Neunte Szene

[1193] Garten.

Wild. Caroline.


WILD. O Miß! Miß! dieser Tag war gut. Der half meinem Herzen in etwas heraus, aber so wie ich hieher komm, und so wie ich hier steh vor dir in diesen Gefühlen – Jenny! warum mußt ich zurückkehren? Warum verschont bleiben? und sah so viele[1193] um mich hinsinken. Ich muß Rache haben, Miß! von deinem Bruder! fühle Grimm hier, fühle Liebe hier – fühlst du Jenny, siehst du? ich steh so an dem Abgrund des menschlichen Beginnens – am Ende des menschlichen Gefühls, denn es reißt hier, Miß! Auf die Brust zeigend, und zerspringt hier! Auf die Stirne zeigend. Und hier dein Bild, das ich nicht will, und immer mehr, immer heißer will – Jenny, alle Qual! alle Liebe!

CAROLINE. Ist denn nichts da das rette? Ist denn nichts da das helfe? – Komm hier in meine Arme, lieber Geängsteter! Laß dir Ruhe geben. Laß dir Liebe geben! Nur diese Blutgierde, diese Rachgierde nicht! Vergib meinem Bruder! nein, du kannst nicht. – – – Carl! so still und tot – – und ich so ganz ohne Rettung unglücklich. – Ich wollte soeben meine letzte Stärke aufbieten. Sie schwindet hin, und ich! – ach ich hatte den, nach dem ich rief und seufzte! – er ward mir gegeben! Carl! und so endet's?

WILD. Verbirg deine Tränen! Verbirg dein Leiden! Verbirg mir deine Liebe, nein, gib mir Liebe, daß ich bis auf den zerstörenden Augenblick lebe und empfinde. Es hat mich schon so taub und fühllos gemacht, und nur das Teilnehmende deiner liebenden Augen löst die Starrheit auf, und läßt mich in dem erschrecklichen innern Zerreißen etwas fassen, woran ich halten kann. O Jenny! wie kann das dein Bruder sein! Der Mörder! – O es ist Sünde, es vor deine Ohren zu bringen, ich fühl wie es deine Nerven trifft – es will nicht mehr über meine Zunge, es ist mir so tief im Herzen, und spannt meine Brust aus. – He! so sollst du haben, lechze! und lechze! und hast ja all meine Sinnen gefangen – Miß! Miß! was ist dir dann?

CAROLINE. Laß mir's nur noch dunkler werden vor den Augen, und schwerer hier. Ich geh zu Ende, so gern zu Ende – Du zerstörst so gewaltig.


Quelle:
Sturm und Drang. Band 2, München 1971, S. 1193-1194.
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