Erste Szene


[925] Von Brand. Blum.


VON BRAND. Zwei lange, lange Tage hab ich sie nicht gesehen. Visiten und Gesellschaft; ach! das ewig daurende Gebrause. All das Geschmeiß nähert sich ihr, wärmt sich an ihrer Gottheit. Ich möchte sie all erwürgen; sitze da in der Ecke – und der Louis! Blum, der Louis! er küßte ihre Hand, er küßte sie auf eine Art – warum stieß ich ihn nicht nieder!

BLUM. Narr, Narr; wirst du denn nie gescheit? Zwei Tage, denk doch, zwei Tage war er nicht allein mit ihr. Zog er doch mit in alle Gesellschaften; ging's nicht an, rastete er nicht, bis er sie sah? Meinst du, man wüßte nichts? Hast du jetzt nicht im Kramladen gestanden, gepaßt stundenlang, bis sie vorbeifuhr, und da nickte sie? He! Hans Hasenfuß!

VON BRAND. Sagt dir das der Teufel?

BLUM. Mein Teufel, Narre! Ich hab dich wohl hineinwischen sehen. Da schäckerte er mit dem Kaufmannsmädchen, kaufte ihr allerlei ab, um nur Zeit zu gewinnen. Nun, Herr, zwei Tage! denk doch!

VON BRAND. Wenn du wüßtest, was mir der Gedanke ist – Hölle und Tod! der Louis! Kerl, ich werd rasend!

BLUM. Was? Was? Weißt du was?

VON BRAND. Nichts, nichts, aber ich kenn ihn, den Buben, er sieht sie an – mit Augen –

BLUM. Freilich!

VON BRAND. Das Landfestin morgen; sie dabei; der Louis auch!

BLUM. Ist Festin?

VON BRAND. Der Baron gibt's auf der schönen Heide beim Dorf, ich ausgeschlossen! Was werd ich machen? sie alle um sie herum; alle Herzen freudig in ihrer Gegenwart. Der wollüstige Bube! Blum, es dauert nicht, es kann nicht dauren; einer von uns muß weg! Ich halt's nicht aus; einer muß![925]

BLUM. Ich bitt dich, Brand, laß dich leiten! Daß dich das Wetter; was soll denn das werden noch all? Willst du Zeugs anfangen, das alles am Tag liegt? Willst du dich um den Kopf bringen? sie umbringen?

VON BRAND. Mich tausendmal.

BLUM. Was kann dir der Bube verschlagen? Hast du keine beßre Meinung von Malchen?

VON BRAND. Laß dich küssen für den Gedanken, bester Blum! Ja sie ist's, ein Weib – ich knie nieder, wenn ich sie denk. Oh, was sie leidet, Blum, wenn du den Kampf sähest, der ihr zartes Herz zerreißt –

BLUM. Nu, was ist denn nun? Was soll denn alles Gewinsel? Meinst du denn, es dauert immer so fort? Und für den Louis sei unbesorgt; er läuft Tag und Nacht nach Sophchens, nach der Reih. Denk schon, er soll bald liegen. Ich war ein Herkules gegen so einen Buben, und 's hat ein Ende. Daß dich der Teufel!

VON BRAND. Weißt du was, Blum, ich geh hinaus morgen in aller Früh ins Dorf; setz mich auf ein Haus verkleidet, seh sie, und da wird mir's sein – Ach wenn ich sie vor mir seh, den ganzen Engel vor mir schweben, – ich soll ferne sein!

BLUM. Kommt dir's schon wieder?

VON BRAND. Nein, ich will mich maskieren; wenn alles in Ordnung ist, unter die Tänzer mischen.

BLUM. Laß dich kastrieren, armer Junge, armes Gehirn!

VON BRAND. Schweig, wenn wir Freunde bleiben sollen!

BLUM. Nu gut! Du ließest dich in einen Papillon verwandeln, nur um sie beständig herumflattern zu können. Ich laß mir alles gefallen, hätt ich nur auch einmal wieder Mark in den Knochen!


Quelle:
Sturm und Drang. Band 2, München 1971, S. 925-926.
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