Der 2. Absatz.

Von dem Regenbogen.

[18] Der Regenbogen / Iris oder Himmel-Bogen genandt /ist ein Repercussion, oder Wider-Schein der Sonnen-Strahlen / die in eine wässerige Wolcken / so der Sonnen gerad entgegen stehet / einfallen: es muß aber der Wolcken zum Theil dinn und hell oder durchscheinend seyn / theils aber dick und Dunckel / fast wie ein Spiegel: mithin geschicht es / daß uns der Regenbogen unterschiedliche Farben / als nehmlich ein grüne /ein blaulechte / weißgelb und rothe vorstellet / welches glaublich von den Qualitäten oder Eigenschafften der vier Elementen herkommet.10 Es laßt sich folgends der Regenbogen nur beym Tag / niemahl aber bey der Nacht sehen: doch niemahl zur Mittag-Zeit /wann die Sonn zum stärcksten scheint. Sein Figur oder Gestalt ist wie ein halber Circkel / mit den zwey Hörner oder Enden berührt er den Erdboden / mit dem oberen Theil aber berührt er den Himmel / und wann helles Wetter vorhergangen ist / da bedeutet er ein mäßigen Regen / nach vielem Regen aber bedeutet er ein folgendes schönes Wetter. Der Regenbogen mäßiget die Hitz der Sonnen / er ziert den Himmel / erlustiget die Augen / und erfreuet das Gemüth.

Es haben derowegen die Alte den Regenbogen nicht unbillich ein Tochter Thavmantis, das ist der Verwunderung genennt; weilen er nehmlich so viel seltzame Geheimnuß und Eigenschafften in sich begreifft / daß selbe mehrers zu bewunderen / als zu ergründen seynd. Es kan auch kein Mahler mit dem Bimbsel die Farben des Regenbogens recht und eigentlich entwerffen oder abmahlen. Ubrigens gereicht es zu sonderm Lob des Regenbogens / daß nach Zeugnuß der H. Schrifft GOtt ihn gesetzt hat zum Zeichen deß Bunds / den er mit dem Noe gemacht hat /nehmlich die Welt hinfüran nicht mehr mit einem allgemeinen Sünd-Fluß zu straffen. Arcum meum ponam in nubibus cœli, & erit in signum fœderis inter me & te.11

Dises alles schickt sich gar wohl / und bedeutet in sittlichem Verstand das heilwerthe Creutz Christi /und den gecreutzigten Heyland.12 Christus der gecreutzigte / sage ich / ist jener edle und wunderschöne Himmels-Bogen von welchem der Heil. Geist selber sagt: [18] Vide arcum meum, & benedic eum qui fecit illum: valde speciosus est in splendore suo.13 Sihe an den Regenbogen / und lobe den / der ihn gemacht hat: Er ist vast schön in seinem Schein. Es ist nehmlich in sittlichem Verstand die heiligste Menschheit Christi ein theils liecht oder helle Wolcken wegen der GOttheit / theils ein dunckle Wolcken wegen der sterblichen Menschheit / in welche der himmlische Vatter / als die Göttliche Gnaden-Sonn häuffige Strahlen wirfft / das ist / unendliche Vollkommenheiten ergiesset. Dieser Himmlische Regenbogen Christus / wird uns nicht nur zu beschauen und zu bewundern / sondern auch zu verehren und anzubetten vorgestellt. Er weiset uns die schönste und höchste Farben der herrlichsten Tugend- und Vollkommenheiten / welche bey keiner puren Creatur zu finden seynd: aber er laßt sich nur bey dem Tag / das ist / bey den Gerechten sehen mit seinem Gnaden-Schein / nicht aber bey der Nacht / das ist / bey denen verstockten unbußfertigen Sündern / welche die Gütigkeit GOttes nicht erkennen. Dieser geistliche Himmels-Bogen ist allezeit gerad der unerschaffenen Sonn entgegen gesetzet / weilen Christus allzeit die Ehr des himmlischen Vatters / für seinen Gegensatz und Endzweck hatte. Mit den zwey Hörner oder Enden / das ist / mit dem Leib und mit der Seel berühret er die Erden: Habitavit in nobis:14 Er hat in uns gewohnet. Ja es ist sein Freud mit und bey uns zu seyn.15 Mit dem obern Theil aber / nehmlich mit der GOttheit / ist er unendlich weit über all das Irrdische erhöhet und erhebt: Der Himmel ist sein eigenthumlicher Wohn-Sitz / die Erden aber nur sein Fuß Schemel.16 Dieser sittliche Regenbogen mäßiget die Hitz der Sonnen / das ist / die Strenge der Göttlichen Gerechtigkeit und verkündiget ein schön-und helles Wetter / das ist / den Gnaden-Schein der Göttlichen Barmhertzigkeit; dann eben zu disem Zihl und End ist dieser geistliche Regenbogen / Christus verordnet / daß GOtt in Ansehung seiner / und seiner unendlichen Verdiensten zur Barmhertzigkeit bewegt werde / und denen sündigen Menschen mit der wohlverdienten Straff verschone. Recordabor fœderis mei vobiscum etc.17 Ich wird mich erinnern / sagt der himmlische Vatter / daß mein geliebter Sohn durch sein bitteres Leyden und Sterben das menschliche Geschlecht mit mir versöhnet habe / und für die Sünden der Welt genug gethan / ja überflüßig ihre Schulden abgezahlt.

Ein Regenbogen / oder Himmels-Bogen / sag ich abermahl / ist das H. Creutz in sittlichem Verstand: aber kein gegen der Welt ausgespannter Bogen /durch welchen der erzürnte GOTT seine Straff-Pfeil auf uns herab schiesse / sondern vielmehr ein solcher Bogen durch welchen und in Krafft dessen wir all unsere Bitt und Begierden gegen GOtt sollen abschiessen / auf daß wir das rechte Zihl und Endzweck treffen / und der Schuß nicht fehle / ich will sagen unser Bitt uns nicht leer abgehe.18

In weltlichen Geschichten wird vieles von glücklichen und kunstreichen Bogen-Schützen gemeldet /welche berühmt gewesen seynd / eh daß man die Wissenschafft gehabt hat mit Kugel-Büchsen und Flinten zu schiessen. Ein kunstreicher und glücklicher Bogen-Schütz ist gewesen der Kayser Commodus und Domitianus; Dann jener hat alles mit dem Pfeil richtig getroffen / nach was er nur immer geschossen hat: diser aber hat mit dem Pfeil einem Hirschen in vollem Lauff allzeit das Hertz getroffen.19 Ein glücklich-und kunstreicher Bogen-Schütz ist gewesen Godefridus Bullionius ein Hertzog in Lothringen / welcher als er mit dem Christlichen Heer die Stadt Jerusalem belägerte / da hat er auf einem hochen Thurn drey Lerchen in einer Linie oder Zeilen sitzend gesehen /auf welche er mit dem Pfeil so glücklich geschossen /daß er alle drey auf einmahl getroffen / und im Lufft gespißt hat: wie dann noch biß heutigen Tag zu einem ewigen Angedencken, diser raren Begebenheit / die Hertzogen von Lothringen drey solche Lerchen in ihrem[19] Stamm-Wappen führen. Eben auch ein glücklich und künstlicher Bogen-Schütz ist gewesen jener hertzhafft und tapffere Schweitzer / Wilhelm Tell mit Nahmen: dann als im Jahr 1307. ein Oesterreichischer Land-Vogt und Richter in der Schweitz / der ein hochmüthiger und unmilder Mann ware / in einem Schweitzerischen Flecken Altorff genant auf offentlichem Platz an einer hohen Stangen einen Hut hatte aufhencken lassen / mit ernstlichem Befehl daß alle Unterthanen / so da vorbey giengen / dem Hut eben solche Ehrbezeugung erweisen sollen / als wann ihr Herr und Oberhaupt selbsten gegenwärtig wäre. Dieser dollsinnige Befehl mißfiele allen Ehrliebenden Leuthen sehr / bevorab dem ermelten Wilhelm Tell /der auch der erste war / so dem ausgesetzten Hut kein Ehr im Vorbeygehen erwise. Der Richter / oder Land-Vogt erzürnte sich darüber und liesse ihn samt seinem Söhnlein gefangen nehmen: und weilen er wuste daß Wilhelm Tell ein guter Bogen-Schütz seye / so setzte er ihm sein eigenes Kind zum Zihl an statt einer Scheiben aus / er legte ihm einen Apffel auf das Haupt / und zwange den Vatter daß er seinem eigenen Kind entweders den Apffel vom Haupt hinweg / oder das Hertz durchschiessen solle. Er aber hat wider den Wunsch und das Verhoffen des Richters so gut und glücklich getroffen / daß er von weitem mit dem Pfeil den Apffel des Kinds unverletzt herab geschossen. Diese unbescheidene Strengheit aber deß Richters hat denen Schweitzeren also schwerlich mißfallen / daß sie das Joch solcher unmilden Obrigkeiten von ihnen haben abgeworffen / von dem Durchleuchtigsten Hauß Oesterreich seynd abgewichen / und unter ihnen selbst eine freye Republic haben aufgerichtet.

Künstlich und glücklich haben all die obgemeldte Bogen-Schützen geschossen und getroffen: aber noch vil besser und glücklicher werden wir schiessen und treffen / wann wir unsere Bitt und Begierden / wann wir all unsere Gedancken Wort und Werck durch den Bogen des Heil. Creutzes und in Vereinigung des Gecreutzigten gegen GOtt und dem Himmel abschiessen / dann wir werden auf solche Weiß gleichsam das Hertz des himmlischen Vatters selber treffen / diese unendliche Schatz-Kammer dardurch eröffnen / und alle Gnaden häuffig daraus fliessen machen.20 Ja am allerbesten werden wir schiessen und treffen wann wir zu End des Lebens unser eigene Seel auf dem Bogen des Creutzes abtrucken / und in Krafft desselben gen Himmel abschiessen / unser letztes Zihl und End nicht zu verfehlen / wie es viel eyfrige und andächtige Diener und Dienerin GOttes gemacht haben / welche in würcklichem anmuthigen Küssen und liebreichem Umarmen deß Heil. Creutzes / und des Gecreutzigten ihren Geist aufgegeben haben. Die Persianer haben sich unter dem König Cambyses zu Friedens-Zeiten gar fleißig in dem Bogen-Schiessen geübet / auf daß sie zu Kriegs-Zeiten desto geschickter und erfahrner wären. Wie dann einstens / als Prexospes ein Hoff-Herr da er vermeynte der König habe sich rauschig getruncken / und etwan darüber spottete / da hat es den König also verdrossen / daß er des Hof-Herrn seinen Sohn in dem Gartten an einen Baum binden liesse / und sich anstellte als wolt er sich mit dem Pfeil und Bogen üben / gehling aber hat er ihm von weitem das Hertz mitten entzwey geschossen / zu dem Vatter des entleibten Sohns sprechend: Lerne hinfüran von Königen besser urtheilen und reden. Wir sollen uns auch bey Friedens-Zeiten / ich verstehe in dem Leben / in dem ermelten sittlichen Bogen-Schiessen fleißig üben / damit wir zur Kriegs-Zeit / das ist / in dem Tod-Bett zum Schiessen desto geschickter seyen.

Trefflich wohl hat sich in diser Kunst geübet / und ist ein sehr guter Bogen-Schütz in geistlichem Verstand gewesen Ferdinandus II. glorreichen Angedenckens Römischer Kayser / welcher bey lebszeiten zum öfftern und absonderlich in dem Tod sein eyfriges Gebett / und hitzige Begierden auf dem[20] Bogen des Creutzes zu GOtt hat abgeschicket.21 Absonderlich in jener Begebenheit / als in dem Jahr 1619, in dem Brachmonath gantz unvermuthet ein starckes feindliches Kriegs-Heer aus rebellischen Böhmen / und confœderirten Uncatholischen / über die Donau gesetzet hat / und sich schon würcklich in die Vorstädt zu Wien in Oesterreich eingetrungen / den Kayser Ferdinandum allda gefangen zu nemmen / oder sonst aufzureiben / da auch nicht wenige Abtrünnige in der Stadt selbsten waren / die es mit den Feinden des Kaysers hielten / da hat der gottseelige Monarch / in Ermanglung aller menschlichen Hülff / von gantzem Hertzen sich zu dem gecreutzigten Heyland gewendet / dessen Bildnuß er immerdar in seinem Zimmer mit gröster Ehrerbietung aufbehalten: da hat er sich ihme zu Füssen / ja mit dem gantzen Leib nach der Länge zu Boden geworffen / und mit inbrünstigem Gebett sich gäntzlich GOTT ergeben. Entzwischen begab es sich daß P. Bartholomæus Villerius, aus der löblichen Gesellschafft JEsu / der des Kaysers Beicht-Vatter war / nacher Hof kame / und von einem Cammer-Herrn verlangte angemeldt zu werden: Als dieser mit einem guldenen Schlüssel die Thür des Zimmers eröffnete / findet er Ferdinandum nach der Länge ausgestreckt / vor dem Crucifix auf dem Boden ligend: Der Cammer-Herr erstaunet hierüber vor Verwunderung und zeigt es dem Beicht-Vatter an. Bald aber hernach / als Ferdinandus vom Gebett wiederum aufgestanden / ließ er den Beicht-Vatter für sich kommen / und mit freudigem Angesicht sprach er zu ihm: Mein Pater ich erwegte bey mir selbsten die äuserste Gefahr / die mir von allen Seiten antrohet /die Macht des Feinds vor der Vestung / und die böse Anschläg ungetreuer Unterthanen inner der Stadt / die mir nicht unbewußt sind / und in diser Noth / da kein menschliche Hülff vorhanden, hab ich nach meiner Gewohnheit zu GOtt allein mein Zuflucht genommen / vor dem Heil. Creutz mich nidergeworffen / und um Hülff gebetten: Nun bin ich gantz wohl getröst / und lebe der gäntzlichen Hoffnung / GOTT werde meine Feind zu schanden machen / und ihr Vorhaben zernichten. Es hat ihne auch sein Hoffnung nicht betrogen / dann gehlingen und unvermuthet ist ein Succurs von Catholischen Hülffs-Völckern in der Stadt Wien ankommen / welcher den Feind abzuweichen / und die Rebellen sich zu ergeben gezwungen hat. Es ist auch folgendes Jahr darauf das gantze Königreich Böhmen widerum unter den rechtmässigen Gewalt Ferdinandi gebracht worden. Ubrigens ist von glaubwürdigen Zeugen für gewiß ausgegeben worden / es habe damahls das Crucifix Bild / vor welchem dieser gottseelige Monarch so eyfrig gebettet hat / deutlich mit ihme geredt / und gesprochen: Ferdinande ego te non deseram: Ferdinande ich wird dich nicht verlassen. Deßwegen auch besagtes Crucifix zum ewigen Angedencken in der Kayserlichen Schatz-Kammer zu Wien aufbehalten und verehret wird. Eben auf diesem Creutz-Bogen hat auch Leopoldus I. glorwürdigen Angedenckens Römischer Kayser sein gottseelige Seel gen Himmel abgeschossen / indem er in liebreicher Umfahung /und vielfältig wiederhohltem anmuthigen Küssen des ermeldten Crucifix-Bilds seeligst verschieden ist.

Quelle:
Kobolt, Willibald: Die Groß- und Kleine Welt, Natürlich-Sittlich- und Politischer Weiß zum Lust und Nutzen vorgestellt [...]. Augsburg 1738, S. 18-21.
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