Siebente Szene

[407] Sabine mit der Perücke – Vorige.


SABINE. Da ist die Perücke.

FRAU STAAR. Es bleibt doch dabei, mein Sohn, daß morgen zugleich Sabinchens Verlobung gefeiert wird?

BÜRGERMEISTER. Allerdings. Es ist ein merkwürdiger Tag.

FRAU STAAR. Das Mädchen macht Einwendungen.

BÜRGERMEISTER. Was? ich bin Bürgermeister, auch Oberältester, mir macht man keine Einwendungen.

SABINE. Lieber Vater!

BÜRGERMEISTER. Erst die Pflicht, dann die Liebe. Ich gehöre dem Staate. Mir gebührt es, ein Fest zu verherrlichen, das noch unsern Urenkeln Segen bringen wird. Indem er die Perücke aufsetzt. Die Jurisdiktion zwischen unserer guten Stadt Krähwinkel, und dem benachbarten Amte Rummelsburg war strittig – eine Diebin wurde eingefangen – wir wollten sie an den Pranger stellen, die Rummelsburger gleichfalls – wir wollten sie mit Ruten streichen, die Rummelsburger gleichfalls – Neun Jahre lang haben wir prozessiert – die Delinquentin ist indessen wohl verwahrt[407] worden – Gott sei Dank! sie lebt noch – wir siegen, und morgen steht sie am Pranger.

SABINE. Lieber Vater, der Delinquentin kann fast nicht schlimmer zumute sein, als mir.

BÜRGERMEISTER. Wieso?

SABINE. Wenn sie ihre Strafe überstanden hat, so ist sie frei. Ich habe nichts verbrochen, und soll morgen auf ewig in Ketten geschmiedet werden.

BÜRGERMEISTER. Sei ruhig mein Kind. Der heidnische Gott Amor oder Hymenäus schmiedet nur Blumenfesseln.

SABINE. Ach! die nicht selten das Herz wund drücken.

BÜRGERMEISTER. Der Herr Bau-, Berg- und Weginspektors-Substitut Sperling ist ein Mann bei der Stadt.

FRAU STAAR. Das hab' ich auch gesagt.

BÜRGERMEISTER. Es fehlt ihm keinesweges am Judizio.

HERR STAAR. Das hab' ich auch gesagt.

BÜRGERMEISTER. Er hat Vermögen.

FRAU STAAR. Meine Worte.

BÜRGERMEISTER. Schreibt allerlei poetische Exerzitia.

HERR STAAR. Mir aus der Seele gesprochen.

BÜRGERMEISTER. Kurz, ich habe denselben zu meinem Schwiegersohn erkieset, wogegen keine weitere dilatorische Einrede stattfindet.

SABINE beiseite. Weh mir! Alles hat sich gegen mich verschworen!


Quelle:
August von Kotzebue: Schauspiele. Frankfurt a.M. 1972, S. 407-408.
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