Achte Szene


[907] Baron Blum. Schöne Geister. Maidels.


SOPHCHEN. Champagner, Herr Baron?

BLUM. Und für Euch Malaga. Nun, meine Herren dort, ob Sie die Messe die neue Poeten alle kaufen oder nicht, das wird Ihnen die Freude lang nicht machen, die Ihnen Lieschen macht. Gib mir eins, Lieschen!

1. SCHÖNER GEIST. Aber Herr Baron, Sie nur allein küssen diese Rosenwangen, und wir müssen das Zusehn haben.

BLUM. Närrisch genug! ist ja gegen euren Plato.

1. SCHÖNER GEIST. Den Teufel!

2. SCHÖNER GEIST. Lieschen, Kneipt ihr in die Backen. wo ist Betchen?

LIESCHEN. In der Küche, brät Lerchen, macht Artischockenbrüh.

2. SCHÖNER GEIST. Haben wir Vögel?

LIESCHEN. Lerchen, Herr Poet.

2. SCHÖNER GEIST. Ich muß ihr doch guten Abend sagen.

LIESCHEN durch ein Fensterchen sprechend, das in die Küche geht. Der Poet kommt, tu ihm die Schürze an.

BETCHEN aus der Küche. Will ihm die Brüh ums Maul schmieren, kommt er mir.

BLUM. Aber, meine Herren, die Sie immer von Ideal, Schönheit und Tugend das Maul so voll haben, he, sagen Sie mir doch, warum Sie hier – ho, he, – Sie schwatzen doch so gegen das Sinnliche, rupfen den andern die Federn aus; und die dem Plato, zieren den Diskurs mit – sagen Sie mir doch – he, warum Sie nach der Komödie zu Lieschen und Sophchen laufen?

1. SCHÖNER GEIST. Die Zeiten ändern sich, man nähert sich dem Menschen immer mehr. Es war eine Zeit, da lebten wir alle von Plato, Hutcheson, und den Hymnen, Dialogen, die aus der Schweiz kamen. Die blieben aus, vergaßen sich selbst, es war der rechte Weg nicht –

BLUM. Das war der beste Einfall, den Ihr in Eurem Leben gehabt. Erzählt mir doch was von den neuen Poeten, und Euren Mitbrüdern[907] den schönen Geistern, aber nur so lang, bis Champagner kommt, denn kein Wort mehr! Nu?

SCHÖNER GEIST. Ei hier, das wär Prostitution.

BLUM. Und räsoniert übern Plato, ihr. Der Teufel soll euch holen! Erzählt, oder ich wettre euch. Von der Literatur will ich Neues wissen –

SCHÖNER GEIST. O Herr Baron!

SCHÖNER GEIST. Wein, Herr Baron!

SOPHCHEN. Was lärmst du, Sturmglock? Da hast du Wein, hab noch ein Restchen gefunden vom letzten Schmaus, den Louis gegeben. Ist er desertiert, Blumchen? Es geht schlecht, Blumchen!

BARON. Ja bei mir gewiß. Die Freude des Lebens hin! Ach Sophchen zerronnen, zerronnen – bedauerst du mich nicht?

SOPHCHEN. Kommt schon wieder.

MAGD. Herr Baron, da fragt ein Herr nach Ihnen.


Kommt Einer mit Reis'hut. Die vorderste Grempe heruntergeschlagen, tief ins Gesicht. Mädchen beleuchten ihn.


BETCHEN gelaufen. Ein niedlich Gesicht bei meiner Ehr! könnt man's wohl sehen? Mit Erlaubnis! Er drückt den Hut immer tiefer ins Gesicht. Beleuchten ihn immer näher.

SOPHCHEN. Coquin! Coquin!

BARON. Der Teufel, bist du's?

UNBEKANNTER. Sollst morgen früh zum Louis kommen.

BLUM. Gib dich nicht zu erkennen!

SOPHCHEN. Laß dein Gesicht sehen, oder ich kratz dich blutig!

BLUM. Macht 's Essen! Wein her!

SOPHCHEN. Säufer, kannst sonst nichts. Sag, wer ist der?

LIESCHEN. Wir wollen ihn schon kennenlernen.

UNBEKANNTER. Wer sind die?

BLUM. Belletristen. Ist wieder ein Schwarm von Leipzig kommen.

UNBEKANNTER. Das sind mir die Rechten.


Quelle:
Sturm und Drang. Band 2, München 1971, S. 907-908.
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