Letzter Auftritt

[346] Marbod mit Gefolge tritt auf. Hinter ihm, von einer Wache geführt, Aristan, Fürst der Ubier, in Fesseln. – Die Vorigen


HERMANN beugt ein Knie vor ihm.

Heil, Marbod, meinem edelmüt'gen Freund!

Und wenn Germanien meine Stimme hört:

Heil seinem großen Oberherrn und König!

MARBOD.

Steh auf, Arminius, wenn ich reden soll!

HERMANN.

Nicht ehr, o Herr, als bis du mir gelobt,

Nun den Tribut, der uns entzweite,

Von meinem Kämmrer huldreich anzunehmen![346]

MARBOD.

Steh auf, ich wiederhol's! Wenn ich dein König,

So ist mein erst Gebot an dich: steh auf!


Hermann steht auf.


MARBOD beugt ein Knie vor ihm.

Heil, ruf ich, Hermann, dir, dem Retter von Germanien!

Und wenn es meine Stimme hört:

Heil seinem würd'gen Oberherrn und König!

Das Vaterland muß einen Herrscher haben,

Und weil die Krone sonst, zur Zeit der grauen Väter,

Bei deinem Stamme rühmlich war:

Auf deine Scheitel falle sie zurück!

DIE SUEVISCHEN FELDHERRN.

Heil, Hermann! Heil dir, König von Germanien!

So ruft der Suev, auf König Marbods Wort!

FUST vortretend.

Heil, ruf auch ich, beim Jupiter!

GUELTAR.

Und ich!

WOLF UND THUISKOMAR.

Heil, König Hermann, alle Deutschen dir!


Marbod steht auf.


HERMANN umarmt ihn.

Laß diese Sach, beim nächsten Mondlicht, uns,

Wenn die Druiden Wodan opfern,

In der gesamten Fürsten Rat, entscheiden!

MARBOD.

Es sei! Man soll im Rat die Stimmen sammeln.

Doch bis dahin, das weigre nicht,

Gebeutst du als Regent und führst das Heer!

DAGOBERT UND SELGAR.

So sei's! – Beim Opfer soll die Wahl entscheiden.

MARBOD indem er einige Schritte zurückweicht.

Hier übergeb ich, Oberster der Deutschen,


Er winkt der Wache.


Den ich in Waffen aufgefangen,

Aristan, Fürsten dir der Ubier!

HERMANN wendet sich ab.

Weh mir! Womit muß ich mein Amt beginnen?[347]

MARBOD.

Du wirst nach deiner Weisheit hier verfahren.

HERMANN zu Aristan.

– Du hattest, du Unseliger, vielleicht

Den Ruf, den ich den deutschen Völkern,

Am Tag der Schlacht erlassen, nicht gelesen?

ARISTAN keck.

Ich las, mich dünkt, ein Blatt von deiner Hand,

Das für Germanien in den Kampf mich rief!

Jedoch was galt Germanien mir?

Der Fürst bin ich der Ubier,

Beherrscher eines freien Staats,

In Fug und Recht, mich jedem, wer es sei,

Und also auch dem Varus zu verbinden!

HERMANN.

Ich weiß, Aristan. Diese Denkart kenn ich.

Du bist imstand und treibst mich in die Enge,

Fragst, wo und wann Germanien gewesen?

Ob in dem Mond? Und zu der Riesen Zeiten?

Und was der Witz sonst an die Hand dir gibt;

Doch jetzo, ich versichre dich, jetzt wirst du

Mich schnell begreifen, wie ich es gemeint:

Führt ihn hinweg und werft das Haupt ihm nieder!

ARISTAN erblaßt.

Wie, du Tyrann! Du scheutest dich so wenig –?

MARBOD halblaut, zu Wolf.

Die Lektion ist gut.

WOLF.

Das sag ich auch.

FUST.

Was gilt's, er weiß jetzt, wo Germanien liegt?

ARISTAN.

Hört mich, ihr Brüder –!

HERMANN.

Führt ihn hinweg!

Was kann er sagen, das ich nicht schon weiß?


Aristan wird abgeführt.


Ihr aber kommt, ihr wackern Söhne Teuts,

Und laßt, im Hain der stillen Eichen,

Wodan für das Geschenk des Siegs uns danken! –

Uns bleibt der Rhein noch schleunig zu ereilen,

Damit vorerst der Römer keiner

Von der Germania heil'gem Grund entschlüpfe:[348]

Und dann – nach Rom selbst mutig aufzubrechen!

Wir oder unsre Enkel, meine Brüder!

Denn eh' doch, seh ich ein, erschwingt der Kreis der Welt

Vor dieser Mordbrut keine Ruhe,

Als bis das Raubnest ganz zerstört,

Und nichts, als eine schwarze Fahne,

Von seinem öden Trümmerhaufen weht!

Quelle:
Heinrich von Kleist: Werke und Briefe in vier Bänden. Band 2, Berlin und Weimar 1978, S. 346-349.
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