18.

[87] Die mehrsten Menschen, welche verkannte, unterdrückte Talente an das Licht zu bringen, junge Genien mit Geld-Summen und Empfehlungen zu unterstützen und den Gelehrten vorzügliche Achtung zu beweisen, sich angelegen seyn lassen, möchten uns gern glauben machen, dies alles geschähe aus uneigennützigem Eifer für Wissenschaften und Künste; allein nicht immer ist das der Fall. Man will selbst für einen Mann von Kenntnissen, Talenten und feiner Beurtheilung gelten; man möchte gern als ein Solcher und als ein großmüthiger Beförderer der[87] Gelehrsamkeit und Aufklärung ausposaunt werden; man erwartet vielleicht von demjenigen, den man, wie es gewöhnlich heißt, aus dem Staube hervorgezogen hat, gewisse unentgeltliche und verschwiegene Dienste; er soll etwas durchsehn, verbessern, oder selbst ausarbeiten, das man nachher für eignes Machwerk ausgeben will. Nun! laß immerhin kleine Nebenabsichten bey solchen Mäcenatenschaften mit unterlaufen – Wenn nur das Gute geschieht, Fleiß und Talente ermuntert werden!

Quelle:
Adolph Freiherr von Knigge: Ueber Eigennutz und Undank. Leipzig 1796, S. 87-88.
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