Erste Szene

[1155] Betty führt Wild, Blasius und La Feu auf.


BETTY. Hier Mylords, belieben Sie zu warten, Myladies werden gleich die Ehre haben.


Geht ab.


LA FEU. Gut, meine schöne Iris! Sich umsehend. Ei! es hatt schon so was Liebes, Anlockendes im Hereintreten. Es ist einem doch ganz anders in einem Damenzimmer. Es schauert mir so anmutig ums Herz. Was schneidst du vor Gesichter, Wild?

WILD. Ich begreif mich noch nicht. So gut ist mir's, alle Gegenstände reden mit mir in diesem Zimmer und ziehen mich an, und so erschrecklich elend, so erschrecklich ungewiß. Ich spring von Gedanken zu Gedanken, ich kann mich an nichts halten. Ach! dann nur, wenn es ganz rein zurückkehrt das unendliche hohe Gefühl, wo meine Seele in Schwingungen sich verliert, in der herrlichen Ferne ihr Liebesbild erblickt, in der Abendsonne, im Mondschein – Und ach! wenn ich denn auf den schnellen Fittichen der Liebe hineil, und es schwindet, verlieret sich immer vor mir. – Ja ich bin elend, ganz in den Gedanken lebend, ich bin elend! o mir! ich glaubte in diesem andern Weltteil zu finden, was dort nicht war. Aber hier ist's, wie dort, und dort wie hier. Gott sei Dank! daß die Einbildung[1155] die Ferne so herrlich sieht, und steht sie nun am sehnlich erwünschten Punkt, wie der herumstreifende Vagabond weiterflüchtet, im sichern Glauben, dort werde der unruhige Geist alles finden. So Welt auf, Welt ab, in zauberhafter, drängender Phantasie, und ewig das Einerlei, hier wie dort. Wohl Geist! ich folge dir!

BLASIUS. Traben die Zentauren wieder vor deiner Einbildung. – Ich bin wieder so gar nichts, mag so gar nichts sein. – Wild, es ist schändlich, was du dich ewig mit Gespenstern herumtreibst.

WILD. Ich bitte dich – ich werde sie finden. –

LA FEU. Die Damen bleiben so lange!

WILD. Hört! ihr wißt, wie ich bin. Wann die Damen einen fatalen Eindruck auf mich machen, so denkt auf eine Entschuldigung, ich zieh ab.

BLASIUS. Und da hat man wieder seine Flegelei zu entschuldigen. Geh! mach's wie du willst. Ich bin gar nicht gestimmt für Weiber, und doch muß ich mich mit ihnen abgeben, weil sie meistens so wenig sind, und ich gar nichts. – Du bist mir zum Ekel, Wild! mir wär's lieb, wenn du mich eine Zeitlang ungeplagt ließest.

WILD. Fällt mir's ein, dich aufzusuchen?

BLASIUS. Ich kann dich nicht ausstehen. Deine Kraft ist mir zuwider, du drückst mich tot, und daß du ewig nach Phantomen rennst – ich haß dich!

WILD. Wie du willst. Du liebst mich auch wieder.

BLASIUS ihn umarmend. Wer widersteht dir? – Junge! Junge! ich bin unbehaglicher wie du. Ich bin zerrissen in mir, und kann die Fäden nicht wieder auffinden das Leben anzuknüpfen. Laß! ich will melancholisch werden; nein ich will nichts werden. Du sahst mein edles Roß in Madrid den Karren ziehen, ich weinte aus tiefer Seele, und Isabella wischte meine Tränen. Herrlichkeit der Welt! ich kann keine deiner Blumen mehr brechen. Ja wer diesen Sinn verloren hat, wer dich verloren hat ewige Liebe, die du in uns alles zusammenhältst!

WILD. Blasius, du hast mehr als du glaubst.

LA FEU. Wo die Damen bleiben? Die Bücher durchsuchend. Myladies Bücher machen mir große Hoffnung daß sie mit süßer Phantasie begabt sind. O die Romanen! o die Feenmärchen! Ach wie herrlich um all die Lügen! Wie wohl dem der sich vorlügen kann![1156]


Quelle:
Sturm und Drang. Band 2, München 1971, S. 1155-1157.
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