Dritte Scene.

[120] FAUST allein, in dumpfer Betäubung.

Verloren?! – Nimmer!! – Ha, auch ich kann hassen! –

Und hab' ich sie doch nie wahrhaft geliebt!

Gewohnheit war's – Bedürfniß der Natur,

Die Langeweile, die mich zu ihr trieb!

Nichts weiter – –


Mit innerer Wildheit.


Ha, auch ich kann glühend hassen,

Was in den Weg mir tritt nach meinem –


Unwillkührlich schaudernd.


Himmel –!

Was will der Frost, der durch's Gebein mir rieselt? –

Bin ich doch Meister alles tiefen Wissens,

Und kenne der Natur geheime Kräfte,

Die in dem Schooß gestalten und zerstören!

Kann ich denn in den Lebensgang nicht greifen,[120]

Daß er sich rascher hin zum Ziele förd're?


Kühn vortretend.


Ihn hemmen kann ich! – – Doch das heißt ermorden!!


Nachsinnender.


Ermorden –? Läßt das Leben sich ermorden?

Der Name schreckt nur; – wenn man's tiefer nimmt,

Ist Tod Zersetzung bloß für neue Keime,

Ja selbst der Mord kann sich mit Liebe paaren,

Denn er befreit den eingeschleßnen Lichtstrahl

Zu seiner Sonne hin, indeß der Erdstoff

Dem nächsten Frühling schon entgegengährt,

Und Farben mischt für seine Feuerblüthen! –


In ein tückisches Gelächter ausbrechend.


Haha! Das ist Metaphysik der Hölle!

Doch unumstößlich, und so mit –


Wild und fest.


soll's seyn!! –

Was nützt ihr auch das Leben, und sie ihm?

Der Mutter Wonne blieb ihr ja versagt,

Und kalt empfängt sie alle andern Freuden,

Wo jene heiß in wilden Flammen glüht; –[121]

Für eine Sünde tausch' ich dich zu leicht! –


Aufstürmend.


Ist's doch die erste nur – sie soll geschehen!

Wer Kühnes wagt, muß hinter sich nicht sehen!


Er stürzt im wilden Aufruhre ab.


Quelle:
Klingemann, August: Faust. Ein Trauerspiel in fünf Acten. Leipzig und Altenburg 1815 [Nachdruck Wildberg 1996], S. 120-122.
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