Vierte Szene


[372] Gräfin – Der alte Graf.


GRAF. Guten Abend, Schwester! Ich komme, dich zu fragen, ob wir zusammen ins Theater fahren?

GRÄFIN. Was gibt man heute?

GRAF. Den Ring, von Schröder.

GRÄFIN. Aha! Deine Geschichte?

GRAF. Ich sehe das lustige Stück noch immer gern. Es hat mir einen Namen in der Welt gemacht; es hat mir lange nachher noch manchen Sieg erleichtert.

GRÄFIN. Lange nachher? Du warst doch damals schon nicht ganz jung mehr.

GRAF. Aber gesteh nur, Schwester, ich war ein liebenswürdiger Patron – und auch jetzt noch – man hat beaux restes.


Vor dem Spiegel.


GRÄFIN. Wie alt bist du jetzt?

GRAF. Ich habe mich wirklich zum Erstaunen konserviert.

GRÄFIN. Wie alt bist du?

GRAF. Besonders, wenn man bedenkt, daß ich mein Leben so ziemlich genossen.

GRÄFIN. Wie alt bist –

GRAF. Und daß die Strapazen im Kriege –

GRÄFIN. Wie alt –

GRAF ungeduldig. Höre, Schwester, man merkt es dir an, daß du zwanzig Jahre auf dem Lande zugebracht hast; denn du hast keinen Funken gute Lebensart.

GRÄFIN. Vergib! Ich glaubte mit einer Mannsperson zu reden;[372] oder meinst du – ach! Jetzt besinne ich mich – du hast recht, Bruder, ich habe dir noch nicht für dein artiges Geschenk gedankt.

GRAF. Geschenk? welches Geschenk?

GRÄFIN. Nun den allerliebsten Schawl, den du mir diesen Morgen durch Adolph schicktest.

GRAF. Ach den?

GRÄFIN. Er ist so weich, so warm!

GRAF. So? Das freut mich.

GRÄFIN. Sage mir nur, wie du auf den galanten Einfall kamst?

GRAF. Je nun – ich – ging über den Graben und –

GRÄFIN. Und dachtest an mich?

GRAF. Natürlich an dich!

GRÄFIN. Und da kauftest du für mich –

GRAF verdrüßlich. Ja, ja für Dich!

GRÄFIN. Das war scharmant von dir! Dafür muß ich dich küssen!


Umarmt ihn.


GRAF. O gehorsamer Diener!

GRÄFIN. Es ist freilich nicht der Kuß eines jungen, hübschen Mädchens.

GRAF. Ei wo denkst du hin? Die Zeiten sind vorbei. An so etwas denke ich nicht mehr.

GRÄFIN. O das weiß ich, – das weiß ich! Solche Torheiten überlässest du jetzt deinem Sohne.

GRAF mit komischem Seufzer. Ja, meinem Sohne!

GRÄFIN. Aber ich muß im Ernst darauf denken, mich zu revanchieren.

GRAF. Ist nicht vonnöten.

GRÄFIN. Ei ja doch. Ein so feines Merkmal deiner brüderlichen Aufmerksamkeit darf nicht unvergolten bleiben. Ich werde meinen ganzen Witz aufbieten, um dem Namen Klingsberg Ehre zu machen. Schlägt ihn mit dem Fächer auf die Schulter. Adieu, du kleiner Schelm! Ab.


Quelle:
August von Kotzebue: Schauspiele. Frankfurt a.M. 1972, S. 372-373.
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