicht günstig wäre. –

VENTIDIUS.

Gewiß! Die Weisheit, die du mir entfaltest,

Füllt mit Bewundrung mich. – Zudem muß ich dir sagen,

Daß so, wie nun die Sachen dringend stehn,

O Herr, dir keine Wahl mehr bleibt,

Daß du dich zwischen Marbod und Augustus

Notwendig jetzt entscheiden mußt;[258]

Daß dieses Sueven Macht, im Reich Germaniens,

Zu ungeheuer anwuchs; daß Augustus

Die Oberherrschaft keinem gönnen kann,

Der, auf ein Heer, wie Marbod, trotzend,

Sich selbst sie nur verdanken will; ja, wenn

Er je ein Oberhaupt der Deutschen anerkennt,

Ein Fürst es sein muß, das begreifst du,

Den er, durch einen Schritt, verhängnisvoll wie diesen,

Auf immer seinem Thron verbinden kann.

HERMANN nach einer kurzen Pause.

Wenn du die Aussicht mir eröffnen könntest,

Ventidius, daß mir

Die höchste Herrschgewalt in Deutschland zugedacht:

So würd Augustus, das versichr ich dich,

Den wärmsten Freund würd er an mir erhalten. –

Denn dieses Ziel, das darf ich dir gestehn,

Reizt meinen Ehrgeiz, und mit Neid

Seh ich den Marbod ihm entgegeneilen.

VENTIDIUS.

Mein Fürst! Das ist kein Zweifel mehr.

Glaub nicht, was Meuterei hier ausgesprengt,

Ein Neffe werd Augusts, sobald es nur erobert,

In Deutschland, als Präfekt, sich niederlassen;

Und wenn gleich Scipio, Agricola, Licin,

Durch meinen großen Kaiser eingesetzt,

Nariska, Markoland und Nervien jetzt verwalten:

Ein Deutscher kann das Ganze nur beherrschen!

Der Grundsatz, das versichr ich dich,

Steht, wie ein Felsen, bei Senat und Volk!

Wenn aber, das entscheide selbst,

Ein Deutscher solch ein Amt verwalten soll:

Wer kann es sein, o Herr, als der allein,

Durch dessen Hülfe uns ersprießlich,

Sich solch ein Herrschamt allererst errichtet?

HERMANN vom Thron herabsteigend.

Nun denn, Legat der römischen Cäsaren,

So werf ich, was auch säum ich länger,[259]

Mit Thron und Reich, in deine Arme mich!

Cheruskas ganze Macht leg ich,

Als ein Vasall, zu Augusts Füßen nieder.

Laß Varus kommen, mit den Legionen;

Ich will fortan, auf Schutz und Trutz

Mich wider König Marbod ihm verbinden!

VENTIDIUS.

Nun, bei den Uraniden! Dieser Tag,

Er ist der schönste meines Lebens!

Ich eile dem August, o Herr, dein Wort zu melden.

Man wird in Rom die Zirken öffnen,

Die Löwen kämpfen, die Athleten, lassen,

Und Freudenfeuer in die Nächte schicken!

– Wann darf Quintilius jezt die Lippe überschreiten?

HERMANN.

Wann es sein Vorteil will.

VENTIDIUS.

Wohlan, so wirst

Du morgen schon in Teutoburg ihn sehn.

– Vergönne, daß ich die Minute nütze.


Ab.


Quelle:
Heinrich von Kleist: Werke und Briefe in vier Bänden. Band 2, Berlin und Weimar 1978, S. 257-260.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Die Hermannsschlacht
Die Hermannsschlacht
Die Hermannsschlacht: In einer Bearbeitung von Rudolph Genée. Mit Erläuterungen von Alfred Heil
Hermannsschlacht: Ein Gedicht Auf Ã-sterreich (German Edition)

Buchempfehlung

Naubert, Benedikte

Die Amtmannin von Hohenweiler

Die Amtmannin von Hohenweiler

Diese Blätter, welche ich unter den geheimen Papieren meiner Frau, Jukunde Haller, gefunden habe, lege ich der Welt vor Augen; nichts davon als die Ueberschriften der Kapitel ist mein Werk, das übrige alles ist aus der Feder meiner Schwiegermutter, der Himmel tröste sie, geflossen. – Wozu doch den Weibern die Kunst zu schreiben nutzen mag? Ihre Thorheiten und die Fehler ihrer Männer zu verewigen? – Ich bedaure meinen seligen Schwiegervater, er mag in guten Händen gewesen seyn! – Mir möchte meine Jukunde mit solchen Dingen kommen. Ein jeder nehme sich das Beste aus diesem Geschreibsel, so wie auch ich gethan habe.

270 Seiten, 13.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Geschichten aus dem Biedermeier III. Neun weitere Erzählungen

Geschichten aus dem Biedermeier III. Neun weitere Erzählungen

Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Für den dritten Band hat Michael Holzinger neun weitere Meistererzählungen aus dem Biedermeier zusammengefasst.

444 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon