Zweiundzwanzigster Auftritt

[342] Hermann mit bloßem Schwert, von der einen Seite, Fust, Fürst der Cimbern, und Gueltar, Fürst der Nervier, von der andern, treten hitzig auf. – Varus.


HERMANN.

Steh, du Tyrannenknecht, dein Reich ist aus!

FUST.

Steh, Höllenhund!

GUELTAR.

Steh, Wolf vom Tiberstrande,

Hier sind die Jäger, die dich fällen wollen!


Fust und Gueltar stellen sich auf Hermanns Seite.


VARUS nimmt ein Schwert auf.

Nun will ich tun, als führt ich zehn Legionen! –[342]

Komm her, du dort im Fell des zott'gen Löwen,

Und laß mich sehn, ob du Herakles bist!


Hermann und Varus bereiten sich zum Kampf.


FUST sich zwischen sie werfend.

Halt dort, Armin! Du hast des Ruhms genug.

GUELTAR ebenso.

Halt, sag auch ich!

FUST.

Quintilius Varus

Ist mir, und wenn ich sinke, dem verfallen!

HERMANN.

Wem! Dir? Euch? – Ha! Sieh da! Mit welchem Recht?

FUST.

Das Recht, bei Mana, wenn du es verlangst,

Mit Blut schreib ich's auf deine schöne Stirn!

Er hat in Schmach und Schande mich gestürzt,

An Deutschland, meinem Vaterlande,

Der Mordknecht, zum Verräter mich gemacht:

Den Schandfleck wasch ich ab in seinem Blute,

Das hab ich heut, das mußt du wissen,

Gestreckt am Boden heulend, mir,

Als mir dein Brief kam, Göttlicher, gelobt!

HERMANN.

Gestreckt am Boden heulend! Sei verwünscht,

Gefallner Sohn des Teut, mit deiner Reue!

Soll ich von Schmach dich rein zu waschen,

Den Ruhm, beim Jupiter, entbehren,

Nach dem ich durch zwölf Jahre treu gestrebt?

Komm her, fall aus und triff – und verflucht sei,

Wer jenen Römer eh' berührt,

Als dieser Streit sich zwischen uns gelöst!


Sie fechten.


VARUS für sich.

Ward solche Schmach im Weltkreis schon erlebt?

Als wär ich ein gefleckter Hirsch,

Der, mit zwölf Enden durch die Forsten bricht! –

HERMANN hält inne.

GUELTAR.

Sieg, Fust, halt ein! Das Glück hat dir entschieden[343]

FUST.

Wem? Mir? – Nein, sprich!

GUELTAR.

Beim Styx! Er kann's nicht leugnen.

Blut rötet ihm den Arm!

FUST.

Was! Traf ich dich?

HERMANN indem er sich den Arm verbindet.

Ich will's zufrieden sein. Dein Schwert fällt gut.

Da nimm ihn hin. Man kann ihn dir vertraun.


Er geht, mit einem tötenden Blick auf Varus, auf die Seite.


VARUS wütend.

Zeus, diesen Übermut hilfst du mir strafen!

Du schnöder, pfauenstolzer Schelm,

Der du gesiegt, heran zu mir,

Es soll der Tod sein, den du dir errungen!

FUST.

Der Tod? Nimm dich in acht! Auch noch im Tode

Zapf ich das Blut dir ab, das rein mich wäscht.


Sie fechten; Varus fällt.


VARUS.

Rom, wenn du fällst, wie ich: was willst du mehr?


Er stirbt.


DAS GEFOLGE.

Triumph! Triumph! Germaniens Todfeind stürzt!

Heil, Fust, dir! Heil dir, Fürst der Cimbern!

Der du das Vaterland von ihm befreit!


Pause.


FUST.

Hermann! Mein Bruderherz! Was hab ich dir getan?


Er fällt ihm um den Hals.


HERMANN.

Nun, es ist alles gut.

GUELTAR umhalst ihn gleichfalls.

Du bist verwundet –!

FUST.

Das Blut des besten Deutschen fällt in Staub.

HERMANN.

Ja, allerdings.

FUST.

Daß mir die Hand verdorrte!

GUELTAR.

Komm her, soll ich das Blut dir saugen?

FUST.

Mir laß – mir, mir!

HERMANN.

Ich bitt euch, meine Freunde –!

FUST.

Hermann, du bist mir bös, mein Bruderherz,

Weil ich den Siegskranz schelmisch dir geraubt?![344]

HERMANN.

Du bist nicht klug! Vielmehr, es macht mich lachen!

Laß einen Herold gleich nur kommen,

Der deinen Namen ausposaune:

Und mir schaff einen Arzt, der mich verbindet.


Er lacht und geht ab.


DAS GEFOLGE.

Kommt! hebt die Leiche auf und tragt sie fort!


Alle ab.


Szene: Teutoburg. Platz unter Trümmern.


Quelle:
Heinrich von Kleist: Werke und Briefe in vier Bänden. Band 2, Berlin und Weimar 1978, S. 342-345.
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